Protest gegen Isolation
Demonstrieren Flüchtlingsfrauen und Unterstützerinnen in Potsdam gegen diskriminierende Unterbringung in Sammelunterkünften
Von Anna Bock
Wer in die BRD kommt, wird bestraft: Mit Heiminternierung und Arbeitsverbot – wie in dieser Unterkunft in Anklam/ Mecklenburg-Vorpommern
Foto: Christian Ditsch/version-foto.de
Flüchtlinge haben in Deutschland sehr eingeschränkte Rechte. Sie dürfen nicht arbeiten und bekommen weniger Geld als den Hartz-IV-Satz. Wegen der sogenannten Residenzpflicht müssen sie jedes Mal einen Antrag stellen, wenn sie ihren Landkreis verlassen wollen. Die Flüchtlingsheime liegen oft sehr abgeschieden.
Gegen diese einschränkenden und diskriminierenden Regelungen richtet sich eine Demonstration am 8. März im Potsdam, zu der die Gruppe Women in Exile (WIE) aufruft. Die in WIE zusammenarbeitenden Flüchtlingsfrauen befassen sich »mit den Problemen von Flüchtlingen aus der Sicht von Frauen« und bekämpfen Gesetze, »die gegen die Emanzipation von Frauen und Kindern gerichtet sind«, schreiben sie in ihrem Blog. Im Demoaufruf beziehen sie sich ausdrücklich auf die 100jährige Geschichte des Internationalen Frauentages als Kampftag gegen »Unterdrückung, sexuelle Gewalt und Krieg, für das Frauenwahlrecht, bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, für Gleichheit und gegen Kapitalismus und Rassismus«.
Im WIE-Aufruf zur Kampagne »Keine Lager für Flüchtlingsfrauen!« werden alle Facetten der Wohnsituation problematisiert: die isolierte Lage, die räumliche Enge, der schlechte Zustand der Gebäude, der oft jahrelange Aufenthalt in den Wohnheimen. Und die Tatsache, daß all das für Frauen und Kinder besonders belastend, erniedrigend und gefährlich ist. Die Initiatorinnen fordern deshalb generell die Unterbringung von Frauen und ihren Kindern in Wohnungen und die sofortige Schließung der Sammelunterkünfte.
Unterstützt wird die Kampagne vom Flüchtlingsrat Brandenburg, von der Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und MigrantInnen (KUB), der Antirassistischen Initiative (ARI), der »Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen«, der Initiative gegen das Chipkartensystem, dem Hausprojekt Scherer 8 und den Gruppen »Feministnetworking« sowie »Refugees emancipation«.
Kritisiert wird die menschenunwürdige Unterbringung auch vor dem Hintergrund, daß die Heimbewohner vor den unerträglichen Bedingungen in ihren Herkunftsländern geflohen sind und daß die Isolation ihre psychische Belastung verschärft. Zudem erschwert die Lage der Häuser fernab von Ortschaften die Organisation des täglichen Lebens, während rassistische Angriffe erleichtert werden. Die Enge in den Wohnheimen erzwingt ein Zusammenleben völlig unterschiedlicher Menschen. Rückzugsmöglichkeiten und Privatsphäre existieren nicht. Frauen haben es schwer, sich vor sexistischen Übergriffen zu schützen. Retraumatisierungen, ein Leben in Angst und Abhängigkeit sind die Folgen.
Die Residenzpflicht wurde zwar auf Druck der Betroffenen in Berlin und Brandenburg gelockert, abgeschafft ist sie jedoch nicht. Um Druck auf die Verantwortlichen auszuüben, hat die Gruppe im Februar eine Dokumentationsbroschüre über die Heime in Bandenburg herausgegeben, die auf dem Blog von »Women in Exile« heruntergeladen werden kann.
Auftaktkundgebung am 8. März um 16.30 Uhr in Potsdam, Breitscheidt-/Ecke Karl-Liebknecht-Str. (nahe S-Bahnhof Babelsberg).
Treffpunkt für Berliner Demoteilnehmerinnen: 15.30 Uhr am Brunnen auf dem Alexanderplatz. Solidarische Männer sind – außerhalb des »FrauenLesbenTrans«-Blocks – willkommen.
04.03.2011 / Feminismus / Seite 15Inhalt
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