Dt/Eng/Fr.) Unterstützung Protest und Fax-kampagnen für Sofortige Entlassung von Attikpasso Latevi Lawsson
https://thevoiceforum.org/node/386
-PM: Hungerstreik im Abschiebehaft! UNHCR spricht sich im Falle des traumatisierten Togolesen Attikpasso Latevi Lawsson
https://thevoiceforum.org/node/391
eng/dt. Support the Petition letter to stop the deportations to Togo
https://thevoiceforum.org/node/369
http://thecaravan.org/files/caravan/Petitionsantrag_kurz.pdf
Internationale Kampagne gegen die Diktatur in Togo http://thecaravan.org/node/449
Press Freies Wort vom heutigen Tage: Attikpasso Latevi Lawson
-Freies Wort vom 23.06.2006
Attikpasso Lawson aus Togo leidet unter Nachwirkungen der Folter – und soll trotzdem abgeschoben werden
Letzte Mittel gegen eine Rückkehr in die Angst
VON REDAKTIONSMITGLIED JENS VOIGT
Ein Plattenbau im Erfurter Norden, sechster Stock. Eine Wohnung wie tausend andere. Doch drinnen trieft Blut. Rot, rot und nochmals rot leuchten die Leinwände, gesichtslose Münder formen stumme Schreie, Menschen ducken sich vor Soldaten. Bilder, die ein Tunnel sind vom jubilierenden Fußballdeutschland ins ferne Togo.
Attikpasso Latevi Lawson hat sie gemalt. Er könnte, sagt Sandra Jesse vom Thüringer Flüchtlingsrat, zu jedem eine Geschichte erzählen. Von Folter, Faustschlägen und Elektroschocks. Von willkürlichen Verhaftungen und bewaffneten Trupps, die nächtens Türen eintreten, Wohnungen verwüsten und Menschen mitnehmen, von denen man nie wieder etwas erfährt. Oder als Leiche am Strand findet, abgeworfen aus den schwarzen Helikoptern der Präsidentengarde. Togo, vergessenes Land. Ein Name, der zu schwarzen Ballartisten gehört, die eine WM so schön bunt machen. Man drückt dem Außenseiter die Daumen, bewundert die Eleganz. Mit dem Ausscheiden verlischt der Name.
Togo, Zwergstaat im Westen Afrikas. Geschlagene 38 Jahre unter der Fuchtel des Despoten Gnassingbe Eyadema, der die Opposition brutal unterdrückt und das einst wohlhabende Land verkommen lässt. Nach seinem Tod im Februar 2005 veranstaltet das Regime eine Wahlfarce, Eyademas Sohn Faure erbt den Präsidentenstuhl, die willfährige Armee, die knüppelbewehrten Milizen und einen Spitzelapparat, der gegen kleine Münze jeden ans Messer liefert, der nicht das Knie beugt. Es gibt Berichte über all das, von Amnesty International und auch von deutschen Hilfsorganisationen, doch die Lageeinschätzungen des Auswärtigen Amtes lesen sich merkwürdig gedämpft: Zu Folter, Vertreibung und Mord fehlen „eigene Erkenntnisse“, für unmittelbare Lebensgefahr von Oppositionellen oder rückkehrenden Flüchtlingen hat man keinen Beleg. Diplomatische Zurückhaltung, um wenigstens noch im Land zu bleiben, wie es bei deutschen Hilfsorganisationen heißt. Oder um Frankreichs Präsident Jaques Chirac nicht zu düpieren, der den Diktator Eyadema öffentlich „Freund“ nennt.
All dies bliebe ein Stück für ferne Bühnen in Berlin, Paris oder Brüssel, gäbe es die Flüchtlinge nicht. Menschen, die erst in die Nachbarländer Togos fliehen, Gabun und Benin. Dort aber nicht sicher sind, weil Eyademas Häscher ungerührt auch Grenzen überschreiten. Also fliehen sie weiter, nach Norden, Europa, Deutschland. Um schließlich als Asylbewerber auch in Thüringen zu landen. Wie Attikpasso Latevi Lawson, der Maler. Der seine Bilder gerade nicht erklären kann. Weil er in Suhl-Goldlauter die Zelle mit einem weiteren Afrikaner teilt – in „Vorbereitungshaft“ zur Abschiebung nach Togo.
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Krankheit wird nicht akzeptiert
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Lawson kam im September 1998 nach Deutschland, als politischer Flüchtling und Folteropfer. Es begann das übliche Procedere: Asylantrag, Ablehnung, Gegenklage, Zweitverfahren, wieder Ablehnung. Im Juli 2002 führt jedoch ein Eilantrag zum Abschiebestopp. Der Grund liegt in einem Gutachten der TU Dresden, das eine „schwere posttraumatische Belastungsstörung“ attestiert, dringend zur Therapie rät und warnt, die Krankheit könne chronisch werden. Weitere Gutachten, darunter auch eines im Auftrag des Gerichts, bestätigen Lawsons akute Gefährdung, die sich längst auch in Schwerhörigkeit und Sehbehinderung manifestiert. Für Thüringer Behörden indes scheint der alte Marx-Satz zu gelten: „An allem ist zu zweifeln.“ Das Erfurter Sozialamt verweigert Hörgerät und Psychotherapie, das Verwaltungsgericht Gera hält eine Gefährdung Lawsons durch Rückführung für nicht erwiesen. Der könne sich ja auch in Togo behandeln lassen, meint der Richter. Wie ein arbeitsunfähiger Maler ohne Familie das Geld dafür aufbringen soll, steht nicht zur Debatte.
Ein halbes Jahr vergeht in Starre. Die Berufung gegen das Geraer Urteil läuft, nichts passiert. Irgendwann früher hat Lawson für „Passersatzdokumente“ unterschrieben, er wusste wohl nicht, was das bedeutet. Mit der Unterschrift kann Togos Botschaft nun einen Pass für die Ausreise fertigen, die Ausländerbehörde könnte ihn damit abschieben, trotz Berufung. Der Togoer, ohnehin schon von Depressionsschüben und Angstzuständen geplagt, gerät in Verzweiflung, schreibt einen Brief an das Geraer Gericht. Er droht, sich etwas anzutun und dabei andere mitzureißen. Ein Selbstmord-Attentat, womöglich.
Nur Stunden nach Eintreffen des Briefs wird Lawson verhaftet, ein paar Tage später in den Maßregelvollzug des psychiatrischen Fachkrankenhauses Stadtroda eingewiesen. Die Ärtzte dort befinden zwar seine Ungefährlichkeit, doch nach acht Wochen wird Lawson nur entlassen, um ihn gleich am Ausgang der Klinik erneut festzunehmen – für sechs Wochen „Vorbereitungshaft“ in Goldlauter. Dort beginnt er kurz darauf einen Hungerstreik, den er am Mittwoch nach elf Tagen beendet. In Gesprächen dort wirkt er oft geistesabwesend, zutiefst verzweifelt, berichtet Adelino Masuwisa, der für die Suhler Evangelische Kirchengemeinde als Vollzugsbetreuer arbeitet: „Er kann einfach nicht verstehen, wieso er hinter Gitter muss. Er habe nie jemand etwas tun wollen, nur protestieren mit dem Hungerstreik.“ Doch genau jener, so fürchtet Lawsons Anwältin Dorothea Manegold aus Arnstadt, könne nun zur beschleunigten Abschiebung führen: „Das war sicher nicht hilfreich.“
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Besuche als
Sicherheitsrisiko
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Möglicherweise könnte öffentlicher Protest, wie gestern auf dem Erfurter Anger, noch etwas bewirken, hofft Manegold. Denn hinter den Kulissen wird verhandelt, zwischen Evangelischer Landeskirche und Innenministerium. Bislang glaubten die Behörden wohl an eine eher geräuschlose Abwicklung. Die Härtefallkommission des Landes mochte sich
nicht einmal mit dem Fall befassen. Und das Justizministerium verlegt sich aufs Mauern: Obwohl Lawson Besuchsrecht hat, wurden Besuchsanträge unserer Redaktion rundweg abgelehnt – mit Verweis auf „Ordnung und Sicherheit“ im Gefängnis. Man wolle „keinen Präzedenzfall“ schaffen, wie ein Hungerstreik zu medialem Echo verhelfe, erklärt dazu des Ministers Sprecherin – als ob sich damit die Nachricht zurückhalten lasse.
Abgesehen davon: Auch im Thüringer Vollzugsrecht steht nichts von Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit, solange kein Haftrichter dafür zwingende Gründe nennt.
Flüchtlingsrat, das Voice Refugee Forum Jena, Abgeordnete von Linkspartei und Grünen kämpfen gegen die drohende Abschiebung. „Wer kein Herz aus Stein hat, muss doch erkennen, was zu tun ist“, meint die grüne Bundesvorsitzende Claudia Roth in einer Botschaft, „die Thüringer Landesregierung muss einen Abschiebestopp für togolesische Flüchtlinge verhängen.“ Thüringens Grünen-Chefin Astrid Rothe-Beinlich, die Roths Schreiben verteilt, verweist auf Mecklenburg-Vorpommern, das wegen der Lage in Togo zunächst für ein halbes Jahr keine Flüchtlinge ausweist.
„Attikpasso Lawson verdient ein humanitäres Bleiberecht nach dem neuen Zuwanderungsrecht. Der Rechtsstaat zerstört doch das Vertrauen in sich selbst, wenn selbst unbestrittene ärztliche Gutachten nichts mehr gelten.“ Selbst aus Genf bekommt Lawson inzwischen Beistand: Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) plädiert ausdrücklich für ein Moratorium über die Zwangs-Rückkehr togoischer Flüchtlinge. Lawsons oppositionelle und exilpolitische Aktivitäten sowie seine gesundheitliche Situation müssten zumindest „erneut sorgfältig überprüft“ werden, fordert UNHCR-Rechtsberater Constantin Hruschka in einem Schreiben an Erfurts Ausländerbehörde.
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Rechtlich ist alles
ausgeschöpft
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Im Chaos, das nach der Polizeidurchsuchung in Lawsons Zimmer zurückblieb, ragt zwischen Geschirr, Kleidung und Bildern sein Fernseher heraus. Vor dem hätten sie gern gesessen und Fußball geschaut, sagt der nigerianische Mitbewohner B., die Spiele der Afrikaner natürlich. Doch statt fröhlicher TV-Party hat Attikpasso Lawson nur seine Zelle und die Teeküche im Knast, ohne Fernseher. Seine Anwältin hat erneut Asylfolgeantrag gestellt, das letzte Mittel, sagt sie, rechtlich sei nun alles ausgeschöpft. Es klingt nicht besonders hoffnungsvoll.
In ein bis zwei Wochen, so hat es die Ausländerbehörde vor Gericht angedeutet, soll Lawson abgeschoben sein, direkt aus der Zelle in eine Heimat, die ihm fremd geworden ist und die ihn samt seiner Bilder nicht mag. Vielleicht werden sie ihn nicht gleich nach der Ankunft verhaften, vielleicht kommen sie erst in der Nacht, eine Woche später, einen Monat, ein Jahr. Vielleicht wird er all die Zeit umsonst schwanken zwischen Nervosität und Lethargie, die zitternden Hände beruhigen wollen, das Misstrauen gegenüber jedem Fremden. Und während er wartet, ob seine Angst Gestalt erfährt, wird Togo hierorts vergessen sein, ein „Weißt du noch?“-Tupfer in der WM-Erinnerung maximal. Irgendwann werden sie sein Zimmer räumen, die Gemälde und Zeichnungen, die Fotos mit Freunden.
Unterm Nachttisch wird ein kleiner Stapel Visitenkarten liegen, auf denen steht, was er sein wollte in diesem weltoffenen und menschenrechtstreuen Land: Nicht Exilpolitiker, Aktivist oder hungerstreikender Häftling. Nur „Attikpasso L. Lawson, Kunstmaler“.
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Ausgabe Freies Wort vom 23.06.2006
Attikpasso Lawson aus Togo leidet unter Nachwirkungen der Folter – und soll trotzdem
abgeschoben werden
Letzte Mittel gegen eine Rückkehr in die Angst
VON REDAKTIONSMITGLIED JENS VOIGT
Ein Plattenbau im Erfurter Norden, sechster Stock. Eine Wohnung wie tausend andere.
Doch drinnen trieft Blut..........
Den vollständigen Artikel finden Sie unter
http://www.freies-wort.de/nachrichten/regional/resyart.phtm?id=981617