Tag des offenen Lagers in Böbrach und Breitenberg
Bericht von Aktivist_innen der „Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migrant_innen“
Zu viert starteten wir als Delegation der „Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen“ am Freitag, 17. April zum „Tag des offenen Lagers“ in Böbrach und Breitenberg im Bayerischen Wald. Ziel dieser Aktion des bayernweiten Netzwerkes „Deutschland Lagerland“: Gemeinsam mit den Bewohner_innen der Flüchtlingslager den geladenen Journalist_innen und Landtagsabgeordneten die Realität des Lagerlebens plastisch vor Augen zu führen und damit Druck auf die anstehende Landtagsentscheidung zu machen, dass mit der menschenverachtenden Zwangsunterbringung von Flüchtlingen in Lagern endlich Schluss sein muss. Also auf in die tiefste niederbayerische Provinz!
Schon die Ankunft in dem 1500 Einwohner_innen Ort Böbrach macht uns deutlich: Hier will niemand wirklich freiwillig hin, außer vielleicht für ein paar Tage Wanderurlaub im Naturpark bayerischer Wald. Denn hier gibt es einfach nix!
Gerade als junger Mensch muss man doch hier gnadenlos versauern… Das Lager ist ein wahres Dschungel-Camp, es liegt mitten im Wald und ist nur über eine kleine Forststraße mit der Außenwelt verbunden. Die hier Zwangsuntergebrachten sind hauptsächlich alleinstehende junge Männer. Ungefähr 7 Leute versammeln sich in einem Zimmer des Lagers, um sich mit uns und der Presse zu unterhalten. Auf dem Fenstersims ist eine ganze Batterie von Handys aufgereiht - nur an dieser Stelle hat man überhaupt Empfang, ansonsten liegt das Lager in einem Funkloch. Der Hausmeister des Lagers ist zunächst sichtlich nervös, meckert herum, dass wir, ohne uns anzumelden, einfach reingegangen sind und schickt uns zum Lagerleiter.
Dieser weist eindringlich drauf hin, dass wir ja keine Fragebögen verteilen und auch keine Fotos machen, auf denen die Lage des Lagers erkennbar ist (angeblich wegen der Gefahr von Nazi-Angriffen…), ansonsten bewegt er sich nicht aus seinem Stuhl weg und lässt uns in Ruhe. Auch der Hausmeister, der sich anfangs etwas penetrant neben das Gespräch zwischen uns und den Bewohnern stellt, verzieht sich nach einem deutlichen Wink mit dem Zaunpfahl. Kurz danach kommt auch schon eine Journalistin des „Bayerwald-Boten“ (der örtliche Ableger der „Passauer Neuen Presse“) und einer vom „Bayerwald-Wochenblatt“. Die Lager-Insassen reden Klartext über ihre missliche Lage: Die Isolation im Busch, die zum Nichtstun verdammt; das Festsitzen angesichts nur wenige Male täglich verkehrender und mit 40 Euro Taschengeld schwer zu finanzierender Busse; das völlige Fehlen angemessener Sprachkursangebote, was die ohnehin schwierige Kommunikation mit
der örtlichen Bevölkerung weiter erschwert; das ablehnende und zuweilen offen rassistische Verhalten vieler Einheimischer; das Abgeschnitten sein von der
Kommunikation mit Angehörigen und Freund_innen im Herkunftsland, da es vor Ort kein Internetcafé, keine internationalen Telefonkarten und nur schlechten Handyempfang gibt; das nicht Vorhandensein von Freizeitmöglichkeiten; die Unzufriedenheit mit der entmündigenden Essenspaketversorgung; die Schwierigkeit eines Arztbesuches; die Lethargie, die den Schlaf raubt und psychisch krank macht… Einhellige Aussage: „This is not a place for human beings! We are treated like animals!“
Die Leute von der Lokalpresse schreiben aufmerksam mit, wir sind gespannt, was so kommt- immerhin haben die beiden Blätter in der Gegend durchaus einen hohen Verbreitungsgrad.
Zur detaillierteren Nachlese über Böbrach sei der folgende Artikel empfohlen:
http://carava.net/2009/03/02/boebrach-migrantische-realitaet-in-der-bay…
Und weiter geht’s zur nächsten Station nach Breitenberg:
Wesentlich stressiger als in Böbrach gestaltet sich hier die Auseinandersetzung mit der Lagerverwaltung. Nicht nur die Lagerleiterin, ist da, sondern gleich mehrere Leute von der Bezirksregierung von Niederbayern. Gemeinsam nehmen sie eine Karawane-Aktivistin kreuzverhörmäßig in die Mangel. Sie echauffieren sich insbesondere darüber, dass wir den „Tag des offenen Lagers“ ausgerufen haben, ohne uns mit der Heimleitung abzusprechen. Hausrechtlich können sie uns nichts ernsthaft vorwerfen – immerhin haben wir uns diesmal, im Hinblick auf den Termin mit Abgeordneten und Presse, sogar Besuchsgenehmigungen besorgt.
Vielmehr fühlen sie sich wohl allein dadurch provoziert und in ihrer Machtposition angegriffen, wenn die Bewohner_innen und deren Unterstützer_innen gemeinsam etwas tun, wo sie selbst nicht den Daumen drauf haben. Ein weiterer Stein des Anstoßes für die Leute von der Verwaltung ist ein Artikel über Breitenberg in unserer Pressemappe. Breitenberg sei schließlich „kein Gefängnis, sondern eine Idylle“ und es sei generell unmöglich, wenn wir über die Flüchtlingsunterkünfte von „Lagern“ sprechen – was, nebenbei bemerkt, die Presse schon längst tut. Die Aufregung geht bis hin zu einer Drohung mit einem „Nachspiel“ wegen des Artikels. Insgesamt macht das Verhalten der Lagerleitung und der Regierungsvertreter_innen deutlich: Wir haben mit unsrer Kritik der
Zustände in den bayerischen Flüchtlingslagern in ein Wespennest gestochen.
Jetzt, wo die Legitimation für die Lagerunterbringung von Flüchtlingen in der Öffentlichkeit immer mehr wegbröckelt, sind die Verantwortlichen, vom Innenminister bis zur örtlichen Lagerleitung, in höchstem Maße aufgescheucht.
Von Bewohnern des Lagers erfahren wir im weiteren Verlauf, dass die Lagerleiterin vor dem Besuch der Presse und der Abgeordneten tagelang das Lager geputzt hätte. Man tut halt was man kann, um gut Wetter zu machen…
Trotz der anfänglichen Erschwernisse seitens der Verwaltung bringen einige Bewohner ihre Sicht der angeblichen Breitenberger „Idylle“ vor einem Journalisten der Passauer Neuen Presse und zwei Landtagsabgeordneten – es erscheint zunächst Alexander Muthmann von den Freien Wählern, später kommt Bernhard Roos von der SPD- zum Ausdruck: Sie beschweren sich darüber, an ein Dorf in der tiefsten Provinz gefesselt zu sein, wo es für sie keine Arbeit, kein soziales Umfeld und keine Möglichkeiten der persönlichen Entfaltung gibt.
Ähnlich wie in Böbrach fehlen auch hier Sprachkurse sowie Angebote für Schulbesuch und Ausbildung. Interesse an Kontakt und Austausch scheint auch hier seitens der lokalen Bevölkerung wenig vorhanden zu sein. Eine Busfahrt nach Passau, die nächstgelegene größere Stadt, kostet einfach 6,50 Euro – bei 40 Euro Taschengeld im Monat. Fahrtkostenunterstützung gibt es bislang keine, nicht einmal für Behördengänge, Sprachkurse und Arztbesuche. Ein weiteres Ärgernis hinsichtlich der Benutzung von Bussen ist das rassistische Verhalten mancher Busfahrer, die sich zuweilen weigern, Flüchtlinge bis zur Endhaltestelle in Breitenberg zu befördern, wenn sonst niemand mehr im Bus
sitzt. Krankenscheine werden vor Ort in Breitenberg nur an den zwei Tagen in der Woche, an denen die Lagerleiterin anwesend ist, ausgegeben – Kranke müssen somit mehrere Tage auf einen Arztbesuch warten. Und manchmal bekommt man auch bei der Leiterin keinen Krankenschein, wenn gerade keine Formulare vorrätig sind. Auch die Wohnqualität im Lager in Breitenberg wird von den Bewohnern massiv beanstandet. Denn auch, wenn das Haus von außen hübsch anzusehen und in gutem baulichem Zustand ist, empfinden sie es dennoch als höchst unbefriedigend, sich zu dritt, zu viert oder zu fünft, ohne Privatsphäre, ein
Zimmer zu teilen. Das Fazit der Bewohner: „This place is not conducive for us!
It has to be closed down! We want to be moved to another place!” Die eigentlich so selbstverständliche Freiheit, nach München, Nürnberg oder Passau zu ziehen und sich eine eigene Wohnung zu suchen- für die Flüchtlinge in Breitenberg leider (noch) keine Realität.
In diesem Sinne: Close down Böbrach and Breitenberg! Lager abschaffen – Wohnungen für alle!
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