Einladung zu einem Podiumsdiskussion mit Rosa Amelia Plumelle-Uribe, Autorin von “Weisse Barbarei. Vom Kolonialrassismus zur Rassenpolitik der Nazis”.
Freitag, 3. Juni
19 Uhr Podiumsdiskussion mit Rosa Amelia Plumelle-Uribe:„Die Kontinuität ist barbarisch: Eine weisse Geschichte? Über die Kultur der Vernichtung und die Bedeutung von Nie Wieder”
Haus der Kulturen Lateinamerikas - Casa de las Culturas Latinoamericanas (Bandelstr. 42 - Wedding; U-9 Turmstr.)
In den 1920er-Jahren, als Hitler sein Buch 'Mein Kampf' verfasste, musste die Überlegenheit der weißen Rasse nicht mehr nachgewiesen werden. Gelehrte aller wissenschaftlichen Disziplinen und philosophischen Richtungen hatten diesen Nachweis bereits geleistet und die Rassentheorie mit der Weihe wissenschaftlicher Wahrheit versehen. (...) Der Übergang von der 'weißen' zur 'arischen Rasse', den Hitler vollzog, erschütterte die bequeme Gewissheit, die bis dorthin alle Weißen aus ihrer Zugehörigkeit zur Herrenrasse zogen.-- Rosa Amelia Plumelle-Uribe
»Das Buch macht bewusst, dass das Verbot eines Vergleiches mit dem Holocaust, das Tabu, dessen Vokabular zu benutzen, auf einen uneingestandenen weißen Rassismus zurückzuführen ist.« Alfred Grosser Presseecho
»Im besten Sinne ein aufklärerisches Buch.« Ulrich Teusch, Süddeutsche Zeitung
Die Anwältin afrikanischer und indigener Herkunft Rosa Amelia Plumelle-Uribe wurde in Kolombien geboren. Unter den Titel “La férocité blanche: génocides occultés de 1492 à nos jours” (Albin Michel, 2001; Rotpunktverlag, 2004) veröffentlichte sie ein Buch gegen das Vergessen.
In Weisse Barbarei beschreibt Plummelle Uribe die enge Beziehung zwischen dem Massaker an den Indígenas der Amerikas, der Verfolgung der Schwarzen und der Politik der Vernichtung, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eingeführt worden ist. Sie zeigt wie die massenhafte Deportation der Afrikaner und ihre für mehr als drei Jahrhunderte lange Versklavung zu einer von den weissen vorangetriebener Verbannung der Schwarzen aus der Menschheit geführt hat undwie — als Folge daraus — sich eine "Weissheit" als internale Referenz durchgesetz hat. Diese Zerstörung ist unter einer fast kompletten
Gleichgültigkeit geschehen. Dazu argumentiert Plumelle-Uribe, dass das während der Nazi-Zeit geschehene Überwechseln von "nicht Weissen" zu "nicht Arien" eine logische Konsequenz der jahrhundertelangen Umsetzung von völkermörderischen Praktiken einer Kultur der Vernichtung war. Ausserdem stellt sie die Sprachanwendungen der Europäer in Frage, mit denen sie diese schrechtlichen Zeiten beschreiben
Über ihre Kindheit schreibt Rosa Amelia Plumelle-Uribe:
"Ich bin in einer Gesellschaft aufgewachsen, in der die Ungleichheiten in allen Lebensbereichen - auch die Ungleichheit vor dem Tod - oft so fürchterliche Folgen hatte und weiterhin hat, dass selbst diejenigen, die glaubten, der Armut entronnen zu sein, kaum die Möglichkeit hatten, eines Tages in den Genuss materiellen Komforts zu gelangen, ohne ihre Menschlichkeit einzubüßen. Es genügte ein Mindestmaß an menschlichen Empfinden, um mit dem System in Konflikt zu geraten, einem System, das von einigen wenigen Familien kontrolliert wird, deren Reichtum mit den größten Vermögen westlicher Länder mithalten kann. Um auszuschließen, dass an diesem System gerüttelt würde, wurden jegliche soziale Forderungen kriminalisiert."
Der Besuch von Rosa Amelia Plumelle-Uribe wurde von der Plattform der Flüchtlingen und MigrantInnen organisiert. Für mehr Information wenden Sie sich bitte an: plataforma@riseup.net oder 0174-4302557
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Liebe FreundInnen, GenossInnen, und Interssierten,
Am Freitag, den 3. Juni 2005 wird die kolombianische Buchautorin Rosa Amelia Plumelle-Uribe an einem Podiumsdiskussion unter den Titel: "Kontinuität ist Barbarisch: eine weisse Geschichte? Über die Kultur der Vernichtung und die Bedeutung des NIE WIEDERS" teilnehmen.
Veranstaltungsort: Haus der Kulturen Lateinamerikas - Casa de las Culturas Latinoamericanas - Bandelstr. 42 (U9 - Turmstr.)
Uhrzeit: 19 uhr
Unten finden sie das Programme von Rosa Amelia in Berlin und mehr
Information(auf Englisch und auf Deutsch)sowohl über die Autorin als auch über das Buch.
Mit freundlichen Grüßen,
Warren
0174-4302557
Plataforma
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ÖFFENTLICHES PROGRAMME FÜR DIE COMPAÑERA ROSA AMELIA PLUMELLE-URIBE
Dienstag, den 31. Mai –
10 Uhr – Gesprächsrunde mit (alternativen) Medien Ort: A6 Laden
(Adalbertstr.
6; U-1/8/15 - Kottbusser Tor) bitte vorher anmelden!
14 Uhr – Treffen mit Frauen in der S.U.S.I.: Rassistische und sexistische
Unterdrückung unter die gestrigen und heutigen koloniale Überlegenheit Ort: S.U.S.I. - Frauenzentrum (Linienstraße 138;
U-6 Oranienburger Tor) anmeldung erforderlich!!!
Donnerstag, den 2. Juni –
11 Uhr – Treffen mit verschiedenen Initiativen und Einrichtungen von oder
für
Flüchtlinge und MigrantInnen (Ort muss noch bestätigt werden)
19 Uhr – Buchvorstellung in Dresden
Freitag, den 3. Juni –
19 Uhr – Podiumsdiskussion u.a. mit Rosa Amelia Plumelle-Uribe: „Kontinuität
ist barbarisch: eine weisse Geschichte? Über die Kultur der Vernichtung und die Bedeutung des Nie Wieders” Ort: Haus der Kulturen Lateinamerikas - Casa de las culturas Latinoamericanas (Bandelstr. 42; U-9 Turmstr.)
Samstag, den 4. Juni –
14 Uhr - Veranstaltung von der GAC (Global Afrikan Congress): "Auswirkung
des
Kolonialismus heute: Die Folgen einer verleugneten Geschichte".
Veransaltungsort: Heinrich Boll Stiftung (auf der Galerie) -
Rosenthalerstr. 40/41 (Hackesche Höfe) - S-Bahn: Hackescher Markt. Programmebegin: 9 Uhr. Mehr Information: jgum@gmx.net oder 030-23186266
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About Rosa Amelia Plumelle-Uribe :
A lawyer, Rosa Amelia Plumelle-Uribe was born in Colombia of Indian and African descent. About herself Rosa Amelia says: " I grew up in a society in which the inequality in all aspects of society -- even the inequality of death -- has had and continues to have such horrible consequences so that even those of us who thought they could overcome poverty hardly had any opportunity to enjoy any kind of material comfort without compromising their humanity. Even the smallest amount of sensibility for humanity was enough to come into conflict with the system, a system which is controlled by a handful families who can only maintain control of their huge wealth through the support of the western countries. In order to avoid that any attempts are made to shake up the system, all forms of social demands are criminalized."
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Weisse Barbarei: Vom Kolonialrassismus zur Rassenpolitik der Nazis La férocité blanche: génocides occultés de 1492 à nos jours
White Savagery: Hidden Genocide from 1492 to Today
by Rosa Amelia Plumelle-Uribe
ISBN : 2-226-12187-0
EAN : 9782226121875
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»Das Buch macht bewusst, dass das Verbot eines Vergleiches mit dem Holocaust, das Tabu, dessen Vokabular zu benutzen, auf einen
uneingestandenen weißen Rassismus zurückzuführen ist.«
Alfred Grosser Presseecho
»Das Buch bietet viele scharfsinnige Einsichten.«
Rudolf Walther, Tages-Anzeiger
»Ein leidenschaftliches Plädoyer gegen das Vergessen.«
Michael Kraus, Ökologie Politik
»Im besten Sinne ein aufklärerisches Buch.«
Ulrich Teusch, Süddeutsche Zeitung
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--Die Zerstörungswut, die Daniel Goldhagen (in "Hitlers willige
Vollstrecker"; mk) bei der Bevölkerung Hitlerdeutschlands zu erkennen glaubt, war diesem Volk keineswegs ausschließlich auf dem Leib
geschrieben. Sie ist vielmehr bezeichnend für alle Gruppen, die sich in einer Situation der Stärke und Überlegenheit befinden. Es entspricht der Vernichtungskultur, die durch die moderne Barbarei hervorgebracht und genährt wurde - einer Barbarei, die in (dem von europäischen Eroberern "zivilisierten"; mk) Amerika ihren Ausgang nahm, in Afrika reproduziert wurde, auf dem asiatischen Kontinent ihre Fortsetzung fand, in Australien unerbittlich gegen Aborigines praktiziert wurde und schließlich in Europa selbst alle Grenzen sprengte. Die Vernichtung von 'minderwertigen' Gruppen war in die Lebensgewohnheiten eingegangen.-- Rosa Amelia Plumelle-Uribe
Süddeutsche Zeitung, 20.09.2004
Holocaust in Afrika
Gewagte Parallelsetzung von Kolonialismus mit NS-Barbarei
Nazideutschland hat lediglich in kleinem Maßstab in Europa praktiziert, was die Westeuropäer Jahrhunderte lang gegenüber den Rassen praktiziert haben, die so mutig oder so unvorsichtig waren, ihnen über den Weg zu laufen.“ Diesen Satz schrieb der große Kolonialismusforscher Aimé Césaire im Jahr 1948 – und damals wie heute werden viele Césaires These als „Relativierung“ der Verbrechen des NS-Regimes, als schockierenden
Tabubruch, ja als Zumutung empfinden. Den Opfern von Kolonialismus und Sklaverei dürften Bedenken dieser Art aber nur schwer begreiflich zu machen sein. Die schwarze kolumbianische Intellektuelle Rosa Amelia Plumelle-Uribe ist eine Nachfahrin der Opfer. Sie hat das Recht, bohrende Fragen zu stellen, vor denen andere – aus welchen Gründen auch immer – zurückschrecken. Sie tut dies ganz im Geiste Césaires – aus einer
bedingungslos humanistischen Perspektive.
Wenngleich Plumelle-Uribe nicht mit neuen historischen Tatsachen
aufwartet, werden sich viele Leser vermutlich eingestehen müssen, dass sie von alledem unendlich viel weniger wussten, als sie zu wissen glaubten. Im Amerika des Jahres 1500 lebten etwa achtzig Millionen Menschen, von denen zur Mitte des 16. Jahrhunderts noch zehn Millionen übrig waren; allein die Bevölkerungszahl Mexikos betrug vor der Conquista fünfundzwanzig
Millionen, im Jahr 1600 nur noch eine Million. Das gleiche Bild in Afrika: Im belgischen Kongo sind bis zu zehn Millionen Menschen unter der
Regentschaft Leopolds II. mit teilweise unvorstellbarer Bestialität getötet worden.
Doch Plumelle-Uribe geht es nicht primär um die erschreckende Dimension der Verbrechen. Sie konzentriert sich auf die Motive und Interessen der Täter sowie auf die Techniken der Terrorisierung und Vernichtung. Was sie in diesem Zusammenhang in drastischer Anschaulichkeit ausbreitet, macht die Lektüre über weite Strecken zu einem peinigenden Unterfangen. Ihre vorzüglich belegte These lautet, dass die Mechanismen der Unterwerfung und Auslöschung der indigenen Bevölkerungen wie auch die
Rechtfertigungsstrategien der Täter frappierende Ähnlichkeiten mit den Praktiken des NS-Regimes aufweisen.
So ist es denn auch nur konsequent, wenn Plumelle-Uribe nicht
euphemistisch von „Sklavenhandel“ spricht, sondern von massenhafter „Deportation“. Deren unglückliche Opfer endeten, wenn sie nicht schon während der Überfahrt nach Amerika wie Vieh über Bord geworfen wurden, in „amerikanischen
Konzentrationslagern“. Dort wurden sie zur verkäuflichen Ware degradiert, ausgebeutet oder durch Arbeit vernichtet, aus nichtigsten Anlässen gequält und getötet. Dies alles ist zwar im Prinzip bekannt, doch es ist, so der zentrale Vorwurf der Autorin, nie zu einem Bestandteil des europäischen Geschichtsbewusstseins geworden. In der durchaus provokativ gemeinten Analogisierung dieser Verbrechen mit denen des NS-Regimes sieht
Plumelle-Uribe offenbar die einzige Möglichkeit, europäische
Bewusstseinsblockaden aufzubrechen.
Der wesentliche Unterschied zwischen der dreieinhalb Jahrhunderte
währenden Form institutionalisierter Barbarei in Afrika und Amerika und der zwölfjährigen des NS-Regimes liegt Plumelle-Uribe zufolge darin, dass für die Nazis nicht länger die angebliche Überlegenheit der Weißen gegenüber den Schwarzen, sondern die rassische „Minderwertigkeit“ der so genannten Nicht-Arier handlungsbestimmend war. Dadurch wurden erstmals weiße Menschen selbst zu Opfern einer weißen Vernichtungspo-litik. Weil sich die Nazis nach ihrem verlorenen Krieg auf der Anklagebank
wiederfanden, konnte ihren Opfern historische Gerechtigkeit widerfahren, eine Gerechtigkeit, die den Opfern der Kolonialherren und Sklavenhalter angesichts des bis heute weitgehend ungebrochenen westlichen
Deutungsmonopols noch immer vorenthalten bleibt.
So überzeugend Plumelle-Uribe die Analogien der Völkermorde
herausarbeitet, so fragwürdig ist ihre These, es bestehe auch noch zwischen ihnen eine Kausalität. Wenngleich sich Zusammenhänge kaum leugnen lassen dürften, erscheint die pauschale Feststellung „reichlich
kurzschlüssig“, wie der im Juli dieses Jahres verstorbene Publizist Lothar Baier in seinem Vorwort mit Recht moniert. Doch dieser Einwand kann dem im besten Sinne aufklärerischen Buch und seiner zentralen Botschaft nur wenig anhaben. Sie lautet: Überall dort, wo Menschen absolute Macht über andere Menschen reklamieren und tatsächlich erlangen, bricht über kurz oder lang jegliche Werteordnung zusammen und das bis dahin „Unvorstellbare“ wird zur grausamen Realität.
ULRICH TEUSCH
http://www.buecher.de/verteiler.asp?wea=1100737&site=http://www.buecher… ------------------------------------------
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/politischeliteratur/316532/
Rosa Amelia Plumelle-Uribe: "Weiße Barbarei. Vom Kolonialrassismus zur Rassenpolitik der Nazis"
Rotpunkt-Verlag Zürich 2004, 360 Seiten, 22,50 Euro
Von Thomas Mösch
Im folgenden Buch geht es der Autorin weniger um Vermittlung von Fakten als darum, eine neue Sichtweise zu entwickeln. Rosa Amelia Plumelle-Uribe will zeigen, wo die Rassenpolitik der Nationalsozialisten in der Tradition des Kolonialrassismus steht und wo sie aus ihr ausbricht. Ihr polemischer Ton im Umgang mit Historie dürfte für ein deutsches Publikum eher
ungewohnt sein. In Frankreich, wo Plumelle-Uribe lebt, gehört sie zum Alltag der politischen Auseinandersetzung. Thomas Mösch über:
"Weiße Barbarei" von Rosa Amelia Plumelle-Uribe ist zuallererst eine politische Streitschrift. Die Kolumbianerin, die in ihrer Familie
afrikanische und indianische Vorfahren hat, will auf das Ausrotten zahlreicher Völker und das Unterwerfen ganzer Kontinente durch die Europäer ein neues Licht werfen. Unter anderem versucht die Autorin zu erklären, warum viele Afrikaner und indianische Amerikaner einen anderen Blick haben auf die Vernichtungspolitik der Nazis. Plumelle-Uribe listet zahlreiche grausame Beispiele aus der Jahrhunderte währenden
Kolonialgeschichte Amerikas und Afrikas auf und kommt zu dem Schluss:
Aus diesem Grund wird die Realität der Gaskammern, die in den deutschen Vernichtungslagern betrieben wurden, von uns anderen fast zwangsläufig als eine Weiterentwicklung der Techniken zur Vernichtung all jener angesehen, deren Zugehörigkeit zum Menschengeschlecht in Frage gestellt wird. Die sehr westliche Behauptung, die Nazibarbarei sei unbegreiflich, kann daher einem Überlebenden der amerikanischen Indianer oder einem Nachkommen von Afrikanern, der sich angesichts der Vernichtung der Seinen fragen mag, was Hitler denn so besonderes getan hat, ein Lächeln entlocken.
Der Vorwurf, hier werde der Holocaust relativiert, liegt da schon fast auf der Hand. Mit ihm sollte sich die Autorin auch ernsthaft
auseinandersetzen, denn es gibt in ihrem Buch zu viele Stellen, die diesen Verdacht nahelegen. Trotzdem: Im Vordergrund steht das Anliegen
Plumelle-Uribes, die Aufmerksamkeit auf die außereuropäische Vorgeschichte des Holocaust zu lenken.
Die breite Akzeptanz von Rassehierarchien und das Zugehörigkeitsgefühl zur überlegenen Gruppe waren Bestandteil des kollektiven Bewusstseins der Weißen. Da der Ausschluss von Menschengruppen, die als rassisch unterlegen galten, weitgehend in das Bezugssystem integriert war, ist es kein Wunder, dass der offene Rassismus der nationalsozialistischen Partei und ihre Aufrufe zur Ausgrenzung in Deutschland ebenso wenig auf prinzipielle Ablehnung stießen wie im übrigen Westen."
Für Plumelle-Uribe wäre die nationalsozialistische Vernichtungspolitik ohne die auf rassistischer Ausgrenzung basierende Kolonialpolitik und den damit verbundenen Sklavenhandel nicht möglich gewesen. Völlig falsch ist diese Sichtweise nicht, meint auch der Historiker und Völkermord-Experte Jürgen Zimmerer. Eine direkte Linie von Pizzaro bis Himmler will Zimmerer zwar nicht ziehen, doch es gebe Ähnlichkeiten zwischen der europäischen Kolonialpolitik und der Vernichtungs- und Expansionspolitik der Nazis.
Sie haben sehr viele Zitate von deutschen Soldaten, die von Russland als Kolonialland sprechen. Hitler spricht von den Ukrainern als
'Eingeborenen'. Man wollte das Ost-Ministerium nach dem Vorbild des British India Ministery einrichten. Der Kolonialismus steckt also als großer Ideengeber im Hintergrund, wenn - und das ist wichtig - auch nicht der einzige Ideengeber. Den Antisemitismus als wichtigen anderen Strang muss man an dieser Stelle natürlich nennen.
Plumelle-Uribe sieht ihn offenbar lediglich als eine Spielart des
europäischen Rassismus. Seine einzigartige Stellung in der
Geschichtsschreibung habe der Holocaust nur deswegen erreicht, weil ihn Europäer in Europa umgesetzt haben - so die zweite Hauptthese der Autorin von "Weiße Barbarei". Mit ihren Verbrechen gegen außereuropäische Völker hätten sich die Europäer dagegen nie ernsthaft auseinandergesetzt.
Man kann sich sogar fragen, ob die Europäer je ihre Zweifel am Menschsein der Schwarzen überwunden haben, nachdem sie diese über dreieinhalb Jahrhunderte lang ununterbrochen wie Tiere behandelt hatten. Die für diese Katastrophe verantwortlichen europäischen Nationen haben sich tatsächlich bis heute nicht bei ihren Opfern entschuldigt. Sie weichen aus und maßen sich das Recht an, anstelle der Opfer ihre eigenen Verbrechen selbst zu definieren und zu entscheiden, welche historische Bedeutung ihnen
beizumessen ist oder auch nicht. Dieses Recht hätte das besiegte
Deutschland nie zu beanspruchen gewagt.
Wie Recht die Autorin mit diesem Vorwurf hat, hat in diesem Jahr erneut der Streit um den Völkermord an den Herero und Nama vor 100 Jahren im damaligen Deutsch-Südwestafrika gezeigt. Rosa Amalia Plumelle-Uribe gebührt das Verdienst, ihren Lesern zu zeigen, dass es auch andere Perspektiven auf den Lauf der Geschichte gibt. Die Sicht, die sie
darstellt, begegnet einem beispielsweise in Afrika unter jüngeren
Intellektuellen immer wieder. Andererseits versteigt sich Plumelle-Uribe am Schluss von "Weiße Barbarei" dazu, Zionismus mit Rassismus und
Faschismus in einen Topf zu werfen. Das Bündnis zwischen dem
Apartheid-Regime und Israel ist ihr Beweis genug dafür, dass sie Teil ein und derselben ideologischen Großfamilie seien. Zwar ist "Weiße Barbarei" trotz solcher Plattheiten kein antisemitisches Buch. Ihren Kritikern macht es die Autorin aber mit solchen und anderen bizarren Gleichsetzungen leicht, von ihrem eigentlichen Anliegen abzulenken. Und das ist schade.
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Weiße Hände in Unschuld gewaschen
Michael Klarmann 30.10.2004
Eine Erinnerung an die anhaltende Blutspur des Kolonialismus oder warum erst die Shoa ein Völkermord war
Nein, sie will nicht relativieren, nicht gegeneinander aufrechnen. Die in Kolumbien aufgewachsene Rosa Amelia Plumelle-Uribe will nur erinnern - aber an nichts Geringeres als an die Vorherrschaft der Weißen, an deren massenmörderischen Rassismus, an Versklavung der Ureinwohner Afrikas, Nord- und Südamerikas.
Die Autorin selbst stammt von afrikanischen Sklaven sowie indigenen Ureinwohnern ab und wirft in "Weiße Barbarei - Vom Kolonialismus zur Rassenpolitik der Nazis" die Frage auf, warum der Massenmord an den Juden als einzigartig gilt, indes in der westlichen Zivilisation - deren Ursprung übrigens das kürzlich noch friedliebend auftretende "Alte Europa" ist - niemand an den massenmörderischen Kolonialismus erinnert werden will.
Ob es sich ziemt, derlei "dynamische Verhältnisse" miteinander zu
vergleichen, interessiert die heute in Frankreich lebende Autorin in ihrem flammenden Plädoyer weniger. Denn auch wenn das Buch streitbar ist, regt es zum Nachdenken an - erst Recht heute, wo wenige Jahrzehnte nach dem offiziellen Ende letzter Kolonialmächte und der Überwindung des
südafrikanischen Apartheid-Regimes erneut Armeen westlicher Staaten zwecks Verhinderung von Völkermord (Kosovo) und Errichtung zivilisierter, demokratischer Staaten (Irak/Afghanistan) eingesetzt werden (oder
eingesetzt werden sollen, siehe Sudan). Ist das die Folge dessen, was Plumelle-Uribe als europäische "Kultur der Vernichtung" umschreibt?
Dann wäre Vorsicht angebracht, denn die Autorin webt ihren argumentativen Faden weiter, benennt jene Art der unbewältigten Unkultur als Wurzel dafür, dass letztendlich in Auschwitz maschinell gemordet werden konnte.
--Die Zerstörungswut, die Daniel Goldhagen (in "Hitlers willige
Vollstrecker"; mk) bei der Bevölkerung Hitlerdeutschlands zu erkennen glaubt, war diesem Volk keineswegs ausschließlich auf dem Leib
geschrieben. Sie ist vielmehr bezeichnend für alle Gruppen, die sich in einer Situation der Stärke und Überlegenheit befinden. Es entspricht der Vernichtungskultur, die durch die moderne Barbarei hervorgebracht und genährt wurde - einer Barbarei, die in (dem von europäischen Eroberern "zivilisierten"; mk) Amerika ihren Ausgang nahm, in Afrika reproduziert wurde, auf dem asiatischen Kontinent ihre Fortsetzung fand, in Australien unerbittlich gegen Aborigines praktiziert wurde und schließlich in Europa selbst alle Grenzen sprengte. Die Vernichtung von 'minderwertigen' Gruppen war in die Lebensgewohnheiten eingegangen.-- Rosa Amelia Plumelle-Uribe
Erst mit Hitler wendete sich die "weiße Rasse" gegen sich selbst
Goldhagen stellte fest, die "ganz gewöhnlichen" Massenmörder einte, dass sie Deutsche gewesen seien. Ähnliche Vereinfachungen nutzt auch
Plumelle-Uribe, indes geht sie viel weiter: Alle Täter der von ihr aufgezählten Massenmorde - das Wort Völkermord etablierte sich ihr zufolge erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges - seien weiße Europäer
beziehungsweise deren Nachfahren gewesen. Und da sie die Ureinwohner der anderen Kontinent als "Untermenschen" ansahen, die teils schlechter als Vieh behandelt und ähnlich wie dieses im Sklavenhandel verkauft wurden, hat die weiße Rasse sich nie der eigenen Vergangenheit gestellt. Die Autorin verweist hier auch auf den bis heute in den USA und in Europa noch vorherrschenden Rassismus gegenüber Schwarzen.
Dass laut Plumelle-Uribe erstmals nach der Ermordung der Juden in
NS-Deutschland von einem Völkermord die Rede war, der moralisch und rechtlich aufgearbeitet werden sollte, liege daran, da jenes Verbrechen die eigene Rasse betraf. Adolf Hitler sei der erste Weiße gewesen, der das Konzept, Gruppen von Menschen als minderwertig zu deklarieren, nicht auf andere Rassen, sondern auf die eigene projizierte. Dafür nutzte er die Einordnung zum "Arier" als höchste Spezies der weißen Rasse, andererseits wurden aber weiße Juden und Osteuropäer zu "Nichtariern", "Untermenschen" und "Ungeziefer" abgewertet. Merkwürdig findet es Plumelle-Uribe
diesbezüglich, dass die Alliierten, darunter die Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien sowie die USA, bei den Nürnberger
Kriegsverbrecherprozessen darauf bedacht gewesen seien, die eigenen blutige Geschichte nicht zu thematisieren.
--In den 1920er-Jahren, als Hitler sein Buch 'Mein Kampf' verfasste, musste die Überlegenheit der weißen Rasse nicht mehr nachgewiesen werden. Gelehrte aller wissenschaftlichen Disziplinen und philosophischen
Richtungen hatten diesen Nachweis bereits geleistet und die Rassentheorie mit der Weihe
wissenschaftlicher Wahrheit versehen. (...) Der Übergang von der 'weißen' zur 'arischen Rasse', den Hitler vollzog, erschütterte die bequeme Gewissheit, die bis dorthin alle Weißen aus ihrer Zugehörigkeit zur Herrenrasse zogen.-- Rosa Amelia Plumelle-Uribe
Jahrhundertlang lebten auch Juden in Europa, oft selbst mit
antisemitischen Klischees belegt, schlecht angesehen, angefeindet, verfolgt, misshandelt und ermordet. Dennoch waren sie ein Teil der europäischen Kultur und der "weißen Rasse", womit wir zu einem der wohl unbequemsten Punkte in Plumelle-Uribes Buch kommen.
Im und nach dem Holocaust fanden viele der jüdischen Überlebenden Zuflucht im Nahen Osten, später wurde der Staat Israel gegründet und es wanderten US-amerikanische Juden ein. Für die Autorin unvorstellbar ist es daher, dass Diplomaten, hochrangige Regierungs- und Wirtschaftsvertreter des "gelobten Landes" trotz der Shoa neben den Kolonialmächten und Deutschland gute Handelsbeziehungen zu dem nationalistischen und rassistischen Apartheid-Regime Südafrikas unterhielten. Ebenso verweist sie darauf, dass Juden rassistischen Klischees oder gar Ausrottungsphantasien gegenüber Arabern nachhängen.
Der Frage, ob "die Wilden" allerorten friedlicher miteinander lebten, ehe die Europäer ihre Auffassung von Zivilisation exportierten, geht
Plumelle-Uribe nicht nach. Es würde auch zu sehr daran erinnern, ob denn nun das Huhn oder das Ei zuerst da waren. Lenkt man indes den Focus in den Sudan oder blickt auf die Massaker in Ruanda zurück, muss man -
zynischerweise - zumindest eines feststellen: Die europäisch-weiße "Schule" war ein grundsolides, weltweit äußerst erfolgreich exportiertes Lehrstück.
LINKS
(1) http://www.rotpunkverlag.ch
Telepolis Artikel-URL:
http://www.telepolis.de/r4/artikel/18/18491/1.html
http://www.rotpunktverlag.ch/cgibib/germinal_shop.exe/VOLL?session_id=3… Ausschluss, Verbannung und Vernichtung ganzer Völker ist fester
Bestandteil der europäischen Zivilisation - oder Barbarei Eine der Thesen dieses Buches lautet: Mit Hitler ist nur etwas ans Licht gekommen, was lange zuvor seinen Anfang genommen hat, eine rassistische Grausamkeit und ein System der Vernichtung von Menschen, die bis dahin nur die
kolonialisierten, also nicht weißen Völker kennen gelernt hatten.
Die kolumbianische Publizistin Rosa Amelia Plumelle-Uribe analysiert den Holocaust vor dem Hintergrund einer eigentlichen europäischen »Kultur der Vernichtung« und zeigt einleuchtend, wo die Rassenpolitik der Nazis in der Tradition des Kolonialrassismus steht und wo sie aus ihr ausbricht. Dabei gerät sie nie in die Falle einer Relativierung der Naziverbrechen; die Autorin zeigt vielmehr, dass bei den Deutschen, die nie ein nennenswertes Kolonialreich besaßen, auf einmal – wie durch ein europäisches
Langzeitgedächtnis übermittelt – Verhaltensweisen auftauchten, wie sie die Ausrottung der Indianer und die Versklavung der Schwarzen in früheren Jahrhunderten begleitet hatten. Untersucht werden auch neuere Ausprägungen des weißen Herrenmenschendenkens wie etwa die südafrikanische
Apartheid-Politik oder die US-Rechtsprechung mit ihren rassistischen Strukturen.