Bericht über die Pressekonferenz der KARAWANE für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen
Am 17. März 2009 organisierte die KARAWANE für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen eine Pressekonferenz über die Situation der Flüchtlinge in Remscheid. Im Anschluss dokumentieren wir alle Beiträge der ReferentInnen und fassen die Ergebnisse hier zusammen. Den Bericht einer anwesenden Beobachterin haben wir hier veröffentlicht.
Zu Beginn bewertete Rechtsanwalt Klemens Roß vom Republikanischen Anwältinnen und Anwälteverein (RAV) e.V. aus rechtlicher Perspektive den Polizeieinsatzes vom 24. 10.2007 gegen die Flüchtlingsunterkunft im Bergfriederweg.
Er verwies auf eine Entscheidung des Landgericht Wuppertals: „Die Aktion war rechtswidrig und die Betroffenen können Schadensersatz geltend machen.“
Anschließend berichteten die Flüchtlinge aus Remscheid über ihren konkreten Erfahrungen und unterstrichen ihre Forderungen nach ein Ende der Anwesenheitskontrollen und der Abschaffung der Überwachungskameras, die sie in ihrem offenen Brief vom 20. Januar an Herrn Mast-Weisz formuliert hatten. Herr Camarra sagte: „Diese Kameras sind nicht zu unserer Sicherheit da. Sie kontrollieren uns durch die Kameras, sie wollen wissen, wann wir kommen, wann wir gehen, was wir machen. Wir möchten dir Kameras nicht.“ Herr Saccoh fügte hinzu: „Herr Mast Weisz hat die Unterschriften mit Gutscheinen gekoppelt. Das heißt, wenn man nicht unterschreibt, bekommt man wieder Gutscheine statt Bargeld. Das akzeptieren wir nicht.“
Herr Jawara berichtet über die alltäglichen Schwierigkeiten eine entsprechende medizinische Versorgung zu bekommen. Er berichtete von seinem Nachbarn Mohammad Sillah, der gestorben war und stellte detailliert dar, wie die medizische Versorgung der Flüchtlinge auf ein Minimum reduziert und sie dadurch nachhaltige Schäden und Krankheiten erleiden. Herr Al Choli ergänzte, dass ein Leben in Heimen und unterdiesen Bedingungen die Menschen krank machen. Er lebt seit 1993 als Flüchtling in Remscheid, hat 8 Jahre lang gearbeitet und für sich gesorgt bis ihm die Arbeitserlaubnis entzogen wurde. Er leidet nun an Diabetes und Schlafstörungen, die mit den erfahrenen Erlebnissen wie z.B. der Polizeieinsatz vom Oktober 2007 zusammenhängen. Obwohl in seinem letzten Gespräch Herr Mast-Weisz die quartalsweise Vergabe der Krankenscheine versprach hat Herr A.C. einen Krankenschein bekommen, der nur für ein Monat gültig ist.
Drei Flüchtlinge bemängelten die strikte Vergabe von Aufenthalt. Obwohl sie Partner haben, die einen gesicherten Aufenthaltserlaubnis bzw. die deutsche Staatsbürgerschaft haben und die Partner für sie aufkommen, müssen sie immer noch im Heim leben. Frau Maria-Luisa sagte: „Seit zwei Jahren und sieben Monaten bin ich verheiratet. Mein Mann wohnt in Berlin und hat eine unbefristete Arbeitserlaubnis. Ich bin über ihn krankenversichert. Mein Mann geht arbeiten, aber ich darf nicht.“ Frau Nyame erzählte, wie eine Sozialarbeiterin der BAF gemeinsam mit zwei Polizeibeamten ohne sie zu benachrichtigen, Speicheltest von ihrem Kind genommen hat.
Zuletzt erklärte Herr Saccoh, dass alle Flüchtlinge gerne arbeiten würden. Er selbst hatte sogar die Möglichkeit einer Festanstellung bei einer Firma in Remscheid. Doch ihm wurde die Arbeitserlaubnis entzogen. Im Zuge der neueren Entwicklungen ist das Bleiberecht an Arbeit gekoppelt. Damit die Flüchtlinge aber keinen Aufenthalt bekommen, werden ihnen in der Stadt Remscheid die Arbeitserlaubnisse entzogen. Herr Saccoh aus Sierra Leone sagte: „Wenn wir zur Ausländerbehörde gehen und nach einer Arbeitserlaubnis fragen, wird uns gesagt, dass sie uns sowieso abschieben wollen. Wir sind hierhin gekommen, weil wir Probleme in unseren Ländern haben. Wenn es diese Probleme nicht gäbe, würden wir nicht nach Deutschland oder anderswo nach Europa kommen. Wir könnten in unseren Ländern bleiben, wenn es dort keinen Krieg geben würde.“
In der Diskussion wurde die Asylpolitik scharf kritisiert. Die anwesenden Gäste und ReferentInnen machten klar, dass die hiesige Asylpolitik auf Abschreckung und Abwehr gegenüber Flüchtlingen aufbaue und dass Ausländerecht Polizeirecht sei.
Es wurde nochmals unterstrichen, dass die Praxis der Stadt Remscheid genau verfolgt und beobachtet wird und die Umsetzung der bereits versprochenen Verbesserungen an den Taten gemessen wird.
Remscheid, 17. März 2009
Dokumentation der Beiträge
Rechtliche Bewertung der Polizeirazzia vom 24.10.2007
Rechtsanwalt Klemens Roß - Republikanischer Anwältinnen und Anwälteverein (RAV) eV
Klemens Roß. Rechtsanwalt aus Essen. Ich danke für die Einladung und bitte um Nachsicht, dass ich etwas kränkele. Meine Stimme ist ein bisschen angegriffen. Ich huste ein wenig, ich hoffe, dass ich den Vortrag hier halbwegs durchhalten kann. Ich bin gebeten worden, zu der Razzia etwas zu sagen, welche am 24. 10.2007 hier in Remscheid stattgefunden hat. Ich will gar nicht darauf eingehen, wie diese Razzia im Einzelnen damals durchgeführt worden ist. Über die Art und Weise ist damals viel geschrieben und berichtet worden. Darüber, dass die Leute angedutzt worden sind, nicht auf die Toilette gehen durften und so weiter… Mich hat damals sofort empört, dass hier nicht ermittelt wurde gegen ein oder zwei oder drei Flüchtlinge, sondern ein ganzes Flüchtlingsheim hier von der Polizei hochgenommen wurde mit der Behauptung, dass in dem Flüchtlingsheim mit Drogen gehandelt wird. Das konnte irgendwie nicht ganz richtig sein. Deswegen haben wir gesagt, wir kümmern uns um diese Geschichte und werden für alle Betroffenen, die es gerne möchten und die in dem Heim wohnten, eine Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss und über die Art und Weise der Durchsuchung machen. Das haben wir dann auch gemacht. Inzwischen liegt bisher leider immer noch nur ein einziger Beschluss vor. Das heißt die anderen Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. Sie werden genauso enden. Aber ein einziger Beschluss liegt bisher vor. Das Landgericht Wuppertal hat am 18.8.2008 festgestellt, und zwar ganz eindeutig festgestellt, dass diese Durchsuchung rechtswidrig gewesen ist. Das hat einen Anfangsverdacht gegeben gegen drei Betroffene, die in dem Heim damals gewohnt haben. Es wurde gesagt, die drei könnten etwas mit Drogengeschäften zu tun haben. Dann hat man es sich ganz einfach gemacht. Mann muss ja sehen, das ist ja nicht das Werk eines einzelnen Richters. Es stehen jede Menge Polizisten dahinter, die hier ermittelt haben, auch der Staatsanwalt, der diesen Beschluss veranlasst hat und eben auch das Gericht. Man hat es sich dann einfach gemacht und hat sich die aktuelle Belegungsliste des Heims geholt und einen Ermittlungsverfahren, gegen alle die da wohnten, eingeleitet. Was hat man gefunden im Ergebnis? Bei den Dreien, wo man hätte vielleicht etwas finden können, hat man gar nichts gefunden. Bei einem wohl zufällig anwesenden Flüchtling, der da gar nicht gemeldet war, hat man einen kleinen Stück Haschisch gefunden. Ich glaube 0,2 Gramm waren es.
Kurz und Gut: Im Ergebnis sagt das Landgericht Wuppertal, das reicht natürlich nicht aus, es waren nur wage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen und es reicht natürlich nicht aus, um ein ganzes Heim auf diese Art und Weise hochzunehmen. Die Aktion war rechtswidrig und die Betroffenen können Schadensersatz geltend machen. Das war die rechtliche Bewertung.
Ich möchte noch etwas hinzufügen zum Rassismus in den Köpfen. Das man einfach dahingeht als Polizei, Staatsanwaltschaft, als Gericht und die Gesamtheit der Flüchtlinge, denen man zutraut mit Drogen zu handeln, mit dem Heim hochnimmt. So ist der alltägliche Rassismus. Ich kann nur hoffen, das man daraus lernt aus der ganzen Geschichte.
Wie gesagt, abgeschlossen ist die ganze Sache noch lange nicht. Ich habe mit den anderen Anwälten, die noch mit der Sache befasst sind, gesprochen, Sie werden darauf drängen, ähnliche Beschlüsse zu erhalten und sie werden ihren Mandanten auch raten, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Da ist natürlich kein so großer materieller Schaden entstanden. Die Türen, die da eingetreten worden sind, gehören der Stadt Remscheid. Mann muss aber auch hier sehen, dass es sich um Flüchtlinge handelt. Kurz: traumatisierte Menschen sind da, die in ihrer Heimat Verfolgungsmaßnahmen, Gewalterfahrungen haben durch irgendwelche örtlichen Sicherheitskräfte, durch Polizei, Soldaten. Was es bei ihnen auslöst, wenn sie um 6 Uhr überfallen werden? Und wir haben gesehen, die Überwachungskameras helfen nicht gegen Polizeiüberfälle. Was da im Kopf passiert, was da ist an Retraumatisierungen, das muss aufgearbeitet werden und da muss noch möglicherweise immaterieller Schadensersatz geleistet werden. Wir arbeiten weiter daran.
Anwesenheitskontrollen und Überwachungskameras
Tallatu Saccoh - Flüchtling aus Sierra Leone, lebt zur Zeit in Remscheid
Mein Name ist Tallatu Saccoh, ich bin aus Remscheid, lebe seit über 10 Jahren in Remscheid im Heim. Zu den Überwachungskameras: Bevor wir zur Schwelmerstraße gezogen sind, gab es in diesem Heim keine Kameras. Zwei Wochen nach unserem Umzug wurden Kameras installiert. Vorher gab es keine. Sie behaupten, dass die Kameras zu unserem Schutz da sind, dass sie uns vor Angriffen der Nazis schützen sollen, aber die Hausmeister sind 24 Stunden im Heim. Hausmeister können aufpassen, nicht die Kameras. Wir werden überall überwacht. Sie wissen, wann wir rausgehen, wann wir reinkommen. Zum Beispiel du bist zwei Tage in deinem Zimmer und gehst nicht raus, wenn der Hausmeister dich nach zwei Tagen sieht, sagt er „bist du krank?“ weil er dich durch die Kameras nicht gesehen hat. Als Frauen in diesem Heim lebten, waren keine Kameras da. Hausmeister sind 24 Stunden da und die Kameras überwachen auch 24 Stunden. Durch die Kameras wissen die Hausmeister, wann wir in unseren Zimmern sind, wann nicht. Wenn wir weggehen, gehen die Hausmeister in unsere Zimmer und durchsuchen alles. Aber seitdem wir den offenen Brief an den Stadtdirektor geschrieben haben, durchsuchen die Hausmeister unsere Zimmer nicht mehr. Stadtdirektor Mast-Weisz sagte uns, dass wenn wir einen Hausmeister in unseren Zimmern sehen, sollen wir ihn anzeigen. Die Kameras sind aber immer noch da und wir wollen die nicht. Die Anwesenheitskontrollen durch Unterschriften wurden gelockert, statt jeden Werktag müssen wir einmal pro Woche unterschreiben. Aber Herr Mast Weisz hat die Unterschriften mit Gutscheinen gekoppelt. Das heißt, wenn man nicht unterschreibt, bekommt man wieder Gutscheine statt Bargeld. Das akzeptieren wir nicht.
Jean Pierre Camara - Flüchtling aus Guinea, lebt zur Zeit in Remscheid
Ich heiße Jean Pierre Camara , komme aus Guinea. Ich werde zu den Überwachungskameras und Anwesenheitskontrollen ein Paar Worte sagen. Als die Gespräche mit dem Stadtdirektor stattgefunden haben, habe ich ihn gefragt, warum die Kameras installiert wurden. Er antwortete; „zu eurer Sicherheit“. Ich fragte ob er am Eingang seines Hauses auch Kameras hat, er sagte nein. Ich sagte ihm; wenn das Heim angegriffen wird, was kann ich machen. Er sagte, ich solle die Polizei anrufen. Dann sagte ich „ja genau ich kann die Polizei anrufen nicht, die Kamera kann die Polizei anrufen. Ich sagte die Kameras müssen weg, weil es sowieso 24 Stunden Hausmeister da sind. Ich fragte Herrn Mast Weisz ob er auch unterschreiben muss wenn er seine Wohnung verlässt, oder bei der Arbeit, wenn er kommt und geht. Er antwortete nein, er muss es nicht machen. Ich fragte warum wir jeden Tag unterschreiben müssen. Er sagte, weil die Leute sonst schwarz arbeiten würden. Er hat gesagt, dass die Anwesenheitskontrollen nicht mehr jeden Tag sondern einmal pro Woche durch Unterschrift geleistet werden. Aber die Kameras sind geblieben. Diese Kameras sind nicht zu unserer Sicherheit da. Sie kontrollieren uns durch die Kameras, sie wollen wissen, wann wir kommen, wann wir gehen, was wir machen. Wir möchten dir Kameras nicht.
Medizinische Versorgung von Flüchtlingen in Remscheid
Isaac Jawara - Flüchtling aus Sierra Leone, lebt zur Zeit in Remscheid
Ich heiße Isaac Jawara. Ich bin aus Sierra Leone. Wir sind nicht zum Vergnügen hierhin gekommen. Wir sind hierhin gekommen, weil wir in unseren Ländern unterschiedliche Probleme haben. Ich werde heute und hier konkret über die Problemen mit Krankenscheinen und Überweisungen zu anderen Ärzten berichten.
Bevor sie versprachen uns Krankenscheine für drei Monate auszustellen, gaben sie uns teilweise Krankenscheine für einen einzigen Tag. Bevor man einen Krankenschein erhielt, musste man zuerst zu einem Arzt gehen und sich einen Termin geben lassen. Von da ging man dann zum Sozialamt. Dort wurde dann der Krankenschein für ein oder zwei Tage ausgestellt. Oder der Krankenschein wurde einfach verweigert.
Zahlreiche Menschen haben hier unterschiedliche Probleme mit den Krankenscheinen. In jedem Einzelfall gestaltet sich das Problem aber anders dar. Vor allem der Tod von Mohammed hat etwas mit der Vergabe der Krankenscheine zu tun. Er ging zum Arzt. Dieser gab ihm einen Termin und schickte ihm zum Sozialamt. Das Amt verweigerte ihm einen Krankenschein zu geben. Er ging zum Arzt und erzählte, dass er vom Sozialamt keinen Krankenschein bekommen habe mit der Begründung, sein Asylverfahren sei beendet. Der Arzt sagt ihm, er soll zurück zum Sozialamt gehen, aber er hat nicht mehr die Kraft nochmal zum Sozialamt zu gehen. Danach kehrte er zurück zum Heim. Drei oder vier Tage später war er so krank, dass ich mit ihm zum Krankenhaus gegangen bin. Dort starb er einige Tage später. Den Grund werden wir nie erfahren.
Bevor sie uns versprochen haben, Krankenscheine quartalsweise auszugeben, haben sie uns beim Sozialamt sehr viele Probleme bereitet. Als ich hierhin neu angekommen war, wusste ich nicht, wo ich mich hinwenden kann, zu welchem Arzt gehen kann, was ich tun sollte. Ich bin zum Hausmeister gegangen. Habe ihm erzählt, dass ich eine Hautkrankheit habe und deshalb zum Arzt möchte. Er schaute in einem Buch und nannte mir einen Arzt, zu dem ich gehen soll. Ich ging zum dem genannten Arzt, ließ mir einen Termin geben und ging dann zum Sozialamt. Im Sozialamt wurde mir gesagt, dass ich nicht zu diesem Arzt gehen kann. Ich müsste zuerst zu einem Hausarzt. Ich hatte keinen Hausarzt. Sie nannten mir die Adresse von Dr. Paur. Ich ging dahin, ließ mir einen Termin geben und ging wieder zurück zum Amt. Ich bekam einen Krankenschein, ging damit zum Herrn Paur, er verschrieb mir ein Medikament, das ich selber bezahlen musste. Ich ging zum Arzt und fragte ihn, wie ich den das Medikament bezahlen soll mit den reduzierten Sozialleistungen, die ich erhielt. Er sagte, so ist es.
Jetzt möchte ich kurz über die Überweisungen zu Fachärzten etwas berichten. Die Menschen haben unterschiedliche Krankheiten. Ich habe Probleme mit meinen Füßen, die zwei anderen Freunde ebenfalls. Wir haben unterschiedliche Krankheiten und wir brauchen Überweisungen zu Fachärzten. Das Verfahren ist so, man geht zum Sozialamt, lässt sich einen Krankenschein für den Hausarzt geben, geht damit zum Hausarzt, der gibt einem dann eine Überweisung für einen Facharzt. Mit dieser Überweisung geht man zum Sozialamt. Das Sozialamt sagt uns, dass sie beim Gesundheitsamt prüfen lassen, ob uns die Behandlung zusteht oder nicht. Es kann bis zu drei Monate Wartezeit vergehen, bis man eine Antwort erhält. Wenn man eine Operation für den Magen braucht, dann können drei Monate eine sehr lange Zeit sein und ein Mensch kann eventuell sterben. Nach meiner Operation gaben sie mir eine Überweisung für eine Therapie. Ich bin mit dieser Überweisung zum Arzt gegangen. Sie sagten ich solle warten, bis das Gesundheitsamt der Behandlung zustimmt. Ein Monat hat es gedauert bis ich eine Antwort erhielt. Die Überweisung, die ich brauchte war nur für sechs Behandlungen. Das Selbe passierte mit Camarra, daher läuft er jetzt nicht mehr wie früher.
So, die Art und Weise, wie sie uns hin und her laufen lassen und schieben, ist nicht akzeptabel für uns. Deshalb haben wir verlangt, dass diese Praxis ein Ende findet.
Ich möchte noch einen Punkt erwähnen. Ich mache zurzeit eine Therapie. Der behandelnde Arzt hat gesagt, dass diese verlängert werden müsse. Dezember habe ich die Verlängerung beantragt, seit dem ist diese Anfrage nicht beantwortet worden. Das Gleiche gilt für Camarra. Seit Dezember wartet er ebenfalls auf die Antwort auf seine Anfrage. Wir wissen nicht wirklich, was zwischen dem Sozialamt, dem Gesundheitsamt und der Ausländerbehörde passiert. Diese drei Ämter scheinen sehr eng zusammenzuarbeiten.
AC – Flüchtling, lebt seit 1993 als Flüchtling in Remscheid
Ich heiße AC und bin seit 1993 hier in Remscheid. Ich habe seit dem hier immer mit Duldungen von drei oder sechs Monaten gelebt. Hier in Deutschland bin ich krank geworden. Ich lebe in einem sehr kleinen Zimmer. 3,5 oder 4 Quadratmeter groß. Es gibt andere freie Zimmer im Heim, aber ich muss in dem kleinen Zimmer wohnen. Ich gehe sehr oft zum Sozialamt. Am 25.2.2009 war ich beim Sozialamt. Es wurde mir gesagt, dass ich weder Medikamente noch ein Rezept bekomme. Ich habe meinen Gutschein für Essen genommen und bin zum Büro vom Leiter der Abteilung gegangen. Ich habe ihm gesagt, dass ich nicht aus dem Sozialamt rausgehen werde. Er sagte mir, dass ich die geforderten Medikamente nicht erhalte. Ich habe hier alle Schreiben vom Gesundheitsamt und von den Ärzten. Ich leide an Diabetes und brauche diese Medikamente. Für die Medikamente muss ich selber aufkommen. Ich habe immer Gutscheine für eine Woche bekommen und kein Bargeld. Im Monat sind es insgesamt 138 Euro. Ich muss jedesmall die Fahrkarten bezahlen zum Sozialamt oder Arzt. Es wurde uns von dem Stadtdirektor gesagt, dass wir jeweils Krankenscheine für einen Quartall erhalten werden. Dies stimmt nicht. Hier ist der letzte Krankenschein, den ich bekommen habe: Gültig vom 1.4. bis 30.4.2009. Wenn man etwas braucht, sagen sie einem, sie müssen es durch das Gesundheitsamt prüfen. Sie schicken die Anfragen aber nicht weiter, da bin ich mir sicher.
Hier arbeiten Ausländerbehörde und Sozialamt sehr eng zusammen. Die Ausländerbehörde gibt die Anweisung, einen Flüchtling zu zermürben, und das Sozialamt führt es aus.
Ich sage, ich bin krank. Die Ärzte sagen es. Hier in dieser Stadt, glauben die Sozialamtmitarbeiter den Ärzten nicht, weil sie es nicht wollen. Ich nehme diese ganzen Medikamente nicht umsonst. Ich bin krank.
Als wir in die Schwelmer Str. eingezogen sind, habe ich mich wegen dem kleinen Zimmer beschwert. Sie haben die Polizei geholt und mir Hausverbot erteilt. Wenn sich einer beschwert, kann es passieren, dass sie einem eine Beruhigungsspritzen geben. Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen. Mit 5 Menschen haben sie das gemacht.
Ich habe selbst 8 Jahre lang gearbeitet und bin für mich selbst aufgekommen.
Aufenthalterlaubnisse
Tallatu Saccoh - Flüchtling aus Sierra Leone, lebt zur Zeit in Remscheid
Ich habe seit sechs Jahren ein deutsches Kind. Ich wohne immer noch die ganze Zeit im Asylheim. Alle meine Freunde haben nach mir Kinder bekommen, aber deren Freundinnen wohnen nicht in Remscheid. Sie haben alle ihren Aufenthalt. Ich hatte auch einen Freund hier und als seine Freundin schwanger wurde, hat er bevor das Kind auf die Welt kam, seinen Aufenthalt gekriegt.
Aber ich bekomme seit sechs Jahren keinen Aufenthalt, weil meine Freundin in Remscheid wohnt. Immer, wenn ich zum Amt gehe, wird mir gesagt, dass sie mich sowieso abschieben wollen. Ich habe alles versucht, aber die Stadt Remscheid sagt Nein. Ich habe meiner Freundin damals gesagt, dass sie aus Remscheid wegziehen soll. Aber sie ist wegen ihren Eltern geblieben. Wäre sie damals weggezogen, dann hätte ich jetzt meinen Aufenthalt.
Araz Ardehali: Kurz eine Ergänzung zu dem, was Saccoh gerade erzählt hat: Normalerweise, wenn man ein Kind hier hat und der/die Partner/in hat ein Aufenthaltsrecht, dann bekommt man Aufenthalt. Nur in der Stadt Remscheid, im Vergleich zu Solingen und Wuppertal, wird diese Praxis nicht angewendet bzw. die Leute müssen jahrelang darum kämpfen, dass sie praktisch ein Aufenthaltsrecht bekommen. Und das ist es was Saccoh sagt. In anderen Städten bekommen die Leute, wenn sie Kinder und Partner haben, ihren Pass sofort. Und hier in Remscheid passiert seit sechs Jahren bei Saccoh nichts.
Tallatu Saccoh: Viele Frauen hier haben auch große Probleme. Wir haben eine Frau hier, die ein deutsches Kind hat und sie lebt mit ihrem deutschen Kind im Heim. Sie kriegen keinen Aufenthalt. Und eine andere Frau hier, ist verheiratet, aber sie darf nicht bei ihrem Mann leben. Wir haben hier zu viele Leute mit Kindern, die immer noch im Heim leben. Wenn man zum Ausländeramt geht, weil man eine Aufenthaltserlaubnis haben will dann sagen sie, dass sie mich sowieso abschieben wollen. Wenn man sagt, dass sie einen mit dem Kind abschieben können. Dann sagen sie, dass sie das nicht können, weil es ein deutsches Kind ist.
Elisabeth Nyame - Flüchtling aus Ghana, lebt zur Zeit in Remscheid
Ich heiße Elisabeth und komme aus Ghana. Mein Sohn Kevin ist 3 Jahre und vier Monate alt. Er ist in Kohfurth geboren. Ich wurde nach Remscheid zugewiesen, als er drei Wochen alt war. Vier Monate später erhielt mein Sohn einen deutschen Pass. Sie fragten mich nach meinem Pass und ich habe ihnen meinen Pass gegeben. Ich bekam fünf Monate Duldung dort eingetragen. Nach diesen fünf Monaten bekam ich drei Monate Duldung. Ich habe gefragt, warum ich keine Aufenthaltserlaubnis bekomme. Sie sagten mir, dass sie noch einige Sachen prüfen müssten und dann erst entscheiden, ob ich eine Aufenthaltserlaubnis kriege. Das Sozialamt gibt mir monatlich Gutscheine im Wert von 60 Euro und 6 Euro bar. Ich habe gefragt, warum sie mir kein Geld für meinen Sohn geben. Sie sagten mir, dass mein Sohn Deutscher ist und keine Sozialleistungen kriegt. Ich bin dann zur Ausländerbehörde gegangen. Dort habe ich gefragt, warum ich noch im Heim leben muss und keine Aufenthaltserlaubnis bekomme, obwohl mein Sohn Deutscher Staatsbürger ist.
Vor ungefähr zwei Jahren im März kam Marie-Louise (Sozialarbeiterin von BAF) mit zwei Polizisten aus Wuppertal ins Heim. Damals wohnten wir im Heim in der Schwelmerstrasse. Als sie kamen war ich im Keller Wäsche waschen. Mein Sohn spielte oben mit der Tochter einer Frau aus Nigeria, die früher auch im Heim lebte. Die Frau ist zu mir in den Keller runter gerannt. Sie sagte, dass oben die Sozialarbeiterin und zwei Polizisten was in dem Mund von meinen Sohn machen. Als ich nach oben rannte, waren sie schon fertig, aber sie sagten nichts. Eine andere Frau aus Kamerun sagte mir, dass die Leute irgendwas in Kevins Mund getan haben. Er hat Schokolade gegessen. Ich war zu spät. Ich habe die Schokolade mit einem Papier aus seinem Mund geholt, aber sie haben den Speichel schon entnommen und sind gegangen. Eigentlich müssten sie mich anschreiben und mir sagen, dass sie so etwas vor haben. Und nicht einfach ohne meine Erlaubnis einen solchen Test durchführen.
Als wir letztes Jahr mit unserm Heim in den Talsperrenweg gezogen sind, kamen zwei Kriminalbeamte zu mir. Als ich die Tür öffnete, sagten sie mir, dass sie Kriminalbeamte aus Wuppertal sind. Sie wollten einen Bluttest machen, um zu prüfen, ob Kevin mein Sohn ist. Ich gab ihnen meinen Mutterpass und die Geburtsurkunde von Kevin. Mein Sohn ist in Kohfurth geboren und sie können gerne alle Information dort einholen, habe ich ihnen gesagt. Die Beamten zogen ihre Handschellen heraus und drohten mir mit Polizeigewahrsam, wenn ich mich verweigere. Ich hatte Angst, dass sich mich schlagen könnten und gab ihnen meine Einwilligung für einen Bluttest.
Seit dreieinhalb Jahren bin ich hier im Heim und Kevin und ich leben in einem kleinen Raum zusammen. Der Vater meines Sohnes muss mich hier besuchen. Kevin fragt mich Sachen, die Kinder in seinem Alter nicht fragen oder sehen sollten. Als ich meine Periode hatte, es tut mir Leid das ich das sagen muss, fragte Kevin mich, ob ich Pampers nehme. Es war mir sehr unangenehm.
Seitdem ich hier bin, habe ich keinen Schein für Kleidung erhalten. Letzte Woche nach dem Gespräch mit dem Sozialdezernenten haben alle einen Kleiderschein bekommen nur ich nicht. Wenn ich wegen einem Problem zum Sozialamt gehe, schicken sie mich zum Ausländeramt und dort schicken sie mich wieder woanders hin. Immer schicken sie einen hin und her. Ich weiß nicht was ich machen soll. Warum soll ich immer zwischen diesen Ämtern hin und her rennen? Mein Sohn ist Deutscher. Normalerweise müsste ich eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, damit mein Sohn und ich hier wie all die anderen in Deutschland leben können. Ich will meinen Aufenthalt, egal was sie noch alles prüfen müssen.
Marie-Luisa - Flüchtling aus Angola, lebt zur Zeit in Remscheid
Ich bin seit drei Jahren hier. Seit zwei Jahren und sieben Monaten bin ich verheiratet. Mein Mann wohnt in Berlin und hat eine unbefristete Arbeitserlaubnis. Ich bin über ihn krankenversichert. Mein Mann geht arbeiten, aber ich darf nicht. Wenn ich dem Ausländeramt sage, dass ich auch arbeiten möchte, dann wird gesagt, ich darf nicht arbeiten. Aber ich darf auch nicht bei ihm in Berlin wohnen. Sondern muss hier im Heim leben. Ich bin alleine hier im Heim, während mein Mann auch alleine in seiner Wohnung in Berlin ist. Das Ausländeramt Remscheid hat mir gesagt, dass es am Ausländeramt Berlin läge, dass ich nicht mit ihm zusammen leben darf. Aber als mein Mann beim Ausländeramt in Berlin war, hat man ihm gesagt, dass das Problem beim Remscheider Ausländeramt liegen würde. Warum darf ich nicht bei meinem Mann sein?
Arbeitserlaubnis und Ein-Euro-Jobs
Tallatu Saccoh - Flüchtling aus Angola, lebt zur Zeit in Remscheid
Wir wollen alle hier arbeiten, aber wir bekommen keine Arbeitserlaubnis. Ich habe zwei Jahre hier gearbeitet. Damals hat das Arbeitsamt die Arbeitserlaubnis erteilt und jetzt ist die Ausländerbehörde dafür zuständig. Seitdem bekommt hier in Remscheid kein Ausländer eine Arbeitserlaubnis vom Ausländeramt. Ich habe an einem Projekt der Caritas teilgenommen und habe sechs Monate Praktikum bei OBI gemacht. Eine Firma wollte mir eine unbefristete Festeinstellung geben. Aber das Ausländeramt hat es mir nicht erlaubt. Ich darf nur ein Praktikum machen. Ich habe nach dem Grund gefragt und sie sagten mir, dass es am Arbeitsamt liegen würde. Das Arbeitsamt hat dann andere Leute zu dieser Firma geschickt zum arbeiten. Aber die Firma wollte keinen von ihnen einstellen, weil sie mich einstellen wollten. Der Chef hat mich angerufen und ich bin dann zur Firma gegangen. Das Arbeitsamt war auch da und der Chef hat dann ihnen mitgeteilt, dass er nur mich einstellen würde. Daraufhin bin ich zum Ausländeramt gegangen, aber sie wollten mir immer noch keine Arbeitserlaubnis geben. Der Sachbearbeiter hat mir gesagt, dass angeblich das Arbeitsamt mir eine Arbeitserlaubnis verweigern würde. Daraufhin habe ich beim Arbeitsamt Solingen angerufen. Die Sachbearbeiterin dort hat mir dann mitgeteilt, dass nicht das Arbeitsamt, sondern die Ausländerbehörde mir meine Arbeitserlaubnis verweigern würde. Das Ausländeramt hat mir gesagt, dass ich nur Praktikum machen darf. Aber wir wollen alle arbeiten, um nicht mehr von Sozialhilfe abhängig zu sein. Wir möchten selbst unser Geld verdienen. Sie geben uns keine Chance zu arbeiten, um für unsere Lebensunterhalt selbst auf zu kommen.
Wenn wir zur Ausländerbehörde gehen und nach einer Arbeitserlaubnis fragen, wird uns gesagt, dass sie uns sowieso abschieben wollen. Wir sind hierhin gekommen, weil wir Probleme in unseren Ländern haben. Wenn es diese Probleme nicht gäbe, würden wir nicht nach Deutschland oder anderswo nach Europa kommen. Wir könnten in unseren Ländern bleiben, wenn es dort keinen Krieg geben würde. Ohne Krieg könnten wir leben wie andere Menschen in anderen Ländern auch. Weil wir Angst in unseren Ländern haben, deswegen sind wir Nach Deutschland gekommen. Aber sie geben uns keine Chance hier. Egal wo man hingeht, hier in Remscheid ist man als Ausländer nichts wert. Egal mit wem man redet. Wenn man gefragt wird, woher man kommt, wird gesagt, man wisse schon. Man wird hier nicht wie ein Mensch behandelt.
Fast alle Flüchtlinge hier sind jung und kräftig. Wir wollen arbeiten, aber wir dürfen das nicht. Ein Freund hier hat eine Arbeitserlaubnis bekommen. Er war gestern beim Arbeitsamt. Er kann nur drei Stunden am Tag arbeiten und suchte einen Job. Die Sachbearbeiterin hat ihm gesagt, dass es eine solche Arbeit nicht gäbe. Außerdem hat er nur eine Duldung und dürfe deswegen überhaupt nicht arbeiten. Warum gibt man ihm eine Arbeitserlaubnis, wenn er dann doch nicht arbeiten darf?
Araz Ardehlali: Was hier sehr wichtig ist, ist das die neue Bleiberechtsregelung, die bald ausläuft, an Arbeit gekoppelt ist. Bevor die neue Regelung in Kraft trat, haben einige Leute hier gearbeitet. Ihnen allen hat man die Arbeitserlaubnis entzogen, damit sie ihr Bleiberecht nicht bekommen. Saccoh hat gearbeitet. Er hat bei OBI Praktikum gemacht. Als er eine Festeinstellung in Aussicht hatte, hat man ihm die Arbeitserlaubnis entzogen. Menschen, die hier ein Recht auf eine Arbeitserlaubnis haben, gibt man keine Arbeit. Denn wenn sie Arbeit finden würden, dann müsste man ihnen eine Aufenthaltserlaubnis geben. So wird diese Bleiberechtsregelung als gut verkauft. Obwohl es eine Regelung ist die Menschen zu Billigarbeit zwingt und auch als Mittel zur Abschiebung benutzt wird. Ein Freund hier hat sieben Jahre gearbeitet. Als diese Regelung 2005 kam, hat man ihm seine Arbeitserlaubnis wieder entzogen. Es wird den Flüchtlingen hier gesagt, wenn sie keine Arbeit finden, dann können sie nicht unter diese Bleiberechtsregelung kommen. Daran sieht man hier die Doppelzüngigkeit: Wie Sachverhalte praktisch nach außen verkauft werden, aber wenn man nach innen schaut, sieht man das ganze Übel.
Es gibt Menschen hier, die bekommen Arbeitserlaubnisse. Nur wenn Du hier Kontakt zu anderen Leuten mit Einfluss hast, kriegst du das, was dir zusteht. Sonst nicht. Diese Leute rufen bei der Ausländerbehörde an und dann kriegst du deine Arbeitserlaubnis. Fertig. Unabhängig davon, ob einer zur Abschiebung aussteht oder nicht. Es gibt Menschen, die bekommen auf diese Art und Weise die Arbeitserlaubnis. Es reicht nur ein Telefonanruf.
Schlusswort und Diskussion
Araz Ardehali: Wir haben diese Veranstaltungen gemacht, um einerseits die Lebenssituation der Flüchtlinge hier der Öffentlichkeit näherzubringen und durch praktische Beispiele zu zeigen, ob die Stadt Remscheid, die Versprechungen, die sie in den Gesprächen mit den Flüchtlingen und nicht öffentlich gemacht hat, einhält und wie die Umsetzung ist. Wir werden weiterhin hier die Schritte der Stadt Remscheid verfolgen und beobachten. Wir werden überall dort, wo geltendes Recht verletzt wird und Ermessungsspielräume nicht zu Gunsten der Flüchtlinge ausgenutzt werden, die Öffentlichkeit und die Bürgerinnen und Bürger von Remscheid informieren. Wir werden durch unsere eigenen Veröffentlichungen, durch die uns bekannte Presse, durch Delegationsbesuche und Aktionen hier die Öffentlichkeit auf die hiesige Politik der Stadt Remscheid hinweisen. Sind noch Fragen, Kommentare oder Ergänzungen?
Tallatu Saccoh: Bei unserem letzten Gespräch mit Herrn Mast-Weisz, hat er gesagt, dass er versucht mit der Ausländerbehörde und dem Arbeitsamt wegen Arbeitserlaubnisse zu sprechen. Bisher haben wir nichts über die Ergebnisse dieser Gespräche gehört.
Frage aus dem Publikum: Ab wann sollte die quartalsweise Vergabe der Krankenscheine praktiziert werden?
Tallatu Saccoh: Ab sofort. D.h. nach dem letzten Gespräch vom 25. Februar sollten die Krankenscheine für jeweils ein Quartal ausgegeben werden.
AC: Sie lügen. Ich habe hier einen Krankenschein vom 1. Bis 30. April 2009.
Frage aus dem Publikum: Du sagtest ja eben, warum diese Veranstaltung hier gemacht wurde. Ein Grund war ja, weil ihr darstellen wolltet, wie die Politik hier vor Ort ausgesehen hat. Was meint ihr, warum die Praxis hier so hart war? Warum war die Stadt gegenüber den Flüchtlingen so hart? Wir wissen ja nicht, ob sich das in der Zukunft ändern wird. Aus den Beispielen, die wir gehört haben, wissen wir, dass die Behörden hier sehr hart waren zu den Menschen. Sie haben teilweise gegen die Gesetze verstoßen und sie haben ihre Ermessenspielräume nicht genutzt. Die Menschen wurden hier sehr schlecht behandelt. Warum war das so?
Herr Pfarrer Faßbender: Mein Name ist Hans-Georg Faßbender. Ich bin katholischer Pfarrer hier am Ort. Ich bin Vertreter des katholischen Stadtdekarnats Remscheid im Arbeitskreis Asyl. Meine Erfahrung ist, dass die Rechtssituation bei uns ist praktizierend ausgelegt in erster Linie auf Abwehr und Abschreckung. Es ist etwas, was sich auch hier auch eingespielt hat. Die Flüchtlinge haben keine Stimmer hier. Oder eine nur sehr schwache Stimme. Die Flüchtlinge selber haben bisher auch nie mit einer Stimme sprechen können. Bezeichnend dafür ist auch, dass keine Versammlungsräume in den Gebäuden zur Verfügung gestellt werden. Sie gibt es ja, aber sie werden nicht zur Verfügung gestellt. Also, Spielräume werden nicht ausgenutzt. Die Kirchen sind daran interessiert, dass es eine humane Umsetzung des Asylrechts gibt. Der Mensch und seine Würde haben für uns Vorrang. Aber es ist alles auf Abschreckung ausgelegt. Und weil es so eingespielt ist hier in Remscheid, ohne eine Lobby, ohne eine Sprache, dann vermute ich mal, dass es sehr schwer sein wird, etwas zu ändern. Es wird wahrscheinlich nur sehr langsam gehen, es wird sehr lange dauern, bis wir einen Zustand erreichen, den andere Städte bereits erreicht haben. Das muss man einfach sehen, dass Asylrecht hier, es wird fortlaufend mit den Füssen getreten. Man merkt es auch manchmal an den Äußerungen der offiziellen Vertreter. Es haben sich ja Flüchtlinge zusammengesetzt und haben diesen Brief geschrieben wegen den Anwesenheitskontrollen und den Überwachungskameras. Da geht dann der Herr Diehl hin von der Stadt und behauptet, die die es unterschrieben haben, wüssten gar nichts, was die da unterschrieben haben. Das sind so Äußerungen, die empörend sind. Aber es zeigt, wie die Vertreter des Gesetzes mit diesen Dingen umgehen. Und sie sind jetzt aufgeschreckt, aber es wird lange dauern, bis es zu einer von innen getragenen Praxis kommt. Da bin ich noch skeptisch. Aber es lohnt sich dafür zu kämpfen.
RA Klemens Roß: Warum die Ausländerbehörde hier so ist wie sie ist, dass weiß ich auch nicht. Aber Ausländerrecht ist Polizeirecht. Sie sind nur bereit zur Gefahrenabwehr. Der Ausländer ist eine Gefahr, die man zu bekämpfen hat. Und in Remscheid scheint sich das besonders verselbstständigt zu haben. Was wir hier gehört haben, waren eine ganze Reihe von Einzelschicksalen die alle sehr deprimierend sind. Die ich aber auch nicht alle im Einzelfall bewerten kann, ohne sie genau zu kennen. Wir wissen natürlich schon das Remscheid eine sehr restriktive Ausländerbehörde ist, die sich womöglich auch in vielen Fällen rechtswidrig verhält. Ohne das in der Vergangenheit genug öffentlich gemacht, beobachtet, angegriffen und korrigiert worden ist. Ein positiver Schritt ist sicherlich, dass es hier zu einem Zusammenschluss der Flüchtlinge gekommen ist. Es ist ja eher selten, dass es so rum geht. Das schätze ich sehr positiv ein, aber alleine werden es die Flüchtlinge nicht schaffen Das ist auch klar. Bei dem was hier so passiert, da scheint mir eine Menge Arbeit drin zu stecken. Da muss man viel machen. Wie auch die weitere Unterstützung wie natürlich Kirchen und was es sonst noch gibt: Diakonie, Caritas, Flüchtlingsrat. Parteien könnten auch mal nützlich sein. Die weitere Entwicklung muss man hier genau beobachten. Man muss weiter kämpfen und dann kann man auch eine Menge erreichen. Aber das wird sicherlich Zeit in Anspruch nehmen. Hier in Remscheid scheint einiges daneben zu laufen, wenn ich das hier so höre. Anwälte tun auch ab und zu ganz gut. Wobei mir schon klar ist, soviel können die Flüchtlinge auch nicht bezahlen. Ich weiß aus meiner Praxis: ich mache das von Morgens bis Abends und muss schauen, dass ich selbst über die Runden komme. Aber da ist jede Menge Arbeit drin. Und da ist viel zu erreichen. Viele Dinge sind hier eindeutig rechtswidrig von dem was ich hier gehört habe. Ich habe noch eine Menge Ideen was man noch tun kann.
Araz Ardehali: Es gibt hier jeden dritten Donnerstag im Monat in diesen Räumlichkeiten ein Treffen mit den Flüchtlingen selber. Der Kreis wächst langsam. Es kommen jetzt einige Freunde/Innen aus anderen Heimen. Die Verbesserungen sind schon spürbar. Vor allem für viele die gar nicht die Initiatoren dafür waren. Das System ist gelockert worden, so dass Gutscheine offiziell nicht mehr existieren. Aber man hat sie noch in der Hinterhand als Peitsche: Wenn du nicht unterschreibst oder wenn du das Heim nicht sauber hältst, dann kommen die Gutscheine wieder. Bei diesen Treffen werden viele Sachen diskutiert. Und die Freunde die jetzt alle dabei waren: die Flüchtlinge, die Leute der Karawane und Herr Pfarrer Fassbender, wir wissen, dass es noch ein langer Weg ist. Aber es lohnt sich diesen Weg zu gehen, weil es so nicht weitergehen kann.
Frau Elisabeth Nyame: Sie haben jetzt vor, uns, die Flüchtlinge, aus den Talsperrenweg nach Lüttringhausen zu verlegen. Wahrscheinlich in den nächsten zwei Monaten. Erst waren wir in der Schwelmerstrasse, dann hat man uns in den Talsperrenweg verlegt und jetzt werden wir wieder verlegt. Ständig ändert man unseren Lebensraum. Ich habe das Gefühl, die Dinge die hier passieren, macht man um uns zu frustrieren. Wir sind nicht ohne Grund hierhin gekommen.
Herr Pfarrer Fassbender: Abschreckung! Ich habe noch eine Frage zur Razzia damals im Oktober 2007 am Bergfrieder Weg. Das waren ja zwei Volljuristen die das, sag ich mal, vorsätzlich eingefädelt haben. Es muss ja immer der Staatsanwalt das beantragen und der Richter muss ihm dann zustimmen. Nun gibt es ja Anträge an das Amtsgericht in Remscheid, um festzustellen, dass das rechtswidrig war. Ich habe den Eindruck das verzögert sich alles sehr. Es sind ja Anträge die schon lange laufen. Wie lange dürfen solche Anträge laufen? Oder kann man da eine Beschwerde einlegen? Ist es möglich eine Beschwerde einzureichen, wenn das so lange dauert?
RA Klemens Roß: Zumindest eine Dienstaufsichtsbeschwerde. Ich weiß von den Kollegen, die auch daran arbeiten, dass die Staatsanwaltschaft es so ein bisschen vor sich her schiebt. So nach dem Motto: „Ihr habt doch jetzt schon einen positiven Beschluss. Die anderen werden genauso ausgehen. Warum müssen wir extra noch das machen?“ Ich würde für jeden Flüchtling den Beschluss haben wollen wo drin steht das war falsch. Um zumindest den Anspruch zu haben Schadenersatz geltend machen zu können. Man muss sich dann überlegen, ob so ein Schadenersatz nicht auch in einer Form von Schmerzensgeld kommen könnte. Man muss sich darum Gedanken machen. Wir Juristen werde das auch machen, wenn es dann soweit ist. Ich nehme das nochmal auf und kann das dann nochmal rum mailen. Oder das ans Ministerium weiterleiten und sagen, dass hier nicht gearbeitet wird.
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