Protestbrief an Wahlkreisabgeordnete - Residenzpflicht
Links: bundestag - Abgeordnete/r des Wahlkreises
Do. 25.06. Demonstration in Erfurt // Fotos: 8 Monate Haft für Verletzung der Residenzpflicht
*Spendenaufruf:Residenzpflicht abschaffen kostet Geld!
The VOICE Refugee Forum fordert die sofortige Freilassung von Felix Otto und Residenzpflicht abschaffen
Die Isolation brechen - (Bericht von dem Protest der Flüchtlinge in Erfurt)
Freiheit für Felix Otto!
*Acht Monate Gefängnis für den kamerunischen Asylbewerber Felix Otto in Thüringen
“Residenzpflicht” abschaffen! Bewegungsfreiheit jetzt!
NO POLICE! NO CONTROL!
Demonstration in Erfurt: Am Donnerstag, 25.06.2009
Treffpunkt: 13.00uhr, Am Anger
Kundgebung Mit African Percussion - Buggy Djembe Jive aus Jena
Die Isolation brechen
(Bericht von dem Protest der Flüchtlinge in Erfurt)
Die Wut der Würde (1)
Flüchtlinge aus Thüringen und Sachsen-Anhalt organisierten am 30. Mai 2009 ein öffentliches Speak Out und eine Protestkundgebung in der Erfurter Innenstadt.
Die zentrale Forderung war die sofortigen Freilassung von Felix Otto , der, weil er sein Recht auf Bewegungsfreiheit wahrgenommen hat, zu 8 Monaten Haft verurteilt wurde. Die Kundgebung war lebendiger Ausdruck des Kampfes gegen die Residenzpflicht (Petition) und demonstrativer Akt des zivilen Ungehorsams. Aus mehr als einem Dutzend Lagern im Südosten Deutschlands, Mauern der Unterdrückung, Zäune der Isolation überwindend kamen Flüchtlinge in Solidarität mit einem der ihren, dem Mann aus Kamerun, Felix Otto, der jetzt im Gefängnis in Suhl ist, weil er das Gleiche gemacht hat, wie alle Flüchtlinge gestern in Erfurt. Er hat das Recht auf Bewegungsfreiheit wahrgenommen – ein Grundrecht, ein natürliches Bedürfnis und darum ein Menschenrecht. Dieses Recht wird von Deutschland mit der sogenannten Residenzpflicht gebrochen. Die Residenzpflicht sperrt Flüchtlinge jahrelang in Landkreise, die sie ohne Sondergenehmigung der Ausländerbehörden nicht für eine Sekunde und nicht einen Zentimeter weit überschreiten dürfen. Bis zu einem Jahr Gefängnis oder/und 2500 Euro sind das Strafmaß für eine Handlung, die im Artikel 13 der Allgemeinen Menschenrechtscharta als universales Menschenrecht deklariert wird. Otto Felix ist kein Krimineller, Flüchtlinge sind keine Kriminellen. Sie nehmen ihr Menschenrecht wahr. Derjenige der dies sanktioniert ist im Unrecht und tut er dies bewußt und willentlich, ist er der Kriminelle.
Dagegen richtete sich das Speak Out in Erfurt. Die gerechte Wut, die Wut der Würde schallte aus den Lautsprechern, wenn Komi aus Togo feststellt, dass Demokratie und Integration in Deutschland mit Rassismus und Ausschluss verwechselt wird und dass dies ernste Folgen nicht nur für die Opfer, sondern für die gesamte Gesellschaft hat. Komi zeigte auf sein linkes Auge, es hat einen Teil seiner Sehkraft verloren – nach einer Attacke von Neonazis, eine Folge der deutschen „Integrationspolitik“, die Flüchtlinge zu Kriminellen stigmatisiert und sie in Lagern in ländlichen Gegenden mit einem besonders hohen Anteil rechts und rassistisch orientierter Gesinnung konzentriert.
Das Speak Out richtete sich auch an die Verblendeten, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben und dafür die Flüchtlinge verantwortlich machen wollen, so wie es ihnen immer wieder von den Hasspredigern in dieser Gesellschaft eingeredet wird. Es gab viele Antworten: Damals habt ihr viele MigrantInnen geholt, weil ihr für Euren Reichtum unsere Arbeitskraft brauchtet. Ihr ward und seid immer noch in unseren Ländern und führt dort bessere Leben als die Mehrheit unserer Bevölkerung dort. Ihr habt unsere Länder geplündert und kolonialisiert und tut dies immer noch. Flüchtlinge unterliegen dem Arbeitsverbot. MigrantInnen tragen hier die Hauptlast der 3S-Jobs (schwer, schmutzig, schlechtbezahlt). Die Wirtschaft nützt die künstliche Knappheit an Arbeitsplätzen, d.h. ein Heer von Arbeitslosen macht die um Arbeit konkurrierenden Menschen gefügiger und besser ausbeutbar. Der Rassismus verstellt den Blick auf das eigentliche Problem. Ein Aktivist erzählte von seiner Arbeit in Hamburg. Dort sind die Arbeiter aus Hamburger Firmen sauer auf die Arbeiter aus Mecklenburg-Vorpommern, weil deren Firmen niedrigere Löhne zahlen und deshalb billiger sind. Also schimpfen sie auf die aus dem Osten. Die aus dem Osten schimpfen auf die aus Polen und aus Osteuropa, alle schimpfen auf die aus den anderen Kontinenten. Wie dumm ist das denn? Wir sind alle Arbeiter und halten nicht zusammen, wem nützt das?
Hört endlich auf in diesen künstlichen und über Generationen anerzogenen nationalen Identitäten zu denken – Wir sind nur eine Menschheit!
Aber der Focus des Protests lag auf den grausamen Bedingungen, denen die Flüchtlinge unterworfen sind und ihrem Widerstand dagegen: Kinder schreiben mit Kreide Worte wie Gerechtigkeit und Freiheit auf die Strasse. Hashimes Tochter ist wie oft dabei. Das Heimatland ihrer Mutter ist kaum noch in ihrem Bewusstsein. Jetzt nach acht Jahren fordert die Behörde die Rückkehr in den Irak, da es dort sichere Zonen gäbe, in denen sie leben könnten. Hamsa aus Palästina zeigt sein Dokument von der Behörde. Unter der Rubrik Herkunftsland steht „Übriges Asien“. Seit 7 Jahren ist er in Deutschland. Er floh vor der israelischen Besatzung. Er ist Palästinenser und da Palästina nicht als eigenständiger Staat anerkannt ist, gilt er nach internationalem Recht als staatenlos, was ihm Aufenthalt und weitgehende Rechte in Deutschland garantieren würde. Deutschland hält sich trotz Unterschrift nicht an dieses Abkommen. Einem jungen Mann aus Syrien geht es sehr schlecht. Er sagt, er hat seine Abschiebung nach Syrien in der Tasche. Er soll Dokumente für seine Abschiebung der Behörde vorlegen. Was macht ein Mensch, dem man keine Chance gibt? Was würdest Du machen, wenn es Dich trifft?
Alle waren gekommen aus Solidarität mit Felix Otto und um ein neues Zeichen für den gemeinsamen Kampf gegen Ungerechtigkeit zu setzen. Es sind viele Schmerzen damit verbunden. Wer den Schmerz nicht spüren kann, der ist innerlich zu und seelisch gestört. Davon gab es auch in Erfurt viele drumherum, wie Zombies, die das sagen was ihre Chefs ihnen vorsagen.
Es gab aber auch Menschen, die sich angezogen fühlten, die den Schmerz, die Wut, die Kraft und die Würde spürten.
Wut gab es auch auf die Polizei vor Ort. Im Vorfeld wollte man die Kundgebung verhindern unter Verweis auf Parteienwahlveranstaltungen am gleichen Tag in der Innenstadt. The Voice Refugee Forum machte der Versammlungsbehörde klar, dass das Anliegen der Flüchtlinge sich nicht mit irgendwelchen Scheinformalitäten abwehren lasse. Am Kundgebungsort sprach die Polizei zunächst von Kooperation und warnte, dass es in den letzten Tagen vermehrt zu Attacken und Angriffen mit rechtem Hintergrund gekommen sei. Später wurde ein Nazi, der auf Provokation aus war, verjagt, was die Polizei zum Anlass nahm, Personenkontrollen durchzuführen. Eine Kontrolle wurde von uns gestoppt, was zur Folge hatte, dass die Polizei einen Videodokumentationswagen vorfuhr und eine Kamera am Mast auf die Kundgebung richtete. Ununterbrochene Rufe „Kamera weg“ über die Lautsprecheranlage, Schilder die die Kamera verdeckten und eine wütende Diskussion mit der Einsatzleitung führten dazu, dass der Wagen dann hundert Meter weiter gefahren wurde. Später gab es eine Festnahme. Der junge Mann, der mit der Abschiebung nach Syrien bedroht ist, wurde mitgenommen. Seine Freunde aus dem Lager in Apolda erklärten der Polizei, dass alle zusammen gehen, ansonsten die Kundgebung nicht enden wird. Nach einiger Zeit wurde er entlassen.
demonstrativ gegen die Provokation
Nach ca. 6 Stunden wurde die Versammlung beendet. Es war der Auftakt für weitere Aktionen der Selbstorganisierung, der Verteidigung unserer Rechte, des zivilen Ungehorsams gegen die deutschen Apartheitsgesetze und der internationalen Solidarität. Am 25. Juni wird eine Demonstration in Erfurt stattfinden und für die zweite Septemberwoche in diesem Jahr bereiten The Voice und die FlüchtlingsaktivistInnen eine bundesweite Aktionskonferenz in Erfurt vor. Unterstützung kommt vom offenen Jugendbüro RedRoxx in Erfurt.
Doktor Maksud, Dariush, Salo, Abou, Komi, und viele andere aus den Isolationslagern in Deutschland rufen alle Flüchtlinge auf sich zu erheben gegen das Unrecht, das nicht nur ihnen, sondern auch ihren Familien, die sie in der Heimat zurücklassen mußten, angetan wird. Der Kampf ist ein Kampf für alle Flüchtlinge in dieser Welt und für alle Menschen, die sich im anderen erkennen.
Während ich im Zug nach Hamburg sitze, denke ich an andere von uns, die jetzt mit Bummelzügen, Bussen und langen Fußmärschen immer unter der Bedrohung von Polizeikontrollen oder Naziattacken auf dem Weg zurück in die Lager sind – zurück in die Isolation, die sie jeden Tag neu brechen müssen.
Es war ein Tag an dem die Wut der Würde sprach.
(1) http://thecaravan.org/node/1998
Bericht eines Karawane Aktivisten
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