Zur Beziehung der Dessauer Polizei zum rechten Mob und ihre Vertuschungstrategie...und am Ende eine Passage zu Oury Jalloh schreibt der Spiegel:
SPIEGEL ONLINE - 07. Juli 2007, 09:14
URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,491935,00.html
POLIZEI-AFFÄRE Warum drei erfolgreiche Neonazi-Bekämpfer ihre Jobs verloren
Von Nico Wingert, Dessau
"Man muss nicht alles sehen", soll Dessaus Polizei-Vizechef drei Staatsschützern mit Blick auf den Kampf gegen Rechts gesagt haben. Die wunderten und wehrten sich - und wurden versetzt. Protokoll einer absurden Affäre, die bald einen Untersuchungsausschuss beschäftigt.
Dessau - Kriminalkommissar Christian Kappert, 29, versteht die Welt nicht mehr.
Die Polizeidirektion Dessau hat ihn versetzt - zur Verkehrspolizei. Er darf jetzt "Autos blitzen" oder "mal einen Asylbewerber zum Flughafen begleiten", wie er es selbst beschreibt. Noch vor wenigen Wochen jagte Kappert in Dessau rechtsextreme Straftäter, als Staatsschützer im Fachkommissariat 4.
DDP) Neonazi-Aufmarsch in Dessau (im März 2005): Bremste der Polizei-Vizechef seine Staatsschützer?
Er und seine Kollegen waren erfolgreich: Rund 600 Ermittlungsverfahren bearbeiteten sie allein im Jahr 2006, mit einem Anstieg von über 60 Prozent auf 392 Delikte verzeichnete Dessau unter den sechs Polizeidirektionen in Sachsen-Anhalt den stärksten Zuwachs rechter Kriminalität - auch weil die Staatsschützer den rechtsextremen Hintergrund vieler Straftaten überhaupt erst aufdeckten, weil Kappert und Co. genau hinsahen.Zu genau? Wurde Kappert - und nicht nur er - abgezogen, weil er in den Augen eines Vorgesetzten zu eifrig gegen den braunen Sumpf in der Stadt vorging - ein Sumpf, so tief, dass einige womöglich nicht so gern darin herumstochern? Um diese zentrale Frage dreht sich die Affäre, mit der sich die Dessauer Polizei nun schon seit einigen Monaten herumplagt. Eine Affäre, die das Magdeburger Innenministerium so gerne für beendet erklären würde, die nun aber sogar den Generalstaatsanwalt von Sachsen-Anhalt beschäftigt. Es geht um die Rolle der Polizei im Kampf gegen Rechtsextremismus, um Vorwürfe gegen einen der ranghöchsten Polizeibeamten des Landes und um absurde Ermittlungsverfahren.
Mit Kappert verließen noch zwei weitere Kollegen unfreiwillig den Staatsschutz: Sein damaliger Vorgesetzter, Kriminalrat Sven Gratzik, 37, und dessen Stellvertreter Swen Ennullat, 31. Gratzik drängte nach Kapperts Versetzung selbst auf sein Ausscheiden, derzeit ist er freigestellt. Ennullat wollte eine Polizeihochschule besuchen, dies wurde ihm zunächst verwehrt. Mit einer einstweiligen Verfügung des Verwaltungsgerichts vom vergangenen Freitag konnte er sich vorerst gegen die Polizeidirektion durchsetzen.
"Unser Vergehen war offensichtlich, dass wir zu genau in der rechten Szene ermittelt haben", vermutet Kappert. Das schlussfolgern die drei aus einem Gespräch mit Dessaus Polizei-Vize Hans-Christoph Glombitza, 56, am 5. Februar dieses Jahres. Die etwa zweistündige Unterredung über die Arbeitsbelastung der Staatsschutzabteilung hatte Kappert, Gratzik und Ennullat derart beeindruckt, dass sie im Anschluss ein Gedächtnisprotokoll anfertigten und unterzeichneten, welches im Petitionsausschuss des Landtages landete.
"Man kann einen Bericht auch langsamer schreiben"
Denn was das Trio aus der Erinnerung zu Papier brachte, würde - wenn es sich tatsächlich so zugetragen hat - kein gutes Licht auf das Amtsverständnis des Polizei-Vizes werfen. So soll Glombitza seinen Leuten nahe gelegt haben, beim Kampf gegen Rechtsextremismus nicht zu eifrig zu sein. "Als persönliche Einschätzung merkte Herr Glombitza an, 'dass man nicht alles sehen müsse'", heißt es im Protokoll. Auf die Frage eines der Staatsschützer, ob Glombitza sie auffordere, künftig "die Einleitung von Ermittlungsverfahren zu unterlassen oder die Dienstwahrnehmung grundsätzlich zu reduzieren", habe dieser geantwortet, man könne einen Bericht "ja auch langsamer schreiben". Glombitza "gestikulierte dabei das Tippen auf der PC-Tastatur mit nur zwei Fingern", erinnern sich die Polizisten.
Weiter soll Glombitza angedeutet haben, Innenministerium, Landeskriminalamt und alle Polizeidirektionen seien "nicht glücklich" mit dem Anstieg rechter Straftaten.
Dadurch werde das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung empfindlich gestört und "das Ansehen unseres Landes könnte nachhaltig geschädigt werden", heißt es in dem Protokoll. Auf Nachfrage der Beamten, was denn mit der Initiative des Landes gegen Rechtsextremismus, "Hingucken!", sei, habe Glombitza abgewunken: "Aber das ist doch nur für die Galerie..."
Die Kampagne hatte die Landesregierung erst vor wenigen Monaten aufgelegt - vor dem Hintergrund mehrerer Aufsehen erregender rechtsradikaler Zwischenfälle und einer unrühmlichen Spitzenposition Sachsen-Anhalts in den einschlägigen Statistiken. Das Land hat laut Verfassungsschutzbericht auf die Bevölkerung bezogen die meisten Straftaten mit rechtsextremen Hintergrund in Deutschland zu verbuchen. Spitzenreiter ist Dessau: Die Anzahl der rechtsextremer Delikte stieg hier von 141 (2004) auf 238 (2005) bis 392 (2006).
Auffällig ist, dass gerade seit Dienstbeginn der Staatsschützer Gratzik, Kappert und Ennullat im August 2004 immer mehr solcher Taten aufgeklärt wurden. Offenbar brachten die Ermittler auch Vorgänge ans Licht, die vorher nicht in die Statistik eingeflossen waren. "Ihr besonderer Verdienst war es", so glaubt Steffen Andersch, 36, von der Dessauer Civitas-Netzwerkstelle gegen Rechts, "die Straftaten mit rechtsextremen Zusammenhängen in Verbindung zu bringen". Bislang hätte die Polizei diese oft als Auseinandersetzungen unter Jugendlichen abgetan.
Polizei-Vize steht zu Aussagen
Hat Polizei-Vize Glombitza versucht, die Staatsschützer zu bremsen, um den Ruf Sachsen-Anhalts und Dessaus als braune Hochburg nicht weiter zu verfestigen? Das Innenministerium beauftragte den Rektor der Fachhochschule der Landespolizei in Aschersleben, Rainer Nitsche, den Vorwürfen der Staatsschützer intern nachzugehen.
"Die Zitate stimmen überwiegend, Glombitza steht auch dazu", erklärte dieser später.
Sie seien aber aus dem Zusammenhang gerissen. "Kritikwürdig und fehlerhaft" sei das Verhalten des Leitenden Polizeidirektors dennoch. Aber ein Dienstvergehen? Nein.
Dem "Tagesspiegel" sagte Nitsche, Glombitza habe "einen komplexen Sachverhalt überspitzt und verkürzt dargestellt". Deshalb könnten seine Äußerungen bei den drei Staatsschützern "falsch angekommen sein". Zum Beispiel die Bemerkung zur "Hingucken!"-Kampagne: Dass diese nur für die Galerie sei, habe Glombitza anders gemeint. Er habe sagen wollen, die Kampagne bringe nichts, wenn sie nicht durch weitere Maßnahmen, zum Beispiel Lehrerfortbildung, ergänzt werde.
Vorsichtshalber bat Dessaus Polizeipräsidentin Brigitte Scherber-Schmidt auch die Staatsanwaltschaft um Prüfung des Verdachts auf Strafvereitelung im Amt. Doch Oberstaatsanwalt Folker Bittmann sah keinen Grund zu ermitteln. Glombitza habe "alles andere bezweckt, nur nicht, Ermittlungen gegen Straftäter mit rechtsradikalen Hintergrund zu behindern", ließ der Chef der Anklagebehörde erklären und bezog sich dabei auf das Gedächtnisprotokoll der Ex-Staatsschützer. Persönlich hat der Ermittler die drei nie gehört.
Bittmann wehrt sich vehement gegen den Vorwurf, Polizei oder Staatsanwaltschaft seien auf dem rechten Auge blind. "Andererseits", schränkt er gegenüber SPIEGEL ONLINE ein, müsse man nicht "wegen eines Hakenkreuzes auf einem Stromverteiler noch die getrocknete Farbe abkratzen, um zu ermitteln. Die Täter sind doch längst weg".
Angeblich hätten die drei Staatsschützer ohnehin "Bearbeitungsrückstande" gehabt.
Ein Vorwurf, den Kappert energisch bestreitet.
Groteske Züge nimmt die Affäre nun an, da die Staatsanwaltschaft zwar nicht gegen Polizei-Vize Glombitza, wohl aber von Amts wegen gegen den ehemaligen Staatsschützer Kappert ermittelt - wegen des untauglichen Versuchs der Strafvereitelung im Amt.
Wenn Kappert die Äußerungen Glombitzas für strafrechtlich relevant gehalten habe, dann hätte er nach Verständnis des Oberstaatsanwaltes Anzeige gegen den Polizei-Vize stellen müssen - egal, ob die Anklagebehörde selbst in Glombitzas Aussagen keine Straftat erkennt. Gleichzeitig betonte Bittmann eilig, auf keinen Fall gehe es aber darum, einen couragierten Beamten für sein Engagement oder dafür abzustrafen, dass er möglicherweise Missstände aufgedeckt hätte.
Mit dem Ermittlungsverfahren gegen den Ex-Staatsschützer hat die Affäre nun noch einmal eine überraschende Wende erhalten. Jüngst waren die Ex-Staatsschützer zum Kader-Gespräch ins Innenministerium bestellt. Dabei sollten die drei laut Ministerium "zukünftige Einsatzwünsche" äußern. Das Gespräch ist laut dem ARD-Magazin "Panorama" für sie nicht erfolgreich verlaufen - es gibt keine Rückkehr in den Staatsschutz.
Zudem schaltete Kappert Sachsen-Anhalts Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad ein.
Anzeigen gegen Polizeidirektorin Scherber-Schmidt wegen des Verdachtes der Verfolgung Unschuldiger und gegen Oberstaatsanwalt Bittmann wegen versuchter Strafvereitelung im Amt gingen am Montagmorgen in Naumburg ein. Die Polizeidirektion Dessau hat den betroffenen Kollegen aus dem Fachkommissariat 4 einstweilen einen Maulkorb verpasst. Keiner der Männer bekomme die Erlaubnis zu reden, hieß es aus der Behörde gegenüber SPIEGEL ONLINE. Intern gelten die drei Ex-Staatschützer inzwischen als "Nestbeschmutzer", die den "Korpsgeist der Polizei" missachten, sagt Kappert.
"Doch wir brauchen die Öffentlichkeit, wir wollen, dass die Wahrheit ans Licht kommt."
Ein Rechtsextremer ist ein Rechtsextremer
Die Polizei in Dessau wird sich noch viele Fragen gefallen lassen müssen. Denn die Affäre um Polizei-Vize Glombitza und die drei versetzten Staatsschützer ist nicht die erste und einzige, die die Direktion belastet. Im Innenministerium in Magdeburg liegt seit einigen Tagen eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen drei Beamte – und wieder geht es um deren zweifelhaften Umgang mit dem Rechtsextremismus.
Ausgangspunkt: Eine Info-Veranstaltung des von der Bundesregierung finanzierten Civitas-Mitarbeiters Steffen Andersch. Dieser referierte nach einem Überfall vermutlich durch Rechtsextreme im Örtchen Bergwitz über die rechtsradikale Szene im Landkreis Wittenberg. Dabei zeigte Andersch das Foto eines lokalen NPD-Mannes, der für die Rechtsextremen auch zur Bundestagwahl 2005 kandidierte. Ein an jenem Abend anwesender Dessauer Polizeioberrat sah sich veranlasst, auf der Wache später eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz zu verfassen - weil Andersch nicht um Erlaubnis des Betroffenen gebeten hatte, das Bild zu zeigen.
Pikant: Die absurde Anzeige delegierte der Polizeioberrat auf dem Dienstweg nach unten. Ausgerechnet Staatschützer Kappert musste die Anzeige schreiben, "auf Befehl von oben", rechtfertigt sich dieser - höchstpeinlich sei ihm das. Bei der Zeugen-Befragung soll ein Beamter den vorgeladenen NPD-Mann dann noch ermuntert haben, zusätzlich Anzeige wegen übler Nachrede gegen Andersch zu erstatten. So geht es aus den Akten hervor, die Anderschs Berliner Anwalt Volker Gerloff vorliegen.
Erst ermittelte der Staatsschutz, später die Staatsanwaltschaft, die stellte das Verfahren jüngst ein, nun folgte Anderschs Dienstaufsichtbeschwerde. Es sei nicht hinnehmbar, "dass es ein Polizist es ernsthaft als üble Nachrede ansieht, wenn Rechtsextreme als Rechtsextreme bezeichnet werden", so Anwalt Gerloff.
Mysteriöser Fall Oury Jalloh
Die Affären in Dessau scheinen zur Fortsetzungsgeschichte zu werden. Längst noch nicht abgeschlossen ist auch der Fall Oury Jalloh. Das Dessauer Landgericht versucht derzeit zu klären, warum der 23-jährige Asylbewerber aus Sierra Leone im Januar 2005 in einer Arrestzelle der Polizei verbrannte. Zwei Polizisten sind wegen Körperverletzung mit Todesfolge beziehungsweise fahrlässiger Tötung durch Unterlassen angeklagt. Das Feuer soll Jallow selbst entzündet haben - obwohl er an Händen und Füßen gefesselt war.
Mehrfach platze Richter Manfred Steinhoff im Prozess der Kragen: Offen zog er die Aussagen der Dessauer Polizisten in Zweifel und drohte: "Die Polizisten, die falsch ausgesagt haben, die kriege ich. Schließlich leben wir in keiner Bananenrepublik, sondern in einem Rechtsstaat." Ein Ende des Prozesses ist nicht abzusehen.
Gleiches gilt für die Glombitza-Affäre. Die Linksfraktion im Magdeburger Landtag will die ganze Affäre von einem Untersuchungsausschuss beleuchten lassen. Es sei ein Skandal, wie mit drei Staatsschutzbeamten umgegangen werde, verkündete Fraktionschef Wulf Gallert.
Unterstützer braucht die Linke für den Untersuchungsauftrag nicht: Mit ihren 26 Abgeordneten kann sie ein solches Gremium im Alleingang durchsetzen. Doch inzwischen sollen auch Abgeordnete von CDU und SPD ernsthaft über einen Untersuchungsausschuss nachdenken, heißt es in Parlamentskreisen. Das alles dürfte Polizei-Vize Glombitza selbst kaum noch tangieren: Er hat sich in den Urlaub verabschiedet und geht ab 1. August in den Vorruhestand.
http://www.welt.de/politik/article1004439/Die_Polizisten_waren_fuehrerl…
Überfall in Halberstadt
Die Polizisten waren führerlos und überfordert Nach dem Neonazi-Überfall auf eine Theatergruppe vor vier Wochen hat es schwere Fehler der eingesetzten Polizeibeamten gegeben. Auch die Betreuung der teils schwer verletzten Überfallopfer lief nicht optimal.
Demonstration in Halberstadt nach rechtsextremistischen Ueberfall Das geht aus einem Untersuchungsbericht der Polizei hervor. Demnach waren nach dem Überfall zwar rasch Beamte am Tatort, mit der Situation wegen fehlender Führung durch einen Vorgesetzten aber überfordert.
Unter anderem wurde ein einschlägig vorbestrafter Verdächtiger, der sich in der Nähe des Tatortes befand, nicht festgenommen, obwohl er von Überfallopfern wiedererkannt worden war. Auch die Betreuung der teils schwer verletzten Überfallopfer lief dem Bericht zufolge nicht optimal.
Etwa acht Rechtsextremisten hatten Mitglieder des örtlichen Theaterensembles am 9. Juni nach einer Premierenfeier brutal verprügelt. Fünf Opfer im Alter von 19 bis 32 Jahren erlitten Rippen- und Kieferverletzungen, Nasenbeinbrüche und Augenverletzungen. Vier mutmaßliche Täter im Alter zwischen 22 und 29 Jahren wurden bisher ermittelt. Der zuständige Dienstgruppenleiter der Polizei war nach dem Überfall von seiner Position entbunden worden.
Der Untersuchungsbericht wurde im Auftrag der Halberstädter Polizeipräsidentin Christiane Marschalk vom Leiter des Polizeireviers Quedlinburg erstellt. Dieser kommt zu dem Schluss, dass es bei dem Einsatz keinerlei Koordination und Führung gegeben habe. Daher sei es zu einer verfehlten Lage-Einschätzung gekommen. Ein Tatverdächtiger sei zunächst nicht festgenommen worden, weil die kontrollierenden Beamten nicht alle polizeilichen Informationssysteme genutzt hätten.
Kritisiert wird auch, dass der Tatort nach dem Überfall nicht abgesperrt wurde. Ein Teil der Überfallenen sei von den Polizisten ohne Sicherung am Tatort zurückgelassen worden, so dass die Opfer kurze Zeit später erneut mit zurückgekehrten Schlägern zusammentrafen.
Laut Bericht erfüllen die Vorgänge nicht den Tatbestand der Strafvereitelung im Amt. Abschließend müsse das jedoch die Staatsanwaltschaft bewerten. Die vier inzwischen gefassten Tatverdächtigen sind unter anderem wegen Köperverletzung und Verwendens von Nazisymbolen vorbestraft. Sie waren laut Staatsanwaltschaft zum Tatzeitpunkt unter Bewährung auf freiem Fuß. Jetzt warten sie in Untersuchungshaft auf ihren Prozess wegen gefährlicher Körperverletzung.
Weiterführende links
* Die Hilflosen von Halberstadt
http://www.welt.de/politik/article966882/Die_Hilflosen_von_Halberstadt_…
* Dem Haupttäter droht eine Haftstrafe
http://www.welt.de/politik/deutschland/article948932/Dem_Haupttaeter_dr…
* Schwere Vorwürfe der Zeugen gegen die Polizei
http://www.welt.de/politik/article938161/Schwere_Vorwuerfe_der_Zeugen_g…
* Halber Mut in Halberstadt
http://www.welt.de/politik/article940998/Halber_Mut_in_Halberstadt.html
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http://www.volksstimme.de/vsm/nachrichten/sachsen_anhalt/?sid=d98fc38e8…
Bericht zum Polizeieinsatz nach Überfall Untersuchung listet Reihe von Fehlern auf
Von Tom Koch
Halberstadt. Gleich mit einer Reihe von Fehlern, Pannen und Verstößen sieht sich die Halberstädter Polizei konfrontiert. Ein gestern veröffentlichter interner Bericht der Vorgänge vom 9. Juni stellt den Beamten ein schlechtes Zeugnis aus. Damals hatten in den frühen Morgenstunden rechtsextreme Schläger eine 15-köpfige Theatergruppe grundlos überfallen und dabei fünf Männer im Alter von 19 bis 32 Jahren so schwer verletzt, das zwei ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten.
Unmittelbar nach dem Überfall hatte Polizeipräsidentin Christiane Marschalk Fehler ihrer Beamten eingeräumt, sich bei den Opfern entschuldigt, den Diensthabenden aus dem Halberstädter Revier in den Innendienst strafversetzt und eine interne Untersuchung in Auftrag gegeben. Darin gibt es einzig einen positiven Aspekt am Einsatzverhalten : Bereits eine Minute nach Eingang des Notrufes war die Polizei am Tatort. Doch dann reiht sich ein Vergehen ans andere : Täter wurden nicht verfolgt, Spuren blieben ungesichert, ein einschlägig vorbestrafter Tatverdächtiger wurde zwar oberfl ächlich kontrolliert, dennoch wieder laufen gelassen. Zudem überließen die Polizisten die Opfer sich selbst, so dass diese später erneut den rechten Schlägern begegneten.
Im Bericht heißt es an mehreren Stellen, die sechs Beamten seien " mit der Situation überfordert " gewesen, weil es " vor Ort keine Führung und Koordination ihres Einsatzes " und dadurch " eine verfehlte Lageeinschätzung " gegeben habe. Für die Streifenpolizisten gibt es keine dienstrechtlichen Konsequenzen. Über den Vorwurf einer " Strafvereitelung im Amt " soll die Staatsanwalt befi nden.
War bislang stets von acht beteiligten Neonazis die Rede, so hieß es gestern " mindestens vier Rechtsextreme ". Diese vier Halberstädter, allesamt wegen Körperverletzung vorbestraft und zum Tatzeitpunkt unter Bewährung stehend, wurden binnen einer Woche nach ihrer Attacke festgenommen. Die Staatsanwaltschaft hat gegen sie Anklage erhoben, in der Untersuchungshaft warten sie auf die Gerichtsverhandlung.
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http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/artikel.php?id=85&kat=85&artikeli…
Eine verpasste Chance Warum Halberstadt absehbar in den Schlagzeilen bleibt
Von Rainer O. Neugebauer, Professur für Sozialwissenschaften an der FH Harz und Mitglied im Bürger-Bündnis für ein gewaltfreies Halberstadt
In Halberstadt hat eine Stadtratsmehrheit dringend benötigte Mittel für Jugend und Sozialarbeit verweigert. Das dürfte die örtlichen Neonazis freuen.
Einen knappen Monat nach dem Neonaziüberfall auf Schauspieler in Halberstadt am 9. Juni hätten die Verantwortlichen im Stadtrat eine erste konkrete Maßnahme zur Trockenlegung des braunen Sumpfes beschließen können. In die Stadtratssitzung am Mittwoch, den 4. Juli 2007, hat die FORUM-Fraktion zum wiederholten Male die Rücknahme der fast 50%igen Kürzungen bei der sozialen und kulturellen Vereinsförderung gefordert. Die Mittel für die Kinder, Jugend- und Sozialarbeit sollten wieder auf den Stand von 2004 angehoben werden, es handelt sich um 88.200 €. Die CDU/FDP-Fraktion und fast alle SPD-Stadträte lehnten dies mit ihrer Mehrheit ab. Da half auch die Unterstützung der GRÜNEN/ödp, der Bürgervereinigung BUKO und großer Teile der PDS nichts.
Besonders irritiert waren die Befürworter des Antrags, daß dieses unverantwortliche Festhalten an der Kürzung der Vereinsförderung völlig kommentarlos geschah. In der gleichen Stadtratssitzung wurden nämlich, angesichts einer vorgeschlagenen Verringerung der Aufwandsentschädigung um 25 € für die Stadträte selber, wortreich die Gefährdung der Demokratie beschworen und für eine umstrittene Straßenverschwenkung ohne große Bedenken über 400.000 € Eigenanteil bewilligt. Schon eine Woche vorher wurde der FORUM-Antrag im Hauptausschuß mit 3:3 Stimmen abgelehnt, aber immerhin noch vom PDS-Oberbürgermeister Andreas Henke, der nach dem Nazi-Überfall die Schirmherrschaft des Bürger-Bündnisses für ein gewaltfreies Halberstadt übernommen hatte, unterstützt. In der Stadtratssitzung ist er allerdings umgekippt und hat sich wortlos enthalten.
Gerade erst - nach dem gewaltsamen Überfall junger Neo-Nazis auf Theaterkünstler in Halberstadt, wurde die Befürchtung laut, daß man unter politischen Veranzwortungsträgern der Stadt wieder einmal in erster Linie über den Image-Schaden für die Stadt empört sein könnte und daß außer wohlfeilen Lippenbekenntnissen, man sei ja gar nicht braun, nur wenig konkrete, praktische und endlich nachhaltige Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus in Halberstadt ergriffen würden. Nach dem Stadtratsbeschluß zum Festhalten an der Kürzung der sozialen Vereinsförderung scheinen sich diese Befürchtungen leider zu bestätigen. ,Business as usual' bis wieder Blut fließt?
Lesen Sie dazu auch Volksstimme vom 6.7.
http://www.volksstimme.de/vsm/nachrichten/lokales/halberstadt/?em_cnt=3…
Vor einem Jahr in Halberstadt: nach einem Neonaziaufmarsch kehren Bürger die Straße symbolisch von braunen Spuren. Doch verändert hat dies nicht viel. Link im Bild Professor O. Neugebauer, er lehrt Sozialwissenschaften mit den Schwerpunkten Politikwissenschaft und Staatsrecht an der FH Harz.
Unmittelbar nach dem Überfall vom 9. Juni hatte Rainer Neugebauer kommentiert:
Der brauen Mob schlägt wieder zu
In der Nacht vom Freitag auf Samstag, den 9. Juni 2007, wurden in Halberstadt mehre Künstler des Nordharzer Städtebundtheaters auf dem Heimweg brutal überfallen und krankenhausreif zusammengeschlagen. Die mutmaßlichen Täter sind zum Teil als Rechtsextreme bekannt und nach Aussagen der Polizei einschlägig vorbelastet. Unser Mitgefühl und unsere Solidarität gilt den überfallenen und verletzten Theatermitarbeiter. Es sind nicht die einzigen Opfer rechter Gewalt in den letzten Jahren in Halberstadt. Es sei nur an die bekanntesten Vorfälle erinnert, bei denen Rechtsextreme und Neo-Nazis die Täter waren: Im April 2000 kommt ein 60jähriger Mitbürger durch Messerstiche zu Tode. Im August 2003 wird bei einem brutalen Überfall auf das Jugendzentrum ZORA ein junger Halberstädter durch Tritte gegen den Kopf schwer verletzt. Am Himmelfahrtstag 2005 werden ein Schwarzafrikaner und ein Polizist, der ihm helfen will, am Bahnhof Halberstadt zusammengeschlagen; nur wenige der umstehenden Zuschauer zeigen Zivilcourage.
Bei dem neuerlichen gewaltsamen Überfall der Rechten zeigt sich, dass die Parolen der Neo-Nazis und Rechtsextremen immer wieder auf furchtbaren Boden fallen. Die braunen Schläger setzten die Propaganda der NPD praktisch und gewaltsam um: Den Hass auf Andersdenkende und auf solche, die nicht in die nationale Vorstellungswelt der Rechten passen, die Ausländerfeindlichkeit, den Rassismus und den Antisemitismus.
Ermutigung für sein gewaltsames Vorgehen findet der braune Mob auch bei dem bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein verbreiteten rechtsextremistischen Gedankengut. Forderungen, wie die nach Bulldozern, die G-8-Kritiker in das Rostocker Hafenbecken kippen sollen -- so in einem Leserbrief der letzen Woche, oder Stammtischparolen wie ,Ohne die ZORA gäbe es keine Rechten in Halberstadt' sind ebenfalls Wasser auf die Mühlen rechter Schläger.
Ich hoffe, dass die Empörung über den neuerlichen gewaltsamen rechten Übergriff in Halberstadt groß sein wird. Diese Hoffnung ist aber auch mit Befürchtungen verbunden. Die Hoffnung bezieht sich auf die Solidarität mit den Opfern und die Unterstützung für sie. Die Hoffnung bezieht sich auch darauf, daß die übergroße Mehrheit der Halberstädter Bürgerinnen und Bürger rechtsextremes Gedankengut und rechte Gewalt weder in ihrer Stadt noch anderswo dulden will. Und die Hoffnung bezieht sich nicht zuletzt darauf, daß die Politiker und die Verwaltung, die Polizei und die Justiz, die Wirtschaft, die Schulen, die Vereine und viele Bürgerinnen und Bürger sich gegen Neo-Nazis und Rechtsextremismus praktisch engagieren und ihre Aktivitäten verstärken. Die Befürchtungen beziehen sich auf die Frage, ob ein rechter Überfall auf einen echten Punker eine ähnlich große Empörung hervorrufen würde, wie der jetzige Überfall auf Schauspieler und Tänzer, von denen einer noch in einem Punkkostüm gesteckt hat. Die Befürchtungen beziehen sich vor allem
darauf, daß man in erster Linie über den Image-Schaden für die Stadt empört sein könnte. Es ist zu einfach nur zu behaupten, wir Halberstädter hätten es nicht verdient, schon wieder in die rechte Ecke gestellt zu werden. Halberstadt ist oft sehr bunt, aber Halberstadt ist auch viel zu oft braun, blutig-braun.
Doch keine ganz normale Herrentagstour - Landgericht verhängt schärfe Strafen wegen Überfalls im Mai 2005 in Halberstadt (6.7.2007):
http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/artikel.php?id=10&kat=10&artikeli…
Dienststellenleiter schuld? Zur neuesten Entwicklung der Ermittlungen wegen des Überfalls von Neonazis auf Schauspieler in Halberstadt (6.7.2007): http://www.zeit.de/news/artikel/2007/07/06/2334452.xml