Isoliert statt integriert
Flüchtlinge beklagen katastrophale Lebensbedingungen in Möhlauer Asylbewerberheim. Zuständiges Landratsamt weist Vorwürfe zurück
Von Frank Brunner
Er sei nicht aus materiellen Gründen nach Deutschland gekommen, betont Salomon Wantchoucou, sondern weil er in seinem Heimatland, dem westafrikanischen Benin, politisch verfolgt wurde. Seit einem halben Jahr lebt der 35 jährige in einer Gemeischaftsunterkunft für Flüchtlinge im sachsen-anhaltinischen Möhlau, knapp zwanzig Kilometer südöstlich von Dessau. »In der ehemaligen NVA-Kaserne herrschen katastrophale Zustände«, sagte er am Freitag gegenüber junge Welt. Wenige Tage zuvor hatte Wantchoucou gemeinsam mit anderen Asylbewerbern einen Protestbrief veröffentlicht, in dem sie ihre Lebensbedingungen in Möhlau anprangerten.
Die Flüchtlinge, die u.a. auch aus Sierra Leone, Syrien oder dem Kosovo stammen, kritisieren darin unter anderem, daß die monatlich von den Behörden ausgehändigten Lebensmittelgutscheine im Wert von 132 Euro kaum für die notwendigsten Ausgaben reichen, sie beklagen, daß Arztbesuche lange vorher beantragt werden müssen, ihre Kinder Opfer rassistischer Übergriffe werden und daß Familienmitglieder in unterschiedlichen Unterkünften leben müssen. Viele von ihnen befürchten zudem, daß sie in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden sollen. »Wir leben isoliert im Wald; so ist eine Integration auch nicht möglich«, empört sich Wantchoucou. Die Flüchtlinge fordern die Schließung der Sammelunterkunft und die Verlegung in richtige Wohnungen. »Wir wollen ein normales, menschenwürdiges Leben führen«, heißt es in dem Schreiben.
Beim zuständigen Landratsamt Wittenberg weist man die Vorwürfe zurück. »Der Brief wimmelt vor Halbwahrheiten und Unkorrektheiten«, sagt Ronald Gauert, der Sprecher des Landkreises, gegenüber jW. So sei die medizinische Versorgung gewährleistet, zudem bemühe man sich, Familien zusammenzuführen, was allerdings nicht immer möglich wäre. »Die Gutscheine sind notwendig, um sicherzugehen, daß die Menschen für die staatlichen Sozialleistungen auch tatsächlich Lebensmittel einkaufen«, so der Sprecher. Rechtsextreme Anriffe auf Bewohner des Flüchtlingslagers habe es ebenfalls nicht gegeben. »Wir haben das überprüft; das waren ganz normale Auseinandersetzungen mit Bewohnern der Gemeinde«, so Gauert. In der Schule seien die Kinder der Asylbewerber sogar richtig gern gesehen, erzählt er. Eigene Wohnungen für die Flüchtlinge lehnt das Landratsamt Wittenberg ab. »Eine Gemeinschaftsunterkunft hat viele Vorteile, denn dort ist eine Betreuung durch die Heimleitung, die bei Problemen immer angesprochen werden kann, gesichert«, begründet Gauert diese Sichtweise. Für Salomon Wantchoucou sind das Ausflüchte. »Bisher war noch kein Vertreter der Behörde bei uns im Lager und hat sich angeschaut, wie wir hier leben«, berichtet der Asylbewerber Dennoch hoffe man, so Wantchoucou, weiter auf ein positives Signal aus dem Landratsamt.
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18.05.2009 / Inland / Seite 5Inhalt