Pressemitteilung:
Betr.: Feuertod Ouri Jallow am 7.1.2007 in einer Zelle des Polizeireviers Dessau:
Staatsanwaltschaft Dessau – Roßlau sieht weiteren Aufklärungsbedarf
Zur Erinnerung:
Das Strafverfahren gegen den Dienstgruppenleiter Andreas S., der vom Landgericht Magdeburg wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, befindet sich zur Überprüfung in der Revisionsinstanz beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Andreas S. wurde nie vorgeworfen, das Feuer in der Zelle gelegt zu haben. Von Anfang an beschränkte sich der Verdacht gegen ihn auf Versäumnisse, die zum Tode Ouri Jallows beigetragen haben könnten.
Die weitere Entwicklung:
Im Zuge der Magdeburger Hauptverhandlung führte die Erörterung zahlreicher Details zu neuen Fragen zum Ausbruch des Feuers. Diesen wurde im Verfahren gegen Andreas S. nicht näher nachgegangen, weil sie nicht im Zusammenhang mit dem ihm zur Last gelegten Verhalten stehen. Der staatsanwaltschaftliche Sitzungsvertreter hatte sich gleichwohl dafür entschieden, diese Fragen einer Prüfung in einem gesonderten Verfahren zu unterziehen. Bevor dies geschehen war und Antworten vorliegen konnten, ergab sich aufgrund des von der Initiative in Gedenken an Ouri Jallow in Auftrag gegebenen Gutachtens des Brandsachverständigen Smirnou weiteren Klärungsbedarf. Die Staatsanwaltschaft Dessau – Roßlau prüft nunmehr in einem gesonderten Todesermittlungsverfahren zum Nachteil Ouri Jallow, ob es weitere Ermittlungsansätze zum Grund für den Ausbruch des Feuers in der Polizeizelle und damit für den Tod Ouri Jallows gibt. In diesem Todesermittlungsverfahren ist sowohl Fragen nachzugehen, die sich aus dem Verlauf der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Magdeburg ergeben haben als auch solchen Erkenntnissen des Sachverständigen Smirnou, die den Ergebnissen derjenigen Gutachter widersprechen, welche im Verfahren gegen Andreas S. eingeschaltet wurden.
Zwischenstand:
Mittlerweile liegt ein Gutachten vor, welches einzuholen sich der staatsanwaltschaftliche Sitzungsvertreter der Magdeburger Hauptverhandlung vorgenommen hatte. Der Brandschutt wurde nochmals intensiv auf etwaige Rückstände eines Brandbeschleunigers hin untersucht. Der nunmehr eingeschaltete Chemie – Sachverständige stellte dazu zweierlei fest:
(1) Im Fall des Einsatzes brandbeschleunigender Mittel wäre er auch nach über 9 Jahren noch in der Lage, Rückstände davon nachzuweisen.
(2) Er habe keine Rückstände von Brandbeschleuniger festzustellen vermocht.
Letzteres Ergebnis steht in Übereinstimmung mit früheren Erkenntnissen des Landeskriminalamts Sachsen-Anhalt. Des weiteren führte der Chemie – Sachverständige jedoch noch aus, er habe im Brandschutt Spuren von Zyanid gefunden. Er schließt daraus, daß der Matzratzenschaum nur unvollständig verbrannt sei. Da auch die Obduktion des Leichnams von Ouri Jallow Hinweise auf Zyanid erbracht hatte, bedarf es der Prüfung, welchen Einfluß das Zyanid ausgeübt haben kann und ob sich daraus Zweifel an der bisher angenommenen Todesursache ergeben.
Die Staatsanwaltschaft hat die Erkenntnisse aller Gutachter (unter Einschluß des Brandsachverständigen Smirnou) ausgewertet und gegenübergestellt. Es ließ sich zwar partiell eine Vergleichbarkeit feststellen, ohne daß allerdings damit alle Fragen beantwortet wären. Deren Klärung muß daher weiter vorangetrieben werden.
Perspektive:
Soweit dies ohne eigene naturwissenschaftliche Kenntnisse möglich ist, hat die Staatsanwaltschaft die sich aus Sicht der Ermittlungsbehörde offenen Fragen formuliert. Sie hat der Rechtsvertretung der Nebenklage, welche Angehörige Ouri Jallows vertritt, diese Fragen mitgeteilt und ihr die Akten des Todesermittlungsverfahrens einschließlich des neuen Gutachtens mit den Ergebnissen der Untersuchung des Brandschutts sowie die Gegenüberstellung der Gutachtenergebnisse zur Verfügung gestellt. Die Staatsanwaltschaft Dessau – Roßlau gibt damit der Nebenklage die Gelegenheit, ergänzende Fragen aus ihrer Sicht zu formulieren und Vorschläge für weitere Ermittlungsschritte zu unterbreiten. Diese sollen dann – soweit möglich – im Einvernehmen mit der Nebenklage in die Wege geleitet werden.
gez.
Bittmann
Leitender Oberstaatsanwalt