Initiative in Gedenken an Oury Jalloh
Wahrheit, Gerechtigkeit, Entschädigung!
http://initiativeouryjalloh.wordpress.com/
initiative-ouryjalloh(at)so36.net / Mobil: +49 (0)170-8788124
An die Öffentlichkeit // An die Presse // An die Bürgerinnen und Bürger von Dessau
5. Januar 2009
„Meine Ressentiments aber sind da, damit das Verbrechen moralische Realität werde für den Verbrecher, damit er hineingerissen sei in die Wahrheit seiner Untat.“ Jean Améry, Überlebender des Holocausts
IN GEDENKEN AN OURY JALLOH – FÜR AUFKLÄRUNG UND GERECHTIGKEIT
- Demonstration am vierten Todestag von Oury Jalloh am 7. Januar 2009 in Dessau
- Die Polizei plant offenbar neue Provokationen und Attacken auf die Demonstration
- Aufruf zu Wachsamkeit und Beobachtung
7. Januar 2009 um 12 Uhr : Pressekonferenz der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh. Ort: Multikulturelles Zentrum Dessau e.V. Parkstr. 7, 06846 Dessau
Am 7. Januar 2009, zum vierten Todestag von Oury Jalloh kommen wir Familienangehörige, Freunde und andere, die das Schweigen der Gesellschaft gegenüber rassistischen Morden und legalem Ausschluss von Menschen nicht dulden, nach Dessau.
Wir kommen nach Dessau um der Opfer der rassistischen Staatsgewalt zu gedenken. Wir kommen nach Dessau um die Gerechtigkeit zu vertreten. Wir kommen nach Dessau um die Wahrheit zu verteidigen. Wir sagen „Es war Mord!“ und kennen die Schuldigen und klagen sie an. Unsere Waffen sind unsere Worte und unsere Präsenz. Unser Ziel ist das Ende von rassistischen Polizeiübergriffen.
Vor vier Jahren, am 07. Januar 2005, wurde Oury Jalloh Opfer eines rassistisch motivierten Verbrechens. Oury Jalloh verbrannte an Händen und Füßen angekettet auf einer feuerfesten Matratze in einer leeren Zelle im Polizeirevier Dessau. Rassistisch motiviert war bereits die Festnahme Oury Jallohs und ebenso seine Misshandlung durch die Polizisten. Rassistisch war das gesamte Vorgehen der Dessauer Polizisten an diesem 07. Januar 2005, das Oury Jalloh das Leben kostete. Rassistisch war der weitere Verlauf: Es gab keine ernsthafte Untersuchung, sondern lediglich die von allen staatlichen und justiziellen Stellen getragene und vorgetragene Lüge zum Schutz der Täter – Oury Jalloh habe sich selbst angezündet. Doch unsere Stimmen, die seiner Angehörigen, seiner FreundInnen und einer internationalen Öffentlichkeit brachen immer das Schweigen und demaskierten die Lügen über das Verbrechen vom 07. Januar 2005.
Oury Jalloh – das war Mord!
Der Staat, der ein ausgefeiltes System der Diskriminierung, Terrorisierung und Diffamierung von Flüchtlingen und MigrantInnen aufgebaut hat, sah sich durch unsere Stimmen gezwungen, der Forderung nach Aufklärung zumindest scheinbar nachzukommen. Nach über zwei Jahren fand eine fast ebenso lang dauernde Prozessinszenierung statt. Metalldetektoren und Passkopien an jedem einzelnen der 60 Prozesstage sollten die Prozessbeobachter einschüchtern. Ein aufwendiges Schauspiel mit bis zu 70 Polizeizeugen, die sich in Widersprüchen und Lügen gegenseitig übertrafen, trotz ständiger Zeugenberatung und psychologischer Unterstützung durch die Justiz und die Polizeiführung. Im Prozessverlauf zeugten verschwundene Beweismittel, „verloren gegangene“ Dokumente und nicht wirklich „funktionierende“ Brandnachstellungsversuche von der Unhaltbarkeit und der Absurdität der Selbsttötungstheorie. Doch der Prozess wurde zu Ende gebracht und die Polizei freigesprochen.
Ein Staat, der Rassismus in Gesetze fasst und Rassismus in der Gesellschaft fördert, schützt staatliche Täter, rassistische Verbrechen und versucht, die Opfer und ihre Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Diese Botschaft bekamen wir bereits am Tag der Urteilsverkündung zu spüren. Die Polizei bedrängte die DemonstrationsteilnehmerInnen, provozierte mit dem gesetzwidrigen Filmen der VersammlungsteilnehmerInnen und zwang uns mehrfach, die Demonstration anzuhalten. Trotz unserer Ruhe und Besonnenheit nahmen die Provokationen im Verlauf der Demonstration weiter zu.
Für die Demonstration am Todestag Oury Jallohs plant die Polizei offenbar uns anzugreifen. Eine unüblich lange und teils unsinnige Auflagenverfügung und das Verhalten der Polizei am Tag der Urteilsverkündung leiten uns zu dieser Annahme.
Das Amt für Ordnung und Verkehr der Stadt Dessau-Roßlau schreibt in seiner Auflagenverfügung „Bei Erteilung der Auflagen war zu Ihren Lasten zu berücksichtigen, dass erfahrungsgemäß damit zu rechnen ist, dass gewaltorientierte Personen und Gruppierungen an der von Ihnen angemeldeten Versammlung teilnehmen, auf die Sie nicht einzuwirken in der Lage sind.“
Der Anlass der Demonstration selbst straft dieser Aussage Lügen. Der Gewalt ausübende Staatsapparat in Dessau beschuldigt Menschen, die nach Dessau kommen, um die Gewalt anzuklagen, als gewaltorientiert ohne einen konkreten Anlass benennen zu können. Pauschal werden Menschen, die nach Wahrheit suchen und eine von Gewalt freie Gesellschaft anstreben, als gewaltorientiert kriminalisiert.
Wir bitten die Öffentlichkeit, die Presse und die Bürgerinnen und Bürger von Dessau selbst anwesend zu sein, um als Beobachter zu fungieren, damit keine Gewalt von den Gewalttätigen ausgeht.
Neben anderen Einschüchterungsversuchen in der Auflagenverfügung gibt das Amt für Ordnung und Verkehr der Stadt Dessau-Roßlau folgenden Hinweis: „Vorsorglich weisen wir darauf hin, dass Teilnehmer, die im Besitz einer Aufenthaltsgestattung oder einer Duldung sind, für das Verlassen Ihres Gestattungsbereiches eine ausländerrechtliche Genehmigung benötigen.“
Mit diesem Hinweis ist die Residenzpflicht gemeint. Sie besagt, dass sich die Flüchtlinge nur in dem Landkreis, in dem sich ihre zuständige Ausländerbehörde befindet, aufhalten dürfen. Deshalb wird diese auch als deutsches Apartheidsgesetz bezeichnet. In Europa ist dies einmalig. Zum Verlassen des zugewiesenen Landkreises muss eine Reiseerlaubnis von der Ausländerbehörde beantragt werden, auch wenn es sich nur um 5 Meter handelt. Für die Erteilung der Reiseerlaubnis gibt es keine nachvollziehbaren Regeln, deshalb ist den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der sogenannten Ausländerbehörden, die in der Regel im Ordnungsamt integriert sind, jede Form von Willkür möglich. Unsere Aktionen, unsere Versammlungen und unsere kulturellen Zusammenkünfte sind deshalb immer auch ein Akt des Widerstands gegen die Residenzpflicht. Es gibt nur eine Lösung - die vollständige Abschaffung der Beschneidung der Bewegungsfreiheit.
Insbesondere rufen wir für den 7. Januar 2009 für die Demonstration in Dessau zur verstärkten Aufmerksamkeit und zur sofortigen Unterstützung und falls nötig zur sofortigen Intervention auf.
Wir rufen alle Flüchtlings- und MigrantInnenselbstorganisationen, anti-rassitischen Gruppen und Menschenrechtsorganisationen dazu auf nach Dessau zu kommen und ihre Solidarität zu demonstrieren. Am vierten Todestag von Oury Jalloh demonstrieren wir auch für die anderen Opfer staatlicher Polizeigewalt. Wir gedenken Laye Kondé und Dominique Koumadio. Beide starben bei Übergriffen der Polizei oder durch ihre Folgen. Nach ihrem Tode machten wir dieselben Erfahrungen: bewusst fahrlässige Untersuchungen, Einschüchterung der Familie und Angehörigen, Freispruch für die Angeklagten und Vertuschung der Wahrheit und Ausblendung der Ursachen.
Für den Aufbau einer unabhängigen Kommission zur Untersuchung der Todesursachen von Oury Jalloh und der Vertuschung der Wahrheit bitten wir um Eure / Ihre Unterstützung.
Kontakt:
Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen
Internet: http://thecaravan.org
Wuppertal Büro,
Araz Barani
Tel.: +49-(0)1602742424
E-Mail: wuppkarawane@yahoo.de
Hamburg Büro,
Fody Turay
Tel. 0152057 658 64
E-Mail: free2move@nadir.org
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Jena Büro,
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