Rex Osa floh aus Nigeria. Am Bodensee demonstriert er gegen die hiesige Rüstungsindustrie. Deren Waffen unterstützten das Regime.
Bei einem Waffenhersteller. Ein Mann setzt eine Pistole zusammen.
Mehrere Kundgebungen geplant: vor den Waffenfabriken von Diehl in Überlingen, Movag in Kreuzlingen und ATM in Konstanz. Foto: imago/Christian Thiel
taz: Herr Osa, Sie sind Flüchtling aus Nigeria. Am Wochenende organisieren Sie Aktionstage gegen die deutsche Waffenindustrie. Was hat die mit Ihrer Flucht zu tun?
Rex Osa: Gäbe es in meinem Land keine Waffen, könnte ich die Politik als Oppositioneller herausfordern. So kann ich das nicht. Die Waffenproduzenten stützen korrupte Regime und damit Ausbeutung und Ausplünderung, das hat in Nigeria eine lange Geschichte. Aktuelle droht Krieg mit Boko Haram. Woher stammen all die Waffen, die die Dschihadisten haben? Nigeria produziert keine. Unsere Botschaft ist: Wer Instrumente der Gewalt produziert oder die Wirtschaft eines Landes ausbeutet, erntet Flüchtlinge. Das werden wir auf unser Front-Transparent schreiben.
Was planen Sie während dieser Aktionstage?
Wir werden vor den Waffenfabriken von Diehl in Überlingen, Movag in Kreuzlingen und ATM in Konstanz Kundgebungen machen. Und dann werden wir in die Städte gehen und auch den Leuten dort sagen, dass ihre Fabriken Flucht verursachen. Uns geht es dabei vor allem um die Bigotterie der sogenannten Flüchtlingshelfer.
Wissen Sie, wohin die Waffen dieser Unternehmen exportiert werden?
Panzerfahrzeuge von Mowag gehen etwa an Saudi-Arabien, dessen Soldaten daraus auf die Demonstranten in Bahrain geschossen haben. Außerdem werden sie weltweit von den USA und von der Bundeswehr in Afghanistan eingesetzt. ATM stellt Computer und Software für die KMW-Panzer wie den Leopard 2 her. Die wurden etwa an Katar und die Türkei geliefert. Diehl ist an Bau und Vermarktung der Predator-Drohne beteiligt, mit der die USA unter anderem in Afghanistan, Pakistan, Irak, Libyen und Jemen hunderte Menschen getötet haben. Seine Lenkflugkörper und Munition gehen unter anderem nach Saudi Arabien, Ägypten und die Türkei. Doch das ist nur ein Thema. Uns geht es insbesondere auch um die Bigotterie der so genannten Flüchtlingshelfer.
Inwiefern?
Uns passt die Richtung der Hilfe nicht, die immer mehr in Mode kommt. Die Fluchtursachen werden nicht thematisiert. Die Leute leisten humanitäre Hilfe, oft ohne darüber nachzudenken, dass sie auch Ursache des Problems sind.
im Interview:
Rex Osa Foto: imago/Christian Ditsch
42, stammt aus Nigeria und floh 2005 nach Deutschland. Er lebt in Schwäbisch Gmünd und ist aktiv beim bundesweiten The Voice Refugee Forum. Außerdem ist er Bewegungsarbeiter der Verdener Bewegungsstiftung.
Nicht jeder, der ehrenamtlich im Flüchtlingsheim hilft, arbeitet beim Panzerbauer.
Das ist nicht der Punkt. 80 Prozent der Steuereinnahmen der Stadt Überlingen stammen von Diehl. Gleichzeitig gibt es dort 200 ehrenamtliche HelferInnen. Die wollen wir mit den Rüstungsexportstrukturen konfrontieren. Die meisten kennen das Problem ja durchaus, aber statt etwas dagegen zu tun, wollen sie lieber ein bisschen Flüchtlingen helfen. Sie wollen ausdrücklich unpolitisch sein. Das geht dann so weit, dass ein Mensch von der Caritas Sätze sagt wie: „Unsere Flüchtlinge brauchen ihre Ruhe.“ Nein, brauchen wir nicht. Die Leute sollen lieber dafür sorgen, dass aus ihren Städten nicht so viele Waffen exportiert werden. Wir wollen durch unsere Aktion mit vielen ehrenamtlichen Helfern darüber ins Gespräch kommen.
Die Lage in vielen Flüchtlingsheimen ist desolat. Wollen Sie ernsthaft, dass dort nicht mehr geholfen wird?
Wir wollen, dass die Leute mit uns sprechen und uns bestimmen lassen, was Hilfe für uns bedeutet. Die Friedensbewegung hat eine Kampagne, sie heißt „Der Krieg beginnt am Bodensee“, wegen der extrem hohen Dichte an Rüstungsfirmen dort. Wir finden, dass das ein zutreffender Satz ist und wir erwarten, dass Leute, die Flüchtlingen helfen wollen, sich das klarmachen. Wenn sie das nicht tun, handeln sie paternalistisch. Sie halten uns in der Rolle der Opfer. Wir sitzen im Heim und müssen ihre Hilfe annehmen. Das wollen wir nicht. Wir wollen die Strukturen bekämpfen, wegen derer wir fliehen mussten. Alles andere ist keine Lösung.
Ein Großteil der Flüchtlinge flieht aktuell vor Konflikten, in denen deutsche Waffen wohl keine besondere Rolle spielen, etwa Syrien oder Eritrea.
Deutschland ist unser Referenzpunkt, denn wir sind hier. Und deswegen skandalisieren wir die Dinge hier. Wir wissen, warum wir fliehen mussten, und wir sehen, wie wir behandelt werden. Es geht hier nicht direkt um Syrien, aber sehr wohl stellvertretend um die Gesamtheit der Flüchtlinge.
Haben Sie die Kundgebungen angemeldet?
Ja.
Gab es Schwierigkeiten?
Nein. Die Behörden waren bislang kooperativ.
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