Den ersten Polizeiangriff auf unserem Freiheitsmarsch haben wir in Luxemburg erlebt. Den letzten Protest den wir in Luxemburg durchgeführt haben, war der Protest am Parlament. Was für eine Art Protest es werden soll, haben wir vorher auf Versammlungen diskutiert und organisiert. Im Parlament werden Flüchtlinge, Migranten und Bedürftige nicht berücksichtig. Wir wollten als Straßenaktion zum Parlament laufen und die Menschen dort fragen, warum das so ist. Wir wollten dort unsere eigenen Reden halten.
Heute haben wir in Luxemburg unsere Zelte abgebaut, unsere Sachen gepackt und uns auf den Weg gemacht. Wir dachten, wir verlassen heute Luxemburg und setzen unseren Weg fort. Das Parlament lag nicht weit entfernt von unserem Schlafplatz. Zu Fuß sind wir also auf den Hauptstraßen zum Parlament gelaufen. Es war in der Nähe fast keine Polizei zu sehen. Es gab heute im Seminarraum des Parlaments eine Versammlung. Vor dem Eingang des Gebäudes waren Absperrungen aufgebaut. Nach unseren gestrigen Aktionen rechnete die Polizei damit, dass wir gegen das Parlament protestieren wollten.
Bis zum Parlamentsgebäude war es ein ruhiger Marsch, wir sind der Polizei nicht begegnet. Auch vor dem Parlament gab es nicht so viel Polizei. Durch einen schmalen Weg sind wir auf das große glasverkleidete Gebäude zugegangen. Die beiden Polizisten in weißem Hemd mit Waffe, Schlagstock und Tränengas am Gürtel stellten sich sofort vor uns. An ihren Bewegungen erkannten wir, dass sie dachten, wir würden sofort stehenbleiben und umkehren. Aber es kam anders, als sie erwartet hatten. Wir sind zwischen den beiden Polizisten weiter in Richtung des Gebäudes gegangen. Als wir an ihnen vorbei waren, fingen wir an zu rennen. Wir sind durch die erste offene Tür reingegangen. Drinnen gab es Rolltreppen, die nach unten führten. Wir sind alle sofort nach unten gegangen, auch wenn wir nicht wussten, wohin dieser Weg führt. Wir wussten nicht, wo der Raum ist, im dem die Versammlung der Parlamentäre stattfindet. Wir fragten eine Frau aus Luxemburg, die uns unterstütze, nach dem Weg. Sie sagte, die Versammlung finde oben statt. Wir sind dann alle nach oben gegangen. Die Türen zum Versammlungsraum waren verschlossen. Wir haben Anti-Frontex-Slogans an die Scheiben geschrieben. Nachdem wir eine Weile vor der verschlossenen Tür unsere Slogans gerufen haben, gingen wir nochmal rein. Dieses Mal hatte die Polizei die Treppen verbarrikadiert, sodass wir nicht nach unten kamen. Wir setzten uns gemeinsam hin. Nachdem wir eine Weile sitzend unsere Slogans riefen, fing die Polizei an, uns nach draußen zu schieben. Wir klammerten uns aneinander fest. Weil die Polizei uns so nicht raus bekam, kam ein Polizist mit einem Hund. Der Polizist zeigte mit dem Finger auf die Leute, die der Hund beißen sollte und der Hund ging auf die gezeigte Person los. Dieser Kampf ging eine ganze Weile weiter. Die Polizei setzte Tränengas gegen uns ein, schlug uns und der Hund ging auf uns los. Wir verteidigten uns natürlich. Während des Gerangels fiel ein Polizist vor unsere Füße. Er bekam plötzlich große Augen, er dachte wahrscheinlich, dass er jetzt gelyncht wird. Wir fielen aufeinander. Unsere Schuhe und Fotoapparate fielen runter. Die Polizei konnte sich nicht rächen. Sie schleiften uns die Treppe runter und schmissen uns raus. Unsere Augen und Lungen brannten von dem Tränengas. Unsere Sanitäterfreunde reichten uns Wasser und gaben uns Augentropfen.
Wir warteten weiter im Garten des Gebäudes. Nach dem Kampf mit der Polizei brachten Freunde ein Mikrofon und wir fingen an zu erzählen was passiert war. Alle Polizisten sind Knechte des kapitalistischen Staates. Wir wurden von den Knechten des Systems angegriffen, weil wir gegen Ausbeutung der Bedürftigen durch dieses System protestiert haben.
Nach der Rede am Mikrofon wollten wir unseren Weg fortsetzen. Wir sind gerade ein paar Schritte gelaufen, als wir vor einer Polizeibarrikade standen. Ohne etwas zu sagen, stürzten sie sich erneut auf uns. Sie zeigten nacheinander auf einzelne Personen, drückten sie auf den Boden und legten ihnen Handschellen an. Zuerst wurden 11 Leute festgenommen. Danach wurden nochmal 4 Freunde, die mit dem Auto kamen, festgenommen. Insgesamt wurden 15 Personen verhaftet. Wir verständigten die Anwälte, damit unsere verhafteten Freunde freigelassen werden.
Wir liefen dann Richtung Stadtzentrum. Wir gaben Interessierten Informationen und riefen unsere Slogans. Wir machten zuerst eine Versammlung auf einem vollen Platz und entschieden uns dann dazu, zur Polizeistation zu laufen, in der unsere Freunde festgehalten wurden. Wir blockierten die Straße vor der Polizeistation. Die Nahrungsmittel, die uns von Unterstützern aus Luxemburg gebracht wurden, wurden von der Polizei durchsucht. Nach dem Essen setzten wir unseren Protest fort, indem wir die leeren Teller aneinander schlugen. Manche von uns stellten den Übergriff durch die Polizei als Theaterstück dar. Einmal kam ein großer Mann mit Bauch und einem Halstuch zu uns. Er ist Anwalt einer NGO und wollte uns helfen. Er meinte, wir würden die Straße unnötigerweise besetzen. Wir sagten ihm „Danke, wir haben unsere eigenen Anwälte“. Er wollte wissen, wer diese Anwälte sind und meinte, er kann uns nicht verstehen. Ein Anwalt einer NGO kann uns nicht verstehen, denn er sieht alles mit den Augen der NGO und des Staates. Nachdem ihn niemand von uns beachtete und er eine Weile neben den Polizisten telefonierte, entschied er sich zu gehen. Wir haben den Polizeiangriff gefilmt und fotografiert. Um der Welt das wahre Gesicht der Luxemburger Polizei zu zeigen und die Informationen zu verbreiten, gingen wir in ein Café. Als wir die Artikel und Bilder bearbeiteten, erfuhren wir, dass unsere Freunde freigelassen worden sind.
Besetzung des RTL Television Gebäudes und Besuch eines Abschiebegefängnisses
Gestern dauerte unsere Versammlung bis zum Abend. Weil die Versammlung so lange dauerte, konnten wir keine Entscheidung treffen und haben viel Zeit verloren. Nach der Versammlung entschieden wir uns, unsere Initiative durchzusetzen und einen Protest zu machen, da ein Protest die Lösung für alle starren Situationen ist. Bei der Versammlung wurde diskutiert, an welchem Tag wir die belgische Grenze überqueren, weil der belgische Staat am 6 Juni eine Grenzkontrolle macht. Wir haben diskutiert, ob wir an diesem Tag oder einen Tag später die Grenze passieren wollen. Zwei Tage lang haben wir überlegt, ob wir in Luxemburg einen Protest machen. Da wir einen Tag mit Diskussionen verbracht haben, ist nur ein Tag übrig geblieben. An dem Abend nach der langen Diskussion ist ein Teil von uns für eine Protestaktion auf die Straße gegangen. Wir haben erfahren, dass sich in der Nähe unseres Schlafplatzes das RTL Gebäude befindet und sind dorthin marschiert. Wir warteten vor der Tür, die verschlossen war. Nach einer Weile verließ eine Frau das Gebäude und die Türen öffneten sich automatisch, sodass wir durch die offene Tür hineingegangen sind. Hier ist das Zentrum für Radio und Fernsehen in Luxemburg. In dem Gebäude haben wir unsere Slogans gerufen, Reden gehalten und Lieder gesungen. Ein Verantwortlicher hat sich unsere Forderungen angehört und uns versprochen, einen Journalisten zu unserer nächsten Aktion zu schicken, um darüber zu berichten. Wir haben ihm unseren Flyer gegeben, damit er darüber in den Medien berichten kann. Nach unserer Besetzung des RTL Gebäude war unser nächstes Ziel, zum Abschiebegefängnis zu gehen.
Wir sind in einen Bus gestiegen, haben keine Tickets gekauft und haben unsere Slogans gerufen. Direkt neben dem Abschiebegefängnis gibt es einen Flughafen. Die Flüchtlinge, die abgeschoben werden sollen, bleiben in diesem Gefängnis. Das Gefängnis ist mit Stacheldraht umzäunt. Auf dem Weg zum Gefängnis hat es stark geregnet. Wir sind zwar nass geworden, aber wir haben es geschafft, mit den inhaftierten Kontakt aufzunehmen. Für rechtlichen Beistand für die Inhaftierten haben wir eine Telefonnummer auf ein großes Stück Stoff geschrieben und die Nummer auch laut gerufen. Im Gefängnis gab es zwei Polizisten. Einer der Polizisten hatte die große Statur eines Elefanten. Die liefen wie Rambo. Wir haben weiter protestiert, indem wir gegen die Gitterstäbe geschlagen haben. Die europäische Diskussions- und Plenumskultur bringt uns in Schwierigkeiten. Es ist schwierig, nach langen Versammlungen eine Entscheidung zu treffen. Die Leute ermüden nicht durch Proteste, sondern durch Versammlungen. Die Europäer halten Versammlungen und Diskussionen für Protestaktionen. Wenn es nach ihnen ginge, würde sie ihr Leben lang Versammlungen machen. Vor lauter Versammlungen haben sie natürlich keine Zeit für Proteste und Revolutionen. Wir, als Nichteuropäer empfinden Versammlungen als ermüdend und unnötig. Wenn man alles ganz genau nach Vorschrift machen würde, müsste man sich, um einen Bahnhof zu besetzen zuerst ein Ticket kaufen. Unserer Meinung nach muss man den Europäern erzählen, dass man, um eine revolutionäre Dynamik zu schaffen oder etwas Freiheit zu gewinnen, etwas von seinem Leben opfern muss. Die Europäer wollen nicht, dass ihr Wohlbefinden gestört wird. Sie denken, sie wissen alles besser, aber wenn es darum geht, etwas von ihrem Leben zu opfern, ziehen sie es vor, dieses Wissen zu vergessen. Dieser festgefahrene Charakter Europas wird von uns Außenstehenden wahrscheinlich zerstört. Gleichzeitig wird die kapitalistisch-emperialistischen Krise eine Basis für diese Veränderungen schaffen.
In Ländern wie Griechenland und Spanien sieht man bereits Zeichen dafür.
Es lebe unser Kampf für die Humanität und Gemeinsamkeit
05.06.2014
Turgay Ulu
Luxemburg