„Die Abschiebung ist für eine vereinzelte Person viel schlimmer, als wenn wir viele sind. Man darf nicht den Kopf hinhalten, sondern muss gegen Abschiebungen kämpfen.“
Basierend auf der Dublin-Verordnung soll eine aus Tschetschenien stammende sechsköpfige Familie nach Polen abgeschoben werden. Die erste Abschiebung scheiterte im März am Widerstand der Familie. Die Saalfelder Ausländerbehörde hatte dafür extra eine traumatisierte Frau aus dem Rudolstädter Krankenhaus holen lassen und den Anwalt der Familie unter Druck gesetzt. Nachdem die Gewalt der Polizeibeamten gegen die Mutter zweier Kinder zu deren Zusammenbruch führte, wurde die Abschiebung vorerst abgebrochen. Kurz darauf wurde allerdings die Drohung erneuert.
Familie Galaeva floh vor elf Monaten aus Tschetschenien nach Deutschland. Allerdings wurde ihnen hier ein Asylverfahren verweigert, da laut EU-Recht Polen dafür verantwortlich wäre. Für den 11. März wurde der Familie von der Saalfelder Ausländerbehörde die Abschiebung angekündigt. Kheda Galaeva, die zusammen mit ihrer Mutter, ihrer Schwester, ihrem Schwager und deren zwei Kindern hier ist, fürchtet im Falle einer Abschiebung nach Polen die Verfolgung durch dort lebende Tschetschenen. Sie kennt Fälle von Tschetschenen, die in Polen bedroht oder nach Tschetschenien verschleppt wurden. Zudem fürchtet sie, in Polen in ein geschlossenes Lager für Geflüchtete zu kommen, wie es dort mittlerweile immer häufiger Praxis ist. Aus diesen Gründen weigerte sich die Familie, nach Polen auszureisen.
Die Saalfelder Ausländerbehörde wollte offensichtlich um jeden Preis die Abschiebung durchsetzen. Während Kheda Galaeva nach einer Lungenentzündung nicht aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte, veranlasste die Behörde pünktlich am 10. März die Entlassung ihrer Mutter aus dem Rudolstädter Krankenhaus, in das sie aufgrund einer schweren Traumatisierung eingewiesen wurde. Sie wurde an jenem Tag ohne weitere Erklärung per Taxi in das Lager nach Saalfeld-Beulwitz zurückgeschickt. Im Morgengrauen des 11. März kam dann die Ausländerbehörde in Begleitung von sieben Polizeibeamten in die Zimmer der Familie, wo sie Kheda Galaevas Mutter, Schwester, deren Tochter und eine Nachbarin antraf, die von der Schwester aus Angst mit hinzugerufen worden war. Die Beamten forderten die Familie auf, ihre Sachen zu packen und wiesen Einwände, dass somit die Familie getrennt werden würde, nicht gelten. Als die Schwester sich weigerte, legten sie ihr Handschellen an und drohten ihr wegen weiteren Widerstands den Einsatz von Elektroschockern an. Daraufhin brach sie zusammen, woraufhin der hinzugezogene Übersetzer einen Krankenwagen rief. Die Polizisten folgten ihr bis ins Krankenhaus und kündigten an, bis zum Abend auf eine Besserung des gesundheitlichen Zustands zu warten, um dann die Abschiebung fortsetzen zu können. Als es dazu nicht kam, wurde den im Lager verbliebenen Familienmitgliedern angekündigt, dass ab nun dauerhaft mit einer Abschiebung zu rechnen sei.
Seitdem sind vor allem Kheda Galaevas Schwester und ihre Kinder retraumatisiert. Sie haben Angst, auf die Straße zu gehen und fürchten jede Nacht das erneute Einrücken von Polizisten. Kheda Galaeva sagt dazu: „Ich verstehe das jetzt sehr gut: Wenn sie einmal versuchen, jemanden gegen seinen Willen abzuschieben, dann löst das bei diesem Menschen einen dauerhaften Stress aus. Das ist bereits eine Depression.“ Sie sieht allerdings keinen Ausweg aus dieser Situation, als gegen ihre Abschiebung zu kämpfen. In Tschetschenien fürchtet die Famlie Verfolgung und in Polen würde sie entweder dasselbe fürchten oder in einem Gefängnis für Asylsuchende leben. Ihr Kontakt zu The VOICE entstand bereits im vergangenen Jahr, als sie sich an den Protesten im zentralen Aufnahmelager in Eisenberg (http://thevoiceforum.org/node/3300) beteiligte. Im April dieses Jahres nahm sie dann an einem Treffen von The VOICE teil, bei dem sich Menschen aus den unterschiedlichen Lagern in Thüringen vernetzt haben und Möglichkeiten der gemeinsamen Organisierung diskutiert haben (http://thevoiceforum.org/node/3543). Kheda Galaeavas Aufruf an alle Geflüchteten lautet: „Die Abschiebung ist für eine vereinzelte Person viel schlimmer, als wenn wir viele sind. Man darf nicht den Kopf hinhalten, sondern muss gegen Abschiebungen kämpfen.“
http://breakdeportation.blogsport.de/2014/05/20/saalfeld-familie-galaev…
Ankündigung: Hintergrundinterview mit Kheda Galaeva
Bald wird ein Videointerview mit Kheda Galaeva online gehen, in dem sie die verschiedenen Misshandlungen ihrer Familienmitglieder durch Beamt_innen des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt schildert, die Umstände der verhinderten Abschiebung beschreibt und Stellung dazu bezieht, wie sich das Abschiebesystem auf die Psyche von Menschen auswirkt.
Mit diesem Interview wird der Auftakt einer Reihe von Videointerviews von The VOICE gemacht, die im Laufe dieses Jahres dem Kampf gegen Abschiebungen Stimmen und Gesichter geben werden.
http://breakdeportation.blogsport.de/