Die Staatsanwaltschaft Berlin hat dafür plädiert alle weiteren Verfahren mit Bezug zum Protest gegen die und korrupte Kollaboration zur illegalen Abschiebung von afrikanischen Menschen in der Nigerianischen Botschaft am 15. Oktober 2012 ohne Auflagen einzustellen – die Gerichtskosten werden durch die Staatskasse getragen.
Nach dem Verfahren gegen Rex Osa (Aktivist von The VOICE Refugee Forum aus Baden-Württemberg) am 26. März 2014 hat sich der zuständige Staatsanwalt Markus Winkler offensichtlich eines besseren belehrt gefühlt. Der Angeklagte selbst legte erneut dar, dass der Zutritt zur Botschaft und der Protest im Gebäude vollständig gewaltfrei abliefen.
Der Rechtsanwalt des Angeklagten Christos Psaltiras verwies zunächst auf nzulänglichkeiten eines angeblichen Bestätigungsschreibens des Botschafters ohne Briefkopf oder Stempel zur Rechtmäßigkeit des Handelns seines stellvertretenden Botschafters am 15. Oktober 2012. Im Weiteren ließ er einen Polizeibeamten wiederholen, wie er denn den angeblich befugten Botschaftsbeamten identifiziert und über den notwendigen Strafantrag wegen Hausfriedensbruch aufgeklärt haben will. Seine englisch radebrechende Ausdrucksweise gab dieser vor Gericht daraufhin wie folgt wieder: „If you want the German Police to bring these people out, you have to sign this paper!“. Hieraufhin stellte der Anwalt dann eine ordnungsgemäße Belehrung über den mutmaßlichen Strafantrag und damit ganz prinzipiell das Agieren deutscher Polizisten gegen Nigerianer auf Nigerianischem Hoheitsgebiet in Frage, woraufhin das Verfahren ohne Auflagen eingestellt werden musste.
Zu Beginn der Serienanklage reagierte Staatsanwalt Winkler auf die politischen Erklärungen der jeweils Angeklagten noch ausschließlich abwertend und wollte darauf bestehen, dass deren Inhalt und die bisherige geschichtliche Entwicklung der Proteste juristisch „belanglos“
seien. Auch sprach er sich vehement gegen eine Vorladung des Botschafters bzw. dessen Stellvertreters vor das jeweilige Gericht mit der gleichen juristischen Wertung aus. Die Rechtmäßigkeit des Agierens der deutschen Polizei gegen Nigerianer in ihrer eigenen Botschaft stellte er mit keiner Silbe in Frage – ebenso wenig die polizeilich-eskalativen Handlungsweisen mit Schlägen und Reizgaseinsatz, kriminaltechnische Registrierungen und offensichtlich manipulierten Strafanträgen durch selbst gewalttätige Polizeibeamte. Bemühungen zur Zusammenlegung aller Gerichtsverfahren von innerhalb der Botschaft
verhafteten Aktivisten mit jeweils identischem Tatvorwurf des „Hausfriedensbruches“ wurden strikt zurückgewiesen.
Wiederholte öffentliche Pressemitteilungen zu den politischen Hintergründen des Protestes und Offenlegung der juristischen Repression mit Einladung zur solidarischen Prozessbegleitung sowie detaillierten
Prozess- und Videoberichten zeigten dann erste Wirkung bei Herrn Winkler. So sah er sich am 18. September 2013 zum zweiten Verfahrenstag gegen iranischen Aktivisten Hatef Soltani genötigt, eine eigene Erklärung zur Sache abzugeben. Er fühlte sich offensichtlich angegriffen und behauptete, er würde von Seiten der Aktivisten als ein Teil des „Schweinesystems“ der juristischen Verfolgung wahrgenommen werden. Es hatte bis dahin zwar zu keiner Zeit eine solche Titulierung stattgefunden – der sarkastischen Übertreibung des Staatsanwaltes darf jedoch eine sinngemäße Annäherung im Verständnis unterstellt werden.
Darüber hinaus räumte er indirekt ein, dass es durchaus rechtliche Bedenken bezüglich der kritisierten Abschiebepraktiken zwischen deutschem Staat und nigerianischer Botschaft geben könne – aber nur um dann zu wiederholen, dass dieser Umstand jedoch nicht den Protest in der Botschaft rechtfertigen dürfe.
Während einige der Protestierenden einem angedrohten Gerichtsverfahren durch Zahlung unterschiedlich hoher Geldstrafen aus dem Weg gingen, blieben andere begonnene Verfahren wegen der Vorladung des stellvertretenden Botschafters Nigerias für längere Zeit ausgesetzt.
Verschiedene RichterInnen machten die Fortsetzung der jeweiligen Verfahren von sachdienlichen Aussagen dieses nigerianischen Beamten zur rechtskräftigen Stellung des notwendigen Strafantrages sowie zum Verhalten der Protestierenden im Botschaftsgebäude abhängig. Nach dem eingangs erwähnten Verfahren gegen Rex Osa sah sich Staatsanwalt Winkler nach seinen politischen Eingeständnissen nun auch juristisch in einer Sackgasse angekommen. Sein Angebot alle weiteren Verfahren gegen Protestierende aus der Botschaft Nigerias ohne Auflagen einzustellen ist somit als konsequente juristische Exit-Strategie zu interpretieren.
Neben den Protestierenden aus der Botschaft selbst, fanden jedoch auch noch eine ganze Reihe weiterer Strafverfahren gegen unterstützende Protestierende vor der Botschaft statt, welche massiver Polizeigewalt mit konstruierten Tatvorwürfen ausgesetzt wurden. Hiervon wurden 2 Aktivisten bereits in erster Instanz zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt. Beispielhaft sei hier das Verfahren gegen Mbolo Yufanyi genannt. Ihm wurden Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Gefangenenbefreiung vorgeworfen. Im Verfahren konnte mittels Videoaufnahmen nachgewiesen werden, dass der Polizeibeamte Lamprecht erst auf eine Frau zuging und diese mit der Faust vor Brust und danach Mbolo an den Kopf schlägt. Mbolo hatte diesen Beamten daraufhin am Kragen festgehalten und seine Dienstnummer bzw. seinen Namen gefordert.
Trotz dieses eindeutigen Videobeweises und mehrfacher nachweislicher Falschaussagen des Beamten, wurde Mbolo unter klarer Rechtsbeugung zu einer Geldstrafe verurteilt, wogegen er natürlich umgehend Widerspruch eingelegt hat.
Interessant ist nun, dass Staatsanwalt Winkler nunmehr damit begonnen hat, auch in solchen Verfahren mit konstruierten Vorwürfen wegen Widerstandshandlungen die Exit-Strategie der Einstellung der Verfahren ohne Auflagen anzubieten. So wurde zuletzt auch Thomas Ndindah eine glatte Einstellung seines Verfahrens wegen Widerstandshandlungen und zweifachen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz (Anmeldung) angeboten.
Woher kommt dieser offensichtliche Sinneswandel, nachdem dieselbe Staatsanwaltschaft doch extra noch zusätzliche Anklagepunkte zum Versammlungsrecht dazu erfunden hatte? Liegt es am Problem des juristisch nicht mehr haltbaren „Strafantrages wegen Hausfriedensbruches“? Liegt es am dadurch folgerichtig ebenfalls fragwürdigen Vorgehen der Polizei insgesamt? Hat man Angst davor, falschaussagende Polizeibeamte ggf. wiederholt in Erklärungsnot zu bringen?
Fakt ist jedenfalls, dass Richterin Marieluis Brinkmann und Staatsanwalt Winkler kein Problem damit hatten, einen Menschen zu verurteilen, der nachweislich grundlos geschlagen wurde und den schlagenden Polizisten im Nachgang lediglich festhielt, bevor er brutal zu Boden gezogen und geschlagen wurde. Es steht zu vermuten, dass es demselben Staatsanwalt
im Zusammenwirken mit einer anderen Richterin sicherlich genauso ignorant gelungen wäre, objektive Beweismittel in ihr subjektives Gegenteil zu verkehren – nur um den konstruierten Widerstand zu sanktionieren und gewalttätige Polizeibeamte zu schützen. Warum also
dieses Zugeständnis, welches gut und gerne auch als „Einknicken“ gelesen werden kann? Die Antwort muss wohl vorerst offen bleiben … vorerst!
Weitere Verfahren sind noch offen. Eine zweitinstanzliche Verhandlung des Verfahrens gegen Mbolo Yufanyi am Landgericht Berlin steht aus. Die Proteste gegen die menschenverachtende Praxis sogenannter Botschaftsanhörungen zum Zwecke illegaler Abschiebungen werden (wie zuletzt am 26. März 2014) fortgeführt und darüber hinaus die illegalen Machenschaften zwischen deutschen Behörden und afrikanischen Botschaften
selbst juristisch angeklagt werden.
Somit steht neben der konsequenten Fortsetzung unserer Proteste gegen illegale Abschiebepraktiken auch zusätzlich noch der Perspektivwechsel vom Angeklagt werden zur eigenen aktiven Anklage ins Haus. Wir werden diese Verbrechen ohne Rechtsgrundlage stoppen – mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln!
Widerstand ist unser Recht! – Gegen jede Form der Kriminalisierung! –
Abschiebung ist Folter und Mord!
Lukrative Abschiebegeschäfte
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Themenfeld : Allgemein, Flucht und Asyl, Migration, Rassismus · Keine Kommentare
Von Katharina Helfrich 1. April 2014
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Botschaft Nigerias scheitert mit Anzeige gegen Voice-Aktivisten Rex Osa
Einem Aktivisten der Geflüchtetenselbstorganisation „The VOICE Refugee Forum“ wurde Ende März vor dem Amtsgericht Tiergarten der Prozess gemacht. Die Staatsanwaltschaft warf dem Stuttgarter Rex Osa vor, im Oktober 2012 mit etwa 14 Aktivist_innen vor und in der nigerianischen Botschaft gegen die Flüchtlingspolitik des deutschen Staates und die Zusammenarbeit deutscher Abschiebebehörden mit nigerianischen Diplomat_innen demonstriert zu haben. Der Vorwurf lautete auf Hausfriedensbruch.
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Begeisterte Unterstützer von Rex Osa, der vor dem Amtsgericht Tiergarten nicht wegen seines Protestes gegen Zwangsvorführungen in der Nigerianischen Botschaft belangt werden konnte. Foto: Helfrich
Der in Frage stehende Protest richtete sich insbesondere gegen Abschiebeanhörungen durch Vertreter_innen des nigerianischen Staates. Die Abschiebeanhörungen sollen dazu dienen, das Herkunftsland von papierlosen Flüchtlingen zu bestimmen. So „identifiziere“ die nigerianische Botschaft regelmäßig Flüchtlinge ohne Papiere – egal welcher afrikanischen Staatsangehörigkeit – als Nigerianer_innen und stelle diesen ein „Emergency Travel Certificate“ aus, was Deutschland eine schnelle Abschiebung der Menschen ermögliche, so die Protestierenden. Sie soll für jede Anhörung 250 Euro vom deutschen Staat erhalten und weitere 250 Euro, wenn dem Flüchtling nigerianische Papiere ausstellt werden und so eine Abschiebung ermöglicht wird. Laut einer Kleinen Anfrage der Linken Bundestagsfraktion jedoch, erhält die nigerianische Botschaft lediglich eine Gebühr von 50 Euro für derartige Anhörungen. Botschaften anderer Staaten allerdings erhalten durchaus Gebühren in der behaupteten Höhe.
Ein Blick auf die in der Antwort der Bundesregierung enthaltene Statistik scheint den Verdacht zu bestätigen, dass die nigerianische Botschaft gezielt Staatsangehörige anderer afrikanischer Staaten wahrheitswidrig als ihre Staatsbürger_innen „identifiziert“. Die nigerianische Botschaft hatte 608 Personen zur Anhörung geladen, 393 sind tatsächlich angehört und 155 Menschen als mutmaßliche Nigerianer_innen „identifiziert“ worden. Zum Vergleich: Ghana steht mit 147 Anhörungen auf dem zweiten Platz: lediglich 13 Personen sind dabei als Ghanaer_innen „identifiziert“ worden.
Vor Gericht schilderte Rex Osa den Ablauf der Kundgebung folgendermaßen: Ein Sicherheitsmitarbeiter der Botschaft habe den Aktivist_innen nach deren Klingeln zunächst den Einlass gewährt. Als die Protestierenden dann den Grund ihres Besuches signalisiert und gefordert hätten, mit den Verantwortlichen über die Zusammenarbeit mit deutschen (Abschiebe-)Behörden zu reden, habe der Sicherheitsmitarbeiter sie sofort des Gebäudes verwiesen. Die Demonstrierenden hätten jedoch darauf beharrt, mit den Zuständigen reden zu dürfen. Daraufhin habe der Security-Mitarbeiter mit seinem Schlagstock zugeschlagen und, laut Osa, entgegnet: „Ihr wisst doch gar nicht, was ihr hier tut, ihr werdet abgeschoben und getötet und keiner wird danach fragen.“
Diese schweren Vorwürfe schienen die Richterin allerdings wenig zu beeindrucken. Im weiteren Verlauf fragte sie, ob die Aktivist_innen denn nicht auch laut gewesen seien. Gerade so, als würde dies die Aggression des Security-Mannes rechtfertigen.
Rex Osa sagte vor Gericht weiter aus, dass während des Protestes nicht mit den Aktivist_innen geredet worden sei. Die Botschaft habe die Polizei verständigt, um die Kundgebung räumen zu lassen. Das Eintreffen der Polizei sei von den Aktivist_innen als aggressiver Akt wahrgenommen worden, denn, so Osa: „Wir sind in unsere eigene Botschaft gekommen, um gegen korrupte Praktiken zu demonstrieren. Es war legitim unsere Forderungen vorzutragen, dass es falsch ist, dass die nigerianische Botschaft Zwangsanhörungen mitorganisiert.“
Ein weiterer Zeuge war der Bereitschaftspolizist Thomas K., der im Oktober 2012 mit mehreren Kolleg_innen in die Botschaft gekommen war. Als er in die Eingangshalle gekommen sei, habe er „ein Brüllen auf Englisch und in der entsprechenden Landessprache“ gehört, sagte er aus. Er habe die Botschaftsmitarbeiter_innen und die Protestierenden nur „gefühlt“ auseinanderhalten können. Der Beamte habe dann einen Strafantrag der Botschaft aufgenommen, um das Gebäude räumen zu können. K. räumte jedoch ein, dass er nicht sicher gewesen sei, ob die Diplomat_innen sein „Schulenglisch“ und somit den Inhalt des Strafantrages auch richtig verstanden hätten. Der Strafantrag konnte nach diesem Eingeständnis nicht aufrechtgehalten werden, das Verfahren infolgedessen eingestellt.
Zwar wurde das Verfahren eingestellt, auf seinen Anwaltskosten bleibt Rex Osa nun jedoch sitzen. Zumal das Gericht Notwendigkeit und Legitimation des Protestes auch nicht anerkannt hat. Rex Osa und seine Mitstreiter_innen, von denen einige zur Unterstützung im Gerichtssaal erschienen waren, halten an der Berechtigung und Richtigkeit ihres Protestes fest. Für sie stehe die nigerianische Botschaft nach wie vor für illegitime Abschiebungen von Flüchtlingen.
http://antifra.blog.rosalux.de/2014/lukrative-abschiebegeschaefte/