Presse zur Möhlau Isolationslager in Sachsen-Anhalt: Podiumsdiskussion und Demonstration in Wittenberg
Das Isolationslager Möhlau schließen! - Aufruf der Flüchtlingsinitiative Möhlau
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jungewelt press, 12.11.2009 / Inland / Seite 5Inhalt
System der Isolation
Deutsche Flüchtlingslager sind in katastrophalem Zustand. Bündnis ruft zum Widerstand auf
Von Sebastian Thalheim
Sie leben abgeschottet von der Gesellschaft in Sammellagern an Stadträndern und in menschenleeren Gebieten. Flüchtlinge in Deutschland werden nicht integriert, sondern ausgeschlossen. Gegen diese Politik wird ein Bündnis aus sechzehn Initiativen am Samstag, den 14. November, in der Lutherstadt Wittenberg demonstrieren (Treffpunkt: 13 Uhr am Bahnhof). In einem Aufruf fordern sie ein Recht auf Bewegungsfreiheit, Arbeit und Integration für Asylbewerber sowie die Schließung sämtlicher Lager. »Ganz Deutschland feiert die Wende von ’89, aber für die Flüchtlinge hat sich seitdem die Situation verschärft«, erklärte Friedrich R. von der Hilfsorganisation caravan Halle gegenüber junge Welt.
Im Zentrum ihrer Kritik steht besonders das Flüchtlingslager Möhlau in Sachsen-Anhalt. 200 Auswanderer aus dem Kosovo, Syrien, Palästina und Zentralafrika müssen dort unter menschenunwürdigen Bedingungen leben. »Wir sind völlig traumatisiert«, beschreibt Salomon Wantchoucou, Sprecher der Flüchtlingsinitiative Möhlau, die Verhältnisse vor Ort. Wantchoucou kam 2001 als Vertriebener aus Benin nach Deutschland. Seit Jahren kämpft er gegen seine Abschiebung und für eine Integration in die Gesellschaft. Doch dafür liegt Möhlau zu weit weg. Dreißig Kilometer trennen das Lager von der Kreisstadt Wittenberg. Zum Arzt können die Bewohner nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Der Bus fährt zwei Mal am Tag. Zugverbindungen gibt es nicht. Viele Vertriebene litten unter Depressionen, so Wantchoucou. »Wir sind Menschen ohne Perspektive.«
Zudem sind die hygienischen Zustände des Lagers gesundheitsgefährdend. Die marode Kaserne zieht nicht nur Feuchtigkeit und Schimmel an, sondern auch Ungeziefer wie Ratten und Mäuse. Statt dagegen zu handeln, entzieht sich Wittenberg jeglicher Verantwortung, »zuständig« ist eine Privatfirma. Laut Frauke Sonnenburg, Projektleiterin des Flüchtlingsrates Sachsen-Anhalt, wäre es »kein Problem«, die Migranten anderweitig unterzubringen. In Wittenberg gebe es genug freien Wohnraum, der Anteil von Flüchtlingen an der Bevölkerung in der Region liege unter zwei Prozent.
http://www.jungewelt.de/2009/11-12/040.php
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Unterkunft ist wieder im Blick
Möhlau: Linke wollen eine intensive Prüfung
erstellt 06.11.09, 20:05h, aktualisiert 07.11.09, 00:03h
WITTENBERG/MZ/WAM. Mit der Gemeinschaftsunterkunft in Möhlau wird sich "in absehbarer Zeit" die Bundestagsfraktion der Linken beschäftigen. Horst Dübner (Linke) hat am Freitag eine Runde mit Bundespolitikern im Landkreis angekündigt. Die Kreistagsfraktion selbst diskutiere erst wieder über Möhlau, seit das Heim wieder in die Öffentlichkeit gerückt sei, merkte er "selbstkritisch" an. Allerdings habe sich auch der Kreistag zum letzten Mal 1999 mit dem Heim beschäftigt. Dübner verwies auf den entsprechenden Kreistagsbeschluss, der zwar die zentrale Unterkunft besiegelte, aber auch eine Arbeitsgruppe vorsah, um die Entwicklung der Situation zu überprüfen. Im Jahr 2000 sollte sie ihre Arbeit aufnehmen, eingesetzt worden sei sie nie, sagt Dübner. Nun aber sei vereinbart, eine solche Gruppe mit Vertretern von Kreisverwaltung, Kreistag, Heimbewohnern und Wohnungsgesellschaften tatsächlich ins Leben zu rufen.
Eine Forderung, das Heim "unverzüglich" aufzulösen, hält Dübner nicht für sinnvoll. "Davor haben wir noch einiges an Arbeit." Dabei gehe es nicht nur um das Abklopfen rechtlicher Belange. "Es sind auch humanitäre Fragen zu klären", so Dübner.
Begonnen haben die Linken schon. Dübners Stellvertreter im Kreistag, Jörg Schindler, hat sich in Berlin schlau gemacht. Dort habe die Verwaltung von Gutscheinen zur Versorgung doppelt so viel gekostet wie der eigentliche Tagessatz ausmache, sagt Schindler. Und auch die dezentrale Unterbringung habe der Stadt Berlin Einsparungen gebracht. Bei 2 400 betroffenen Bedarfsgemeinschaften seien das rund eine Million Euro pro Monat. Im Kreis Wittenberg handle es sich zwar nur um 200 Personen, "aber das Beispiel zeigt, dass dezentrale Unterbringung nicht teurer ist, vermutlich sogar günstiger", sagt Schindler.
Landrat Jürgen Dannenberg (Linke) habe zugesichert, sowohl die Frage der Gutscheine als auch der dezentralen Unterbringung zu prüfen. Anfang Oktober hatte die zuständige Geschäftsbereichsleiterin Anke Tiemann allerdings erklärt, dass eine Heimlösung in Möhlau "die günstigste und wirtschaftlichste Variante" sei (die MZ berichtete). Bei einer Diskussion am Mittwoch hat sie nun eine Prüfung angekündigt, mit dem Ziel, "eine Lösung zu finden, die eine Verbesserung für die Heimbewohner bringt, ohne den gesetzlichen Rahmen zu sprengen".
http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksA…
---------------------------- Original Message ----------------------------
Subject: Fwd: Presse zur Podiumsdiskussion
From: "salomon wantchoucou"
Date: Wed, November 11, 2009 12:49 am
To: thevoiceforum@emdash.org
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mdr.de: Asylbewerberheim auf Prüfstand
Das Asylbewerberheim in Möhlau im Landkreis Wittenberg steht auf dem Prüfstand. Wie die Kreisverwaltung mitteilt, soll innerhalb von sechs Monaten entschieden werden, ob der Vertrag mit dem privaten Betreiber verlängert wird. Es gäbe bauliche Mängel und Auseinandersetzungen unter den Bewohnern. Eine Option sei, die Flüchtlinge an verschiedenen Standorten unterzubringen.
es gab auch einen Beitrag bei mdr Sachsen-Anhalt heute, leider ist der Beitrag nicht mehr online, wurde der Beitrag aufgenommen?
---------MZ 5.11.09----
MZ - überregional
FLÜCHTLINGE Landkreis Wittenberg will Unterbringung überprüfen
WITTENBERG/MZ/SHO - Die Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in Möhlau im Landkreis Wittenberg steht auf dem Prüfstand. Innerhalb eines halben Jahres soll die Entscheidung darüber fallen, ob der Vertrag mit dem privaten Betreiber des Heimes verlängert wird. Das Haus ist mehrfach in die Schlagzeilen geraten. Im Sommer wurde ein Brandanschlag auf einen Bewohner verübt, bauliche Mängel brachten den Betreiber in die Kritik. Die Kreisverwaltung sicherte nun eine Überprüfung der Situation zu. Eine Option ist dabei auch die dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge.
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MZ - Wittenberg
Flüchtlingsunterkunft kommt auf den Prüfstand
PODIUMSDISKUSSION In der Evangelischen Akademie debattierten Vertreter aus Politik und Verwaltung mit Bewohnern des Möhlauer Asylbewerberheimes.
VON STEFANIE HOMMERS
WITTENBERG/MZ - "Viele sagen jetzt, sie wollen etwas ändern, aber am nächsten Tag stimmt es schon nicht mehr." Gespannt, aber mit einer gehörigen Portion Skepsis sitzt Fatma Ali am Dienstagabend im Veranstaltungssaal der Evangelischen Akademie und hört zu, was die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion zu sagen haben. Es geht um ihr Leben.
Es geht um die Bedingungen, unter denen die 13-Jährige zusammen mit ihrer Familie im Flüchtlingsheim in Möhlau ihre Tage verbringt - und das schon seit Jahren.
Vor dem Hintergrund der viel diskutierten und schon mehrfach scharf kritisierten Wohnbedingungen in der Gemeinschaftsunterkunft des Landkreises Wittenberg hatte die "Initiative runder Tisch Flüchtlingsheim Möhlau" zu einem öffentlichen Podiumsgespräch in die Evangelische Akademie nach Wittenberg eingeladen. Sie wollte damit die prekäre Wohnsituation für rund 200 Menschen am äußersten Rand der Ortschaft Möhlau zumindest geographisch von der Peripherie ins Zentrum
rücken.
Auf dem Podium hatten Corinna Reinecke (SPD), Mitglied des Landtages von Sachsen-Anhalt und des Kreistages Wittenberg, und die Integrationsbeauftragte der Landesregierung Sachsen-Anhalt, Susi Möbbeck, Platz genommen. Aus Möhlau waren die beiden Heimbewohner Salomon Wantchoucou und Toure Dramane vertreten, mitdiskutiert haben die zuständige Geschäftsbereichsleiterin im Landkreis Wittenberg, Anke Tiemann, sowie der Vorstandsvorsitzende des Flüchtlingsrates
Sachsen-Anhalt, Rechtsanwalt Christoph Kunz.
Als Moderator führte Tobias Thiel, Studienleiter der Evangelischen Akademie, durch eine knapp dreistündige Debatte mit hitzigen wie hoffnungsvollen Momenten rund um die Frage, wie die Integration der mehrheitlich geduldeten Heimbewohner vorangetrieben, ihre Lebenssituation verbessert werden könne. "Integration bedeutet zuallererst, etwas tun zu dürfen in der Gesellschaft in der man lebt", betonte Salomon Wantchoucou. Statt Integration erlebe man in Möhlau Isolation. Viele Menschen seien schon seit Jahren zur Untätigkeit verdammt. Neben der räumlichen Isolation beklagte Toure Dramane die aus seiner Sicht diskriminierende Ausgabe von Gutscheinen statt Bargeld und Probleme mit Vergabe von Krankenscheinen.
Anke Tiemann verwies auf die rechtlichen Rahmenbedingungen, die das Handeln des Landkreises in wesentlichen Teilen bestimmten und beschränkten und mit denen sie auch nicht glücklich sei. Die Integrationsbeauftragte wie auch der Vorsitzende des Flüchtlingsrates betonten dagegen, dass es durchaus Spielräume gebe. "Niemand ist gezwungen, die faktische Integration durch die Einrichtung einer völlig abseits gelegenen Unterkunft zu verhindern", unterstrich Christoph Kunz.
Und Susi Möbbeck führte an, dass es in verschiedenen Landkreisen durchaus "unterschiedliche Entscheidungskulturen" gebe.
Weniger diplomatisch formulierte die Integrationsbeauftragte ihr Urteil über den Zustand des Heimes selbst. Was das Gebäude angehe, zähle Möhlau landesweit "zu den schlechtesten Unterkünften", es gebe "akute Mängel". Ob die notwendige Komplettrenovierung indes sinnvoll sei, bezweifelte sie. Susi Möbbeck plädierte dafür - auch unter finanziellen Aspekten - über eine dezentrale Unterbringung nachzudenken. Zumal die Entscheidung
für eine zentrale Unterbringungsvariante nicht zuletzt durch rasant sinkende Asylbewerberzahlen in Frage gestellt würde: Kamen 1991 noch rund 15 000 Flüchtlinge pro Jahr nach Sachsen-Anhalt, waren es im vergangenen Jahr nicht einmal mehr 1 000.
Dass die Zügel in der Vergangenheit vielleicht ein wenig zu locker gehalten wurden, gestand Corinna Reinecke zu. "Die Evaluierung der Situation im Heim wurde vernachlässigt, sie muss nun dringend erfolgen." Die SPD-Abgeordnete sagte zu, dass sich der Kreistag intensiv mit dem Thema auseinander setzen werde und plädierte zudem dafür, die unmittelbar Betroffenen in diesen Prozess einzubinden. Auch Anke Tiemann versprach eine Prüfung innerhalb des nächsten halben Jahres mit dem Ziel "eine Lösung zu finden, die eine Verbesserung für die Heimbewohner bringt, ohne den gesetzlichen Rahmen zu sprengen". Fatma Ali ist gespannt, was aus den Ankündigungen wird. Und bleibt vorerst skeptisch.
Kommentar Seite 10
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Raus aus der Abseitsfalle
STEPHANIE HOMMERS
ist der Ansicht, dass die Behandlung
von Flüchtlingen kein Randproblem sein darf.
Aus den Augen - aus dem Sinn: Dieses Motto drängt sich auf, wenn man die Lage der Flüchtlingsunterkunft des Landkreises Wittenberg am Rande von
Möhlau betrachtet. So weit weg wie das Heim selbst ist für die meisten Einwohner des Landkreises der Alltag jener Menschen, die hier leben müssen. Weitgehend isoliert, ohne die Möglichkeit, einer Arbeit nachzugehen oder Deutschkurse zu besuchen, harren die Bewohner aus aller Herren Ländern am Rande einer Gesellschaft aus, die sie lediglich duldet, statt ihr Potential zu nutzen. Und das oft schon seit Jahren.
Gewiss, viele der Rahmenbedingungen, unter denen die Flüchtlinge leiden, sind auf Bundesebene festgelegt worden. Dass es lokal trotzdem Handlungsspielräume gibt, wurde bei der Podiumsdiskussion in der Evangelischen Akademie mehr als deutlich.
Dass diese Spielräume in Zukunft genutzt werden könnten, um eine Verbesserung herbeizuführen, zeichnete sich als matter Hoffnungsschimmer
am Horizont ab. Und wenn es tatsächlich gelingt, die Flüchtlinge aus der Abseitsfalle herauszumanövrieren, könnte das uns allen zugute kommen.
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Deutsch/English:
Aufruf von Togo Action Plus
The Protest of The VOICE Refugee Forum, By Salomon W. from the Refugee Heim in Möhlau (Sachsen-Anhalt)
Refugee News Network (RNN), Fri, 06/02/2009 - 06:26
Pressespiegel zum Lager in Möhlau nach dem Azad Murad Hadji lebensgefährlich verletzt wurde und am 14. Juli starb
Never give up the fight!
Meeting of The VOICE Refugee Forum in Thueringen
25.04 - 27.04.2008 in Jena.