Katzütte - Geduldet irgendwo im Wald
VON STEFFEN REICHERT, HALLE/MZ. 22.09.08, 20:20H
FLÜCHTLINGE In Thüringen haben Asylbewerber gegen die Form ihrer Unterbringung in Katzhütteprotestiert. Es ist viel und heftig diskutiert worden. Geändert hat sich seitdem allerdings wenig.
VON STEFFEN REICHERT, 22.09.08, 20:20H
Um die Unterbringung von Flüchtlingen in Katzhütte ist im Frühjahr heftig gestritten worden. Zu tumultartigen Szenen kam es im März, als zahlreiche Menschen zu einer Informations-Veranstaltung in das Asylbewerberheim drängten. FOTOS: MARCO SCHMIDT/TA (Foto: MZ)
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HALLE/MZ. KATZHÜTTE / MZ - Hinter dem Zaun beginnt die Einöde. Das Barackendach ist frisch gedeckt, die Wand gerade weiß gekalkt, die tiefen Risse sind verschmiert. Aber wer ein paar Schritte weiter über das menschenleere Gelände läuft, stößt auf alte Bungalows aus DDR-Zeiten, deren Untergeschosse noch immer vor sich hinschimmeln. Seit ein paar Wochen sind sie leer und verschlossen, die Bewohner an andere Orte verlegt.
Hier, in dem südthüringischen Urlauberort Katzhütte, ist die Idylle noch immer gestört. Seit Monaten nun protestieren Asylbewerber des Lagers gegen die unhaltbaren hygienischen Zustände. Aber auch dagegen, dass sie mitten im Wald völlig isoliert untergebracht sind. Alle waren sie inzwischen hier in dem Camp, das vor Jahrzehnten mal als Sommerferienlager genutzt wurde: Journalisten, Politiker und Verwaltungsangestellte haben geschaut und sich gestritten, kontrolliert und angekündigt.
Geändert hat sich seitdem wenig. Ein paar Bewohner weniger leben in dem Waldlager - die Zahl der Insassen ist nach Angaben des Landkreises von 100 auf etwa 60 reduziert worden. "Wir halten alle gesetzlichen Standards ein", erklärt der Sprecher des Landratsamtes Saalfeld-Rudolstadt, Peter Lahann, immer wieder. Und fügt hinzu: "Ob man die gut findet oder nicht." Änderungen des Standards in dem Lager seien nicht geplant.
Seit eineinhalb Jahren sitzt die 47-jährige Haschimia Al Kubaisi mit Mann und Tochter in Katzhütte. Die irakische Familie, die vor dem Krieg nach Deutschland floh, hat seit Jahren nichts zu tun. Zwar kann die Tochter jeden Tag den drei Kilometer langen Fußmarsch zur Schule zurücklegen - doch häufig ist sie krank. Mehr als 300 Meter muss das Kind im Lager bei Wind und Wetter und auch bei Schnee zur Dusche zurücklegen. "Einen Facharzt gibt es hier auch nicht", sagt die Mutter.
Bahnfahrt belastet Familien
Und nicht nur das. Ein Billig-Supermarkt existiert in Katzhütte nicht, um die Lebensmittelkarten einzulösen. So kommt zum Einkauf die Bahnfahrt in die Kreisstadt, die das ohnehin ein Drittel unter dem Hartz-IV-Satz liegende Familienbudget belastet. Vor allem aber ist es das Nichtstun in der Einöde, das die Flüchtlinge zermürbt. Hamza Barakat ist einer von ihnen. Er ist vor sechs Jahren aus Palästina geflohen und wartet seitdem auf eine Entscheidung der deutschen Behörden. Tag für Tag, Monat für Monat lebt der 36-Jährige zwischen Hoffen und Bangen und in der Ungewissheit, wie es weitergeht.
Irgendwann hat Barakat begonnen, sich in der Flüchtlingshilfsorganisation "Voice" zu engagieren. Dort traf er andere Flüchtlinge, und sie bemerkten, dass die Probleme immer wieder die gleichen sind. Das war auch der Grund für den 20-jährigen Tawfik Lbebidy, bei "Voice" mitzumachen. Der Syrer, dessen Eltern in ihrer Heimat verfolgt werden, lebt im thüringischen Gehlberg, einem ähnlich isolierten Heim. Gerade, nach sechs Jahren des Wartens, haben seine Eltern vor Gericht Recht bekommen - sie dürfen wegen ihrer Verfolgung in Deutschland bleiben, Lbebidy will nun ein Informatikstudium beginnen. "Es geht uns um Meinungsfreiheit und um vernünftige Verhältnisse."
Der Syrer will auch, dass die Residenzpflicht abgeschafft wird. So müsse bislang in seinem Landkreis jeder Asylbewerber für einen Antrag, den Kreis zu verlassen, zehn Euro zahlen. Ob dem Antrag stattgegeben werde oder nicht. Und es geht ihm darum, dass Gemeinschaftsunterkünfte wie Katzhütte geschlossen und die Asylbewerber in separaten Wohnungen untergebracht werden. "Verschiedene Kulturen haben auch verschiedene Lebensweisen." Auch das gemeinsame Kochen in einer ohnehin überfüllten und nur mit dem Notwendigsten eingerichteten Küche würde damit entfallen.
Unterkunft in Wohnungen
Möglich wäre eine solche dezentrale Unterbringung, und deshalb fordert sie der Flüchtlingsrat Thüringen auch. "Suhl macht es vor, da werden Asylbewerber in Einzelwohnungen beherbergt", argumentiert Steffen Dittes vom Flüchtlingsrat. Der Gesetzgeber lasse ausdrücklich offen, wie die Unterbringung zu regeln ist. Dittes ist sich deshalb sicher, dass die Flüchtlinge diese Forderung weiter erheben werden.
Eine Forderung, die der Katzhütter Bürgermeister Wilfried Machold unverständlich findet. "Ich finde", so der Kommunalpolitiker, "dass die Zustände hier in Ordnung sind". Er sei aber, das sagt er auch, eine ganze Zeit nicht dort gewesen.
Die Flüchtlingsorganisation unter www.thevoiceforum.org