Presseerklärung 27.11.2008
Leiter der ZAAB Oldenburg und Innenministerium bringen Kritiker der niedersächsischen Flüchtlingspolitik vor Gericht
Am 18.12.2008 um 9:00 findet vor dem Amtsgericht Oldenburg ein Prozess gegen einen antirassistischen Aktivisten statt. Ihm wird vorgeworfen ein Flugblatt verteilt zu haben, in dem der Leiter der ZAAB Blankenburg Christian Lüttgau als „Lagerleiter“ und „rassistische Autorität“ bezeichnet wird. Dieses bietet die Grundlage für eine Anklage wegen
Beleidigung. Bezug genommen wird auf eine Kinovorführung am 30.01.2008 im Kino Casablanca in Oldenburg, bei der Mitarbeiter des Flüchtlingslagers Blankenburg, jedoch keine Flüchtlinge zur Diskussion eingeladen waren. Etwa 20 Flüchtlinge und Nicht-Flüchtlinge protestierten dort friedlich gegen ihren Ausschluss von der Diskussion.
Helga Hanic vom Antirassistischen Plenum Oldenburg/Blankenburg erklärt hierzu: „Die Bezeichnung 'Lager' für die Unterbringung von Flüchtlingen in Massenunterkünften wie in der ZAAB Blankenburg ist durchaus angebracht“. Aufgrund von Kritik an der Unterbringungsform von Flüchtlingen wurde die Bezeichnung Lager in z.B. 'Ausreisezentrum' geändert. Dies ist lediglich eine Beschönigung der Realität.
Ausreisezentrum war 2002 in der engeren Auswahl zum Unwort des Jahres als „eins der leider zahlreichen Unwörter im Zusammenhang mit der Behandlung von Asylbewerbern“, so die Unwortjury. Die Massenunterkünfte für Flüchtlinge, wie sie derzeit in Niedersachsen in Bramsche-Hesepe, Braunschweig und Blankenburg vorzufinden sind, sind Ergebnis der
Migrationspolitik des Landes Niedersachsen. Vergleiche mit den Konzentrationslagern aus der Zeit des NS-Regimes sind hingegen verfehlt, da sie dem Leid der damaligen Opfer bei weitem nicht gerecht werden.
„Ein Vergleich mit dem NS-Regime, wie es mir vorgeworfen wird, steht weder im Flugblatt, noch habe ich es jemals so formuliert, noch lässt es sich aus dem Kontext des
Flugblattes erschließen.“, so der Angeklagte.
Helga Hanic erklärt weiter: „Auch die Verwendung des Begriffs 'rassistische Autorität' für die führenden Angestellten in der ZAAB Blankenburg ist eine treffende Bezeichnung der rassistischen Normalität, der die Flüchtlinge in Blankenburg täglich ausgesetzt sind“. Ziel der
alltäglichen rassistischen Schikane in Blankenburg ist die schnellstmögliche Abschiebung der Flüchtlinge. Durch eine dezentrale Unterbringung würde „ihre Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise“ sinken „und der Aufenthalt“ würde „sich faktisch verfestigen“ (aus dem Brief
des niedersächsischen Innenministers Schünemann an den Rat der Stadt Oldenburg vom 09.01.2007). Dies müsse verhindert werden. Maßnahmen der rassistischen Praxis der Lagerautoritäten beinhalten die Streichung des monatlichen Taschengeldes der Flüchtlinge von 40 Euro aus nichtigen Gründen, sowie die so genannte „Residenzpflicht“, die es Flüchtlingen nicht erlaubt den Landkreis Oldenburg, ohne vorherige G enehmigung, zu verlassen. Erklärtes Ziel der niedersächsischen Flüchtlingspolitik ist die 'freiwillige Ausreise' der Flüchtlinge, die über schikanöse Maßnahmen erreicht werden soll. Von einer 'freiwilligen
Ausreise' (Unwort des Jahres 2006) kann daher nicht die Rede sein.
„Wir schätzen den Sachverhalt insgesamt daher so ein, dass die Landesregierung hier versucht politisch unliebsame Meinungsäußerungen zu kriminalisieren. Eigentlich sollte auf der Anklagebank nicht der Angeklagte, sondern die deutsche Asylpolitik sitzen.“ resümiert Helga Hanic.
Wir laden die kritische Öffentlichkeit ein der Gerichtsverhandlung am 18.12.2008 beim Amtsgericht Oldenburg, Elisabethstr. 6, ab 8:30 Uhr beizuwohnen.