Vergessener Brand im Flüchtlingsheim
press: otz.nachrichten
Donnerstag, 30. Juli 2009
Ein 28-jähriger offenbar psychisch kranker Jordanier wollte sich in Katzhütte umbringen
Von OTZ-Redakteur Thomas Spanier Katzhütte. Bereits am 17. Juli stand im Flüchtlingsheim in Katzhütte (Kreis Saalfeld-Rudolstadt) Mobiliar in Flammen. Brandstifter war ein 28-jähriger Asylbewerber aus Jordanien, der das Feuer offenbar in der Absicht gelegt hatte, sich selbst umzubringen.
Mitbewohner bemerkten den Brand und "holten den lebensmüden Mann aus dem brennenden Zimmer", wie die Polizei in Saalfeld gestern mitteilte. Der 28-Jährige sei zuvor mehrere Wochen in der psychiatrischen Klinik in Saalfeld in Behandlung gewesen. Er soll an paranoider Schizophrenie leiden. "Das Motiv für sein Handeln kann im Zusammenhang mit seiner Erkrankung gesehen werden", so Polizeisprecherin Cindy Prochnow.
Zum Einsatz waren neben Polizei und Rettungsdienst auch Feuerwehren aus Katzhütte, Oberweißbach und Meura gekommen. Der Brandstifter, der unverletzt blieb, wurde auf richterlichen Beschluss wieder in die Klinik eingewiesen.
Dass der Fall zwölf Tage später überhaupt publik wurde, ist dem Flüchtlingsrat Thüringen zu verdanken. Der teilte gestern mit, dass sich ein Bewohner des Heimes, das wegen der unzumutbaren Zustände bereits mehrfach in den Schlagzeilen war, in Brand gesetzt habe. Die Polizei habe die Gefahrensituation beim ersten Anruf der Helfer nicht sofort wahrgenommen und "erst nach zwei weiteren Rückrufen der Polizei und mehrmaligen Buchstabie-ren seines Namens" die Feuerwehr losgeschickt, so Ellen Könneker vom Flüchtlingsrat.
Die Polizei weist diese Darstellung zurück. Drei Minuten nach Eingang des Notrufes in der Polizeiinspektion Rudolstadt habe man die Rettungsleitstelle über den Brand informiert. Erst danach habe man den Anrufer zurückgerufen, "um nähere Einzelheiten in Erfahrung zu bringen".
Warum die Öffentlichkeit von dem Brand zunächst gar nichts erfuhr, konnte Sprecherin Prochnow, die zu der Zeit im Urlaub war, gestern nicht erklären. Möglicherweise habe es einfach daran gelegen, dass der Brand an einem Freitagabend 21 Uhr passierte. So vermeldete die Polizeidirektion zwar in einem "Sonderpressebericht" das Verhindern eines Rechts-Rock-Konzertes in Haselbach und am Montag den Brand einer alten Turnhalle in Rudolstadt, das Feuer in Katzhütte aber blieb unerwähnt.
Für den Flüchtlingsrat ist der Vorfall ein Grund mehr, das Heim, das jetzt vom Landkreis betrieben wird, endgültig zu schließen. Katzhütte bedeute ein "Leben in völliger Isolation, Einsamkeit und Ungewissheit", so Könneker.
Zitat: "Wie verzweifelt muss ein Mensch sein, der sich selbst anzündet?"
Ellen Könneker, Flüchtlingsrat Thüringen
http://www.otz.de/otz/otz.nachrichten.volltext.php?kennung=on9otzHOMHom…
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Pressemitteilung des Thüringer Flüchtlingsrates
vom 29.07.2009
Katzhütte: Flüchtling setzt sich in Brand
Flüchtlingsrat Thüringen fordert Schließung des Lagers
Wie erst jetzt bekannt wurde, hat sich am Abend des 17.07.2009 ein Bewohner des Flüchtlingslagers Katzhütte in Brand gesetzt. Dank der couragierten Hilfe zweier Flüchtlinge konnte er gerettet werden. Kurz nach dem Vorfall wurden bereits alle Brandspuren in dem Lager beseitigt.
Der Flüchtlingsrat fordert umgehend Aufklärung dieses Vorfalls!
Nach den uns vorliegenden Informationen hat sich folgendes zugetragen:
Gegen 21 Uhr hatte der Mitbewohner Sinan Jarjis das Feuer in dem Zimmer des Flüchtlings bemerkt und sofort die Polizei informiert. Mit dem Feuerlöscher in der Hand und unter Panik versuchte er den Ernst der Lage der Polizei zu schildern, doch diese nahm die Gefahrensituation nicht sofort wahr. "Es ist ernst. Kommen Sie. Das ist kein Spaß!" sagte der
Anrufer immer wieder, während er mit einem anderen Flüchtling versuchte das Feuer zu bändigen. Erst nach zwei weiteren Rückrufen der Polizei und mehrmaligen Buchstabieren seines Namens, schickte die Polizei die Feuerwehr los. Etwa nach 10-15 Minuten war die Feuerwehr eingetroffen.
"Nur dank des beherzten Eingreifens der beiden Flüchtlinge konnte der brennende Flüchtling aus dem Feuer gezogen und sein Tod verhindert werden" sagt Ellen Könneker vom Thüringer Flüchtlingsrat. Derzeit befindet er sich in ärztlicher Behandlung in einem Krankenhaus.
"Wie verzweifelt muß ein Mensch sein, der sich selbst anzündet?" fragt Ellen Könneker weiter. In dem Flüchtlingslager in Katzhütte zu leben, bedeutet nicht nur das Warten auf eine Entscheidung im Asylverfahren, sondern auch Leben in völliger Isolation, Einsamkeit und Ungewissheit. Der Versuch, das eigene Leben zu beenden, schien dem Flüchtling der einzige Ausweg.
Die unzumutbaren Lebensverhältnisse in Katzhütte waren im letzten Jahr bundesweit in die Schlagzeilen geraten, nachdem die BewohnerInnen lautstsark dagegen protestiert hatten. Der Flüchtlingsrat Thüringen fordert die umgehende Schließung des Flüchtlingslagers Katzhütte und eine menschenwürdige Einzelunterbringung für die wenigen, dort noch lebenden BewohnerInnen!
Flüchtlingsrat Thüringen e.V.
Warsbergstr. 1
99092 Erfurt
Tel. 0361 2172720
Fax. 0361 2172727
www.fluechtlingsrat-thr.de