Original in Türkisch (türkce):BERLİN'DEKİ YABANCILAR ŞUBESİNİN ÖNÜNDE EYLEM
Wir sind auf der Straße und führen unsere Aktionen weiter durch. Heute waren wir vor der Ausländerbehörde. Um 9.00 Uhr haben wir uns vor den Zelten versammelt. Ein Freund hat uns seinen Kleinbus ausgeliehen. Die Behörde ist von unserem Campingplatz weit entfernt. Auch heute hat es geregnet.
Erst haben wir im Küchenzelt gefrühstückt. Morgens essen wir meistens Süßes wie Marmelade oder Schokolade. Manche Bäcker bringen ihre Ware vom Vortag vorbei. Diese essen wir dann auch zum Frühstück. Wir kochen meistens Kaffee oder Tee. Beuteltee.
Gestern Abend haben wir am Lagerfeuer gesessen und uns lange unterhalten und über Philosophie diskutiert. Am Lagerfeuer zu sitzen ist zwar entspannend, aber danach stinken unsere Klamotten nach Ruß. Wir sind zwar daran gewöhnt, andere aber fragen uns immer, was dieser Geruch ist.
Wir haben uns mit dem Kleinbus des Freundes auf den Weg gemacht. Wir haben einen großen Lautsprecher, die Transparente und Flugblätter eingepackt. Weil es geregnet hat, haben wir unsere Regenmäntel und heißen Tee und Kaffee mitgenommen. Wir sind bis zu dem Amtsgebäude gefahren. Danach sind wir ausgestiegen und haben unsere Transparente ausgerollt und sind bis zu dem Gebäude marschiert.
Vor der Ausländerbehörde haben wir einen Stand aufgestellt. Hier haben wir dann die Flugblätter und Zeitungen ausgelegt, die die Gründe unseres Widerstands erklären. Einen Teil unserer Transparente haben wir an die Gitter gebunden. Die anderen haben wir auf dem Boden ausgebreitet. Wir hatten auch unsere kleine Partisanendruckerei mit uns gebracht. Ein Druckgerät, das aus einem mit Stoff bespannten Rahmen besteht. So haben wir das Logo unseres Widerstands, die gehobene Hand, und Parolen gedruckt und verteilt. Wir haben die jüngsten Flugblätter mit unseren Forderungen und Ansichten verteilt. Eine Freundin hat sie über den Lautsprecher auf Englisch vorgelesen.
Einerseits haben wir so demonstriert und andererseits haben wir mit Leuten gesprochen, die sich über die Lage des Widerstands informieren wollten. Wir haben sie informiert, wie wir die Schwierigkeiten in bestimmten Phasen der Bewegung überwunden haben.
Mit den FreundInnen im Hungerstreik sind wir im ständigen Kontakt, entweder telefonisch oder indem wir sie besuchen gehen. Ein weiterer Freund wurde heute ins Krankenhaus gebracht. Er wurde noch nicht entlassen. Die Polizei hat wieder einmal den Regenschutz der Streikenden beschlagnahmt und gefordert, dass das Camp geräumt wird.
Morgen wird der türkische Ministerpräsident hierhin kommen und alle bereiten sich vor. Der deutsche Staat bereitet sich auf den Empfang vor. Die Straßen werden gesperrt und Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Auch wir wollen ihn empfangen. Nur besteht unser Empfang aus Protest. Der Ministerpräsident wird zunächst die türkische Botschaft eröffnen und am nächsten Tag, also morgen, Angela Merkel treffen. Alle Kriegsgegner werden morgen protestieren. Wir haben dieses Thema bereits in unseren Plena im Protestcamp diskutiert und entschieden, mitzumachen. Es werden Leute aus ganz Deutschland kommen und wir erwarten einen großen Protestzug.
Das kapitalistische imperialistische System zwingt Menschen überall in Isolation zu leben. Weltweit entstehen Kämpfe und Widerstände gegen dieses Isolationssystem. In diesem Moment befinden sich in der Türkei tausende von Menschen gegen die Isolation im Hungerstreik und der Ministerpräsident der Türkei hat eine provokative Erklärung gemacht. Er sagte „Sie essen alle heimlich, niemand hungert.“ Als wir für die Schließung des Typ-F-Gefängnisses in Eskişehir in einen Hungerstreik getreten waren, hatte der damalige Justizminister Şevket Kazan dasselbe gesagt. Er meinte „Die Streikenden essen heimlich“. Unmittelbar nach dieser Aussage waren zwölf FreundInnen gestorben. Die Worte des Ministerpräsidenten widerspiegeln die selbe Mentalität. Sie denken, dass nur weil sie es nie tun würden, andere sich genauso verhalten. Sie wissen aber nicht, dass diejenigen, die nichts zu verlieren haben, bereit sind, alles zu tun – vor allem für ihre Freiheit. Dies ist, was sie nicht verstehen und was sie immer wieder verwundert.
Heute wollte eine Zeitung aus der Türkei mich interviewen. Es haben bereits mehrere Medien über unseren Widerstand berichtet. Manche blieben dabei objektiv, aber einige wollen uns nur anschwärzen. Es gibt aber nichts anzuschwärzen in unserer Bewegung. Diejenigen, die nichts zu verlieren haben, benötigen keine Spielereien und Tricks. Die Historiker haben über uns gesagt, dass „Barabren keine Tricks kennen.“ Wir verstehen es zu zerstören, Spielchen sind nichts für uns. Wir zerstören nur das Schlechte. Wir zerstören die Strukturen und das Vermögen, das auf unsere Kosten aufgehäuft wurde. Öfter bleiben wir unter den Ruinen des fallenden Systems stecken und sterben. Aber trotzdem kennen wir keine List. Das haben sie uns nicht beibringen können. Wir stürzen uns mit unseren Schwertern auf Grausamkeiten und werden dabei meistens selber vernichtet – aber wir stehen für die Wahrheit.
Ein weiterer Aktionstag geht zu Ende. Wir sind alle etwas müde. Nach den Aktionen halten wir Plena und ich schreibe jeden Tag. Es gibt kaum freie Zeit.
Wir sind seit langer Zeit nicht in die Heime gegangen, in denen wir eingeschrieben sind. Wir haben keine Ahnung, wie es zurzeit juristisch mit uns aussieht. Wir nehmen auch die Gutscheine nicht an, die uns gegeben werden. Die Gutscheine, die wir bekommen, verlieren in anderen Bundesländern ohnehin ihre Gültigkeit.
Heute hat uns die Polizei gesagt, im Protestcamp dürften wir kein Feuer machen. Ohne Feuer wird es hier sehr kalt. Mal sehen, wie wir dieses Problem lösen werden. Im Übernachtungszelt gibt es einen kleinen Holzkohleofen. Dieser hilft sehr gegen die Kälte.
30.10.2012
Turgay Ulu
Berlin