Pressemitteilung von Roma Thüringen:
Alle Roma müssen gehen – die Konsequenzen der Asylrechtsverschärfungen
Eine betroffene Roma Familien aus Erfurt berichtet über den Zwang zur Ausreise und die Behandlung durch deutsche Behörden aber auch vom Rest der Gesellschaft im Mai 2016
In der Ausländerbehörde (ABH) Erfurt haben sie uns Ende April gesagt, wir müssen gehen, da gebe es keinen Spielraum. Die Angestellte der ABH hat uns vor der Wahl gestellt, jetzt die sog.„freiwilligen Ausreise“ zu unterschreiben, ansonsten komme innerhalb von 3 Tagen die Polizei zu uns nach Hause, um uns abzuschieben. Das hat sie gesagt, obwohl für die jüngste Tochter noch keinen Negativbescheid vom Bundesamt da ist, das Asylverfahren in dem Fall also noch nicht abgeschlossen ist.
Alle Ausweisdokumente hat die ABH einbehalten, wir haben von der ABH nur noch ein Blatt Papier, die sog. Grenzübertrittsbescheinigung, bekommen. Manchmal habe sie Angst raus zu gehen, so die Mutter der Familie, weil wir keine Dokumente haben, falls die Polizei kommt und uns nach dem Ausweis fragt. In Mazedonien haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Polizei Rom_nja ohne Grund schlägt, wenn sie sie auf der Straße anhält.
Obwohl die jüngste Tochter (6 Monate) Bronchitis hat und Probleme am Herzen, wegen derer sie aus ärztlicher Sicht regelmäßige Kontrollen brauche, hat die Angestellte der ABH gesagt, sie sei nicht wirklich krank, das sei nicht so schlimm.
In Mazedonien haben wir keinen Wohnraum für die 5 Kinder und 2 Erwachsenen. Als Rom_nja, die Asyl in der BRD beantragt haben, werden wir in Mazedonien für 2 Jahre keine Hilfe vom Sozialamt oder einer Krankenkasse erhalten.
Das Sozialamt Erfurt hat uns für den Monat Mai nur die Hälfte des Geldes gegeben, da sie davon ausgehen, dass wir ab Mitte des Monats nicht mehr hier sind. Außerdem haben sie schon Anfang Mai aufgehört, das Essensgeld für unsere Kinder in der Schule zu bezahlen. In der Schule wissen alle, dass wir gehen müssen und daher keine Unterstützung mehr durch das Sozialamt bekommen. Wir haben daraufhin in der Schule gefragt, ob sie etwas für die Kinder schreiben können, damit sie hier weiter in die Schule gehen können, aber sie sagen, sie können nicht helfen, da sowieso alle Kinder aus dem Balkan weg müssen. Das ist für sie Grund genug uns nicht zu unterstützen und nichts zu tun.
In Mazedonien werden die Kinder in der Schule als Rom_nja diskriminiert und nicht gefördert, die Lehrer_innen grenzen sie aus und wollen sie nicht haben und die Eltern der anderen Kinder verbieten ihren Kindern, etwas mit ihnen zu tun zu haben. Viele Kinder gehen daher nicht in die Schule und arbeiten als Müll- und Schrottsammler_innen, genau wie die Erwachsenen, denn obwohl es Jobs gibt, bekommen Rom_nja keine Arbeit, weil niemand sie in der Firma haben will.
Die Mutter der Familie hat eine wachsende Zyste im Gehirn und Migräne, die Ärzt_innen empfehlen dringende regelmäßige Kontrollen und evtl. eine Operation der Zyste. Aber das Sozialamt hat Anfang Mai den Ärzt_innen Bescheid gegeben, dass sie keinerlei ärztliche Hilfen mehr für unsere Familie bewilligt, auch nicht für das Baby. Alle Medikamente müssen wir in der Apotheke selbst kaufen. In der Apotheke hat die Angestellte gesagt, ich muss dringend mit dem Baby zum Arzt, aber das geht nicht, weil das Sozialamt nicht dafür bezahlt – so haben sich die Ärzte geweigert, nicht mal im Krankenhaus haben sie etwas gemacht, nur ein Rezept für ein Medikamentt gegen Bronchitis ausgestellt, aber auch das mussten wir komplett selbst bezahlen. Jetzt schlägt es nicht an und wir machen uns große Sorgen.
Zu Beginn der zweiten Maiwoche haben wir dann unsere Tickets für Mitte Mai nach Skopje von der ABH erhalten und auch unser Pässe wieder bekommen. Dass unsere jüngste Tochter krank ist, hat die Mitarbeiterin der ABH dabei nicht interessiert.
In der Woche vor der Zwangsausreise haben wir noch mal bei unserem Kinderarzt vorgesprochen und er hat sich unsere Tochter angeschaut. Als er hörte, dass wir in ein paar Tagen ausreisen müsse, war er dann auch sehr besorgt um die Gesundheit unseres kleinsten Kindes. Der Arzt rief in der Ausländerbehörde und im Sozialamt an, um mit der zuständigen Sachbearbeiterin der ABH und denjenigen aus dem Sozialamt zu sprechen und noch mal auf die gesundheitsgefährdende Reise hinzuweisen und die Ausländerbehörde davon zu überzeugen, dass das Baby nicht reisefähig ist. Daraufhin zogen die Mitarbeiterinnen der ABH ihren Chef hinzu und das Gesundheitsamt wurde ebenfalls eingeschaltet. Obwohl der Kinderarzt ganz anderer Meinung war, hat die Ärztin des Gesundheitsamtes unsere jüngste Tochter für reisefähig erklärt. Sie hat sie nur kurz gesehen und gar nicht richtig untersucht.
Was mich als Mutter sehr schockiert hat, war, dass laut dem Kinderarzt die zuständige Sachbearbeiterin der ABH Erfurt ihm gesagt hat, er solle doch einfach bestätigen, dass das kleine Kind gesund ist. Dies hat der Kinderarzt verweigert, da unser Baby sehr krank ist.
Wir hatten in dieser letzten Woche vor der erzwungenen Ausreise mehrere Termine in der ABH. Zwischenzeitlich war uns angeboten worden, dass wir noch eine Woche länger bleiben können, damit unsere Tochter wieder etwas gesund werden kann. Dann wieder hieß es, nur die Mutter und das Baby könnten noch bleiben und der Vater und die anderen Kinder müssten in jedem Fall sofort gehen. Wir fragen uns, wie wichtig das Kindeswohl unserer Kinder für die Ausländerbehörde ist, wenn sie sagt, dass unsere Familie sich trennen soll.
Einen Tag vor dem Ausreisetermin war dann wieder alles anders. Wir haben wieder Tickets für alle für den nächsten Tag bekommen und uns wurde wieder gedroht, dass, wenn wir länger bleiben, die Polizei kommen würde. Außerdem haben sie angekündigt, dass wir keine Sozialleistungen o.Ä. mehr erhalten würden. Wir sind deshalb völlig geschockt und müssen nun ganz schnell alles packen. Wir sorgen uns sehr um die Zukunft unserer Kinder, besonders um das kranke jüngste Kind.
Am Nachmittag vor unserer Ausreise war die Sachbearbeiterin aus der Ausländerbehörde noch mal bei uns zu Hause im Lager. Sie ließ sich verschiedene Dokumente von uns unterschreiben. Wir wissen nicht, warum sie bei uns zu Hause war und was sie von uns wollte. Es war sehr komisch, dass sie extra noch mal zu uns nach Hause kam. Auch der Hausmeister kam noch mal, um die Wohnung zu kontrollieren.
Wir haben keine Wahl, wir müssen sofort ausreisen. Wir haben schon mehrere Familien bei der Abschiebung gesehen, das macht uns sehr viel Angst und Stress. Erst Mitte April wurde aus unserer Unterkunft ein Mann in den Kosovo abgeschoben. Er muss regelmäßige Psychopharmaka nehmen und war mehrmals wegen schwerer Traumata in der Psychiatrie. Er hatte ein Attest, dass er nicht reisefähig ist und sein Anwalt sagte ihm, er kann deshalb nicht abgeschoben werden, er brauche keine Angst haben. Ein paar Tage später kam die Polizei früh zwischen 4 und 5 Uhr und sie haben ihn so wie er war mitgenommen, nur mit seinen Klamotten. Er hatte keine Zeit irgendetwas etwas zu packen, sollte nur Schuhe und Jacke anziehen.
In Deutschland habe ich viel Sress und viel Angst wegen der Ämter und der Polizei aber auch wegen der vielen Nazis, so die Mutter der Familie. Plötzlich geht alles so schnell und alle wollen uns nur noch weg haben. Niemand tut etwas dagegen oder hilft uns. Nur der Kinderarzt hat es versucht aber nicht mal das hat geholfen. Das ist nicht normal, so dürfen sie nicht mit uns umgehen. Mein jüngstes Kind ist in Deutschland geboren und sehr klein und krank, warum wollen sie nicht ein mal ihr helfen? Unser Leben ist ihnen egal, aber das geht nicht. Wir sind auch Menschen und wir müssen die Möglichkeit haben, gesund zu sein und ohne Angst zu leben!
Ende der Pressemitteilung
Nachfragen unter: 0176 39647472
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Roma leute aus Serbien in Jena: Dragan und Branka mit deren Tochter Katarina abgeschoben werden https://thevoiceforum.org/node/4175
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