Sammelunterkunft Meinersen / Landkreis Gifhorn / Bundesland Niedersachsen / Deutschland
Erst als die Flüchtlinge zu einer Demonstration aufriefen, um mit Flugzetteln auf ihre unerträgliche Situation aufmerksam zu machen, erfuhr nicht nur die Öffentlichkeit von dem isolierten Lager - selbst Leute aus dem Ort, sagten, sie wussten bis heute nichts von einem Asylheim dort. Obwohl das Lager schon seit 20 Jahren betrieben wird. Ein Flüchtling aus dem Iran lebt schon seit 13 Jahren dort.
Mit der Demonstration am 03. Juli 2010 konnten sich die Flüchtlinge aus dem Lager Meinersen erstmals Gehör verschaffen. Briefe, die sie zuvor an Politiker auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene geschrieben hatten, blieben ergebnislos. Scheinbar befinden es die Politiker für gut, erwachsene Menschen einschließlich der Kinder zu kasernieren, zu konzentrieren, zu isolieren und zu kontrollieren.
Auch drei Wochen nach der Demonstration ist nichts passiert. Aber wir machen weiter – sagen uns die Menschen als wir sie im Lager besuchen.
Im Lager Meinersen leben 75 Menschen dabei fünf Familien mit Kindern und Babys. Die Menschen sind Flüchtlinge aus Syrien, Russland, Armenien, Palästina, Irak, Iran, Pakistan, Afghanistan und weiteren Ländern.
Verlässt man den kleinen Ortskern von Meinersen aus Richtung Gifhorn, muss man die Bundesstraße 188 überqueren, um in das Meinerser Industrie- und Gewerbegebiet zu kommen.
An dessen äußersten Rand, wo die asphaltierte Straße in einen Schotterweg übergeht, eingeschlossen von der Schnellstraße, dem Gewerbegebiet und Weizenfeldern findet man das Lager – eingezäunt, Eisentor mit Kontrollbude und am Gebäude viele Satellitenschüsseln.
Betreiber und Profiteur des Lagers ist das in Sottrum bei Bremen ansässige Unternehmen K&S, welches neben dem Geschäft mit dem Leid und Leben von Asylbewerbern auch Seniorenheime unterhält. Bekannt wurde die Firma, während der Proteste gegen das Thüringer Schimmelpilz-Barackenlager Katzhütte.
Das eingezäunte rechteckig angelegte ebene Stück Rasenfläche - geschätzt ein halbes Fussballfeld groß - hat keinen Baum und keinen Strauch. In einer Ecke befindet sich eine weiter Umzäunung – der private Dienstparkplatz des Lagerleiters.
In der gegenüberliegenden Ecke lehnen dutzende Fahrräder in allen möglichen Farben und Zuständen aneinander. Die Anfrage der Flüchtlinge auf etwas Baumaterial für eine Überdachung als Regenschutz wurde abgelehnt – genauso wie die auf ein oder zwei Bänke und einen Tisch und die auf einen Sonnenschutz als die Temperaturen über 30 Grad stiegen – draußen kein Schatten und im oberen Stockwerk zwischen 40 und 50 Grad – alles abgelehnt.
Es gibt in der dritten Ecke zwei Holzgestelle mit zwei Schaukeln und einer Wippe, die wurden erst nach wütenden Beschwerden der Mütter und Väter aufgestellt. Jetzt streiten sich manchmal ein dutzend Kinder ums Schaukeln.
Die vierte Ecke des Lager ist leer. Einen Geräteschuppen mit Tür und Vorhängeschloss gibt es auch noch – damit alles sauber und ordentlich aussieht, wenn es mal drauf ankommt. Sowie kurz vor der Demonstration als der Hausmeister zwei Tage putzte und räumte. Nichts sei los sagte er und dann kam eine öffentliche Begehung.
Exakt in der Mitte des eingezäunten Rechtecks steht ein rechteckiges zweigeschossiges Steinhaus. Der Eingang befindet sich auf der linken Seite auf Höhe der Gebäudemitte. Vom Eingang bis zum Zaun sind es ein paar Meter, direkt dahinter die Weizenfelder. Eine Bank vor dem Zaun haben sie sich selber gebaut aus ein paar Steinen und alten Brettern, die im Gewerbegebiet lagen. Ein Mann erzählt, dass er, als er neu hier ankam, dort gesessen hat, während ein Traktor nebenan das Feld auf und ab fuhr und dabei eine Menge Staub aufwirbelte. Der Staub war Dünger und es wurde gewarnt zu Düngezeiten dort zu sitzen. Die Fenster des Hauses sind 5 Meter weiter entfernt und die Schaukeln der Kinder sind auch neben dem Zaun.
Das Gebäude – was immer es zuvor war, jedenfalls kein Wohnhaus – hat zwei Ebenen mit je einem durchgehenden Flur, von welchem rechts- und linksseitig die Wohnräume der Flüchtlinge abgehen. Die Familien leben in je einem Raum von ca 20 m². Der Raum ist „Wohnzimmer, Schlafraum, Esszimmer, Kinderzimmer, alles in einem. Die Wände zu den Nachbarzimmern sind aus Gipskarton, so dass man immer Geräusche und Gespräche von rechts und links nebenan hören kann. Einzelpersonen müssen zu viert und jetzt schon manchmal zu fünft in einem Raum wohnen. Die Standardausstattung sind vier Feldbetten, vier Metallspinde, ein Tisch und vier Stühle. Ein Flüchtling berichtete während unseres zweiten Besuchs, dass der Leiter des Lagers gesagt hätte, dass noch mehr Flüchtlinge nach Meinersen kommen werden. Dabei ist das Lager schon jetzt völlig überbelegt. Ob die Aussage des Leiters stimmt oder ob er damit die Flüchtlinge nur weiter psychisch quälen will, kommt aufs Gleiche hinaus. Keiner dort kann so mehr weiter leben.
Im oberen Stockwerk reiht sich Zimmer an Zimmer. Es gibt nur einen Kochraum und nur eine Treppe. Ein Giebelfenster ist als Notausgang gekennzeichnet – die drei Meter nach unten muss man fallend überwinden, da eine Treppe oder eine Leiter nicht vorgesehen ist. Toiletten gibt es im oberen Stockwerk nicht eine.
Die befinden sich unten neben den Duschen und einem weiteren Kochraum.
Dahinter gibt es noch einen Technikraum, eine Waschküche und zwei Zimmer für den Hausmeister und den Leiter, was bedeutet, dass das Personal an seinem Arbeitsplatz vier bis achtmal soviel Platz hat wie ein Mensch der dort wohnen und leben muss. Und das ist so normal und selbstverständlich, dass man keinen Rassismus darin erkennen mag.
Wenn Toiletten über Stunden gesperrt werden oder das Wasser nur spärlich aus dem einzigen Duschkopf der vier Naßzellen läuft, heißt es „hier ist kein Hotel“.
Ihre Wäsche müssen die Menschen aus dem Lager beim Hausmeister oder beim Leiter des Lagers abgeben. Sie dürfen ihre Wäsche nicht selber waschen. Sie geben ihre Körbe mit ihrer privaten Kleidung vom Pullover bis zur Unterhose und erhalten dann einige Zeit später die Wäsche mal sauber mal dreckig wieder zurück.
Bei jeder alltäglichen Verrichtung ist das Lagerpersonal zwischengeschaltet und Stress vorprogammiert.
Für die Männer im Lager gibt es drei Toiletten und zwei Urinale dazu vier Duschkabinen, die offen zueinander stehen, so dass auf jeden Fall keine Intimität gewahrt ist – ebenso wenig wie hygienische Standards.
Die Flüchtlinge im Lager sind sowohl medizinisch wie ernährungstechnisch unterversorgt und unter permanenten psychologischen Druck. Das führt zu einer Häufung von Krankheiten teilweise mit chronischen Verlauf, zu Allergien, Bluthochdruck, Hautkrankheiten, Magen- und Organerkrankungen, Depression und Psychosen. Jeder Polizeieinsatz, jeder Behördengang, jede schlaflose Nacht verstärkt den Stress und den Druck.
Die Bedingungen machen krank aber auch die Umstände der ärztlichen Behandlung. Arztpraxen sind allesamt im 17 km entfernten Ort Gifhorn. Für den Arztbesuch muss vom Sozialamt ein Behandlungsschein geholt werden. Nicht alle verschriebenen Medikamente werden bezahlt. Es besteht keine freie Arztwahl, d.h. es kann nur zu Ärzten im Landkreis gegangen werden.
Fahrtkosten für den Arztbesuch werden nicht generell übernommen.
Man kann sich kaum vorstellen, was das für eine Familie mit drei kleinen Kindern unter den beschriebenen Bedingungen bedeutet.
Das Ganze ist so organisiert, dass eine medizinische Unterversorgung vorgesehen ist. Ähnlich sieht es mit der übrigen Versorgung aus. Die Flüchtlinge erhalten nur Lebensmittelgutscheine und Bekleidungsgutscheine. Ein Vater, der beim Sozialamt wegen der Bekleidungsgutscheine nachfragte – es war während der heißen Tage, bekam zur Antwort: wofür denn, jetzt ist warm, könnt ihr nackt laufen!
Die 40 Euro sogenanntes Taschengeld, die neben den Gutscheinen vorgesehen sind, sind bei vielen willkürlich gekürzt. Ein Familienvater erhält 3 Euro etwas im Monat, ein anderer weniger als einen Euro. Viele andere erhalten überhaupt kein Bargeld.
- Wir dürfen nicht arbeiten, erhalten kein Geld und keine Privatspähre. Wir sind in diesem Lager eingepfercht bis wir tot sind, das vermittelt uns der Landkreis Gifhorn.
Nicht mal unser Postgeheimnis wird gewahrt. -
Nachdem der Leiter des Lagers sich an einem Freitag verweigerte Post auszuhändigen, weil er schon Dienstschluss hätte und auch Briefe schon geöffnet ausgehändigt wurden, haben sich einige Flüchtlinge dort jetzt Briefkästen besorgt und werden darauf bestehen, dass ihnen die Post direkt zu gestellt wird.
Die Lebensmittelgutscheine – 112 Euro im Monat – reichen 20 Tage, den Rest des Monats hungern wir, beschreiben die Flüchtlinge aus Meinersen ihre Lage. Frech bietet die Behörde den Tausch eines Gutscheines gegen Bargeld, wenn jemand Geld für öffentliche Verkehrsmittel braucht. Der Landkreis Gifhorn ist eine der rückständigen Kommunen, die immer noch das bereits um ca 30-50% gekürzte gesetzliche Existenzminimum ( Hartz 4 Empfänger: 359 Euro/Monat – Flüchtling: 130 – 220 Euro/Monat ) in Gutscheinen ausgibt. Nicht nur dass durch das Gutscheinsystem die Menschen gezwungen sind, eine ausgewogene oder kulturell geprägte Ernährungsweise einzuschränken oder aufzugeben – Gutscheine nehmen einige Discounter und das wars – sie sollen auch noch die wenigen Gutscheine für andere Posten wie Fahrgeld aufwenden.
Der Kindergarten einer der Töchter von Herrn A. Sammelt monatlich eine Beitrag von 10 Euro pro Kind für Veranstaltungen, Fahrten, etc. . Mit einem Brief des Kindergartens ging Herr A. Zur Behörde. Eine Übernahme lehnte man ab, stattdessen könne er einen Gutschein tauschen, wissentlich, dass die Bemessung der Lebensmittelgutscheine ohnehin schon nicht ausreichend ist für eine normale Ernährung.
Früher konnten manche für kurze Zeit etwas dazu verdienen. Aber es gibt überhaupt keine Arbeitsgenehmigungen mehr für uns. Zuletzt war es eine junge Frau, die gerade ihre Schule beendet hatte. Nach sechs Monaten wurde ihr die Arbeitserlaubnis einfach wieder gestrichen. Eine Ausbildung darf sie auch nicht machen. Eine Familie hatte früher mal eine Wohnung, als dem Vater seine Arbeitserlaubnis wieder weggenommen wurde, musste seine Familie zurück ins Lager. Zwei erlittene Herzinfarkte sind Folgen des Stress, eine Tochter ist in psychiatrischer Behandlung. Herr G., Vater von drei kleinen Kindern, hat ein schweres posttraumatisches Belastungssyndrom. Die Kinder leiden an Allergien. Alle Familien haben von den sie behandelnden Ärzten Schreiben, dass sie aus medizinischen und soziopsychologischen Gründen in Wohnungen untergebracht werden sollen. Doch die Behörde lehnt dies ab.
Die anderen Flüchtlingslager im Landkreis Gifhorn , die mindestens eine bessere Lage hatten, wurden geschlossen, um Meinersen als einziges Lager zu betreiben. 2008 wurde der Vertrag mit der Firma K&S um zehn Jahre verlängert. In Meinersen Lager sind jetzt alle abgeschnitten von den verbliebenen Verbindungen zu ihrer Kultur – weder einen islamischen Gebetsraum noch einen türkischen Lebensmittelhändler, wo das Fleisch helal ist, gibt es in Meinersen. Mit dem Recht auf freie Religionsausübung begründet, beantragte Herr I. eine Fahrkarte nach Gifhorn zur Moschee. Es wurde ihm bestätigt, dass dieses Recht existiere, man aber eine tatsächliche religiöse Überzeugung beweisen müsse.
Ein Vater erzählt einen Vorfall, den er nie vergessen wird. Vor ca. zwei Jahren wurde er zur Ausländerbehörde gerufen. Man sagte ihm, dass er doch gut die Familie B. kenne und dass er doch eine Wohnung haben wolle. Wenn er sage woher die Familie komme, dann geht das klar.
Herr A sagte, er fange immer noch an zu zittern und sein Blutdruck steigt, wenn er sich daran erinnert.
Gefragt wie die Residenzpflicht (vorübergehendes Verlassen des Landkreises nur mit Sondergenehmigung der Ausländerbehörde) angewandt wird, antworten sie, dass sie ohnehin keine Mittel haben, nicht mal um mit den Kindern irgendwo etwas zu unternehmen. Es ist schon alles so organisiert, dass wir hier hinterm Gewerbegebiet bleiben – so lange bis wir sterben. Aber es stimmt, wer einen Antrag stellt, einen Freund zu besuchen oder so, muss alle Daten und Angaben über Ort, Zeit und Zweck des Besuchs machen. Die Anträge werden auch abgelehnt. Zum Beispiel bekamen die Flüchtlinge erst auf Druck vom Flüchtlingsrat die Genehmigung den Landkreis zu verlassen, als sie nach Hannover wollten, um an der Demonstration gegen Abschiebehaft teilzunehmen. Herr I. erzählte uns bei unserem ersten Besuch, wie es ihm ging, als er seinen Sohn zu einem Boxkampf begleiten wollte und nach einer Genehmigung fragte. Sein Sohn hat ein großes Talent und sein Boxtrainer hatte sich bei der Ausländerbehörde gegen einen Unterbringung der Familie I. im Lager Meinersen eingesetzt, weil der Sohn aufgrund der Entfernung nicht mehr gut trainieren kann. Der Einwand fand kein Gehör. Seinen eigenen Sohn zu einem Wettkampf zu begleiten wurde ihm mündlich verwehrt. Als er eine schriftliche Ablehnung forderte, telefonierte der Sachbearbeiter und verlangte genaue Angaben und eine Einladung des Trainers. Wir leben seit vielen Jahren in Deutschland - ich schon seit zehn – ich wollte auch mal spazieren, einfach mal etwas anderes sehen. Aber seit zehn Jahren bin ich wie gefangen im Landkreis Gifhorn.
Der Leiter des Lagers hat die Funktion die Leute zu kontrollieren und der Behörde Bericht zu erstatten. Es ist immer die Präsenz der Bespitzelung zu spüren. Die Zeiträume der Verlängerung der Duldungen wird immer kürzer. Ein Flüchtling aus Palästina muss alle drei Tage zur Ausländerbehörde für weitere drei oder vier Tage Verlängerung. Andere müssen jede Woche oder einmal im Monat den extremen psychischen Stress des Gangs zur Behörde ertragen – nie vorher wissend was passieren wird.
- Die haben uns hier in das Lager geschmissen wie Tiere - Wir sind keine Tiere - Unsere Kinder sind auch Menschen. So kann man nicht mit Menschen umgehen – mein Großvater hat mir erzählt was die Nazis waren, was sie für ein Menschenbild hatten. Das findest du hier auch so – das ist richtig Rassismus hier. Die sagen dir: egal du bist tot. Die Leiter des Sozialamts und der Ausländerbehörde samt ihrer Angestellten sind wie ein Kartell, die sprechen alles untereinander ab, wie sie uns fertig machen. -
Die Runde der Familien und Einzelpersonen, die uns an ihren Tisch geladen hat, ist sich einig. Sie können die Situation im Lager Meinsersen nicht mehr aushalten. Sie wollen weitere öffentliche Aktionen durchführen. Auf die erste Demonstration hin hat der Landkreis unter der Landrätin Marion Lau nicht geantwortet. Die Forderungen sind eine Schließung des Lagers, Unterbringung in Wohnungen – insbesondere sofort für die Familien, Abschaffung von Gutscheinsystem, Arbeitserlaubnis und Aufenthaltsrecht.
Sie betonen ausdrücklich, dass sie Gründe hatten ihre Länder zu verlassen. Die meisten kommen aus Kriegsgebieten (Afghanistan, Palästina, Irak) oder mit diktatorischen, despotischen Regierungen (Syrien, Iran) oder Krisengebieten mit bewaffneten Auseinandersetzungen (ehem. sowjet. Republiken, Pakistan, Armenien). Während die Erwachsenen vor Verfolgung und Bedrohung flohen, sind viele ihrer Kinder in Deutschland geboren, alle hier aufgewachsen.
Unsere KARAWANE Delegation ist tief betroffen über die Situation der Flüchtlinge in Meinersen. Wir sind nicht überrascht, denn das System ist ein bundesweites, was von Landkreis zu Landkreis variert. Definitiv ist der Landkreis Gifhorn einer der extrem rückständigen und radikalen. Diese Auffassung teilen auch Rechtsanwälte, die die Annahme von Verfahren der Flüchtlinge gegen den Landkreis ablehnten, da man dort „eh nur vor eine Wand laufe“.
Die Flüchtlinge im Landkreis Gifhorn im Lager Meinersen gehen jetzt hinter ihre Forderungen nicht mehr zurück. Auf dem kommenden bundesweiten Treffen des Netzwerks der Karawane im August werden sie sich mit anderen Flüchtlingsaktivisten aus anderen Lagern intensiver austauschen, um ihre Kämpfe gegenseitig zu stärken.
Es sind sehr schwere Kämpfe aber wir müssen sie führen, um unser Leben vor allem um das Leben unserer Kinder willen, sagt Ismael, Vater zweier Kinder.
Mit diesem Bericht wollen wir weiter aufrufen und aufrütteln, die Flüchtlinge aus dem Lager Meinersen und überall dort, wo sich der Widerstand gegen die Menschenverachtung der Behörden manifestiert, mit allen Möglichkeiten zu unterstützen. Das Lager Meinersen muss weg! Lager müssen weg!
Karawanedelegation, Hamburg 01.08.2010
Brief der Flüchtlinge aus dem Lager Meinersen:
Wir sind die Asylberwerber des Landkreises Gifhorn und wohnen in einem Asylbewerberwohnheim in 38536 Meinersen. Insgesammt leben in nserem Heim ca. 68 Personen. Wir möchten am 3 Juli 2010 eine Demonstration bezüglich unserer Situation im Heim machen aus folgenden Gründen:
1.Wie können unsere Fachärzte nicht besuchen z.B
Hautarzt,Urologe,Ohrenarzt Kinderarzt u.s.w da es solche Ärtzte in Meinersen nicht gibt sondern in 14 km weiten Gifhorn.
2.Privatmedikamente die uns der Arzt verschrieben hat, die wir unbedingt brauchen, werden nicht erstattet.
3.Die Fahrtkosten von Meinersen nach Gifhorn zu den Ärzten und zum Sozialamt(wegen Abholung der Gutscheine) und zur Duldungverlängerung werden nicht erstattet.Das Sozialamt (Sachbearbeiter Herr Soschniok) sagt uns dass wir zu Fuß von Meinersen nach Gifhorn ca. 14 Km. hin und 14 Km. zurück in Schnee und Regen gehen sollen!
4.Wir haben keine Möglichkeit in eine Moschee zu gehen.Die Moschee ist ein Ort der Gottesverehrung, aber auch sozialer Aktivitäten. Die fünf täglichen Pflichtgebete zu den unterschiedlichen Zeiten(von Morgens früh bis spät in die Nacht )sollen (falls man nicht arbeitet)von den Gläubigen, von Männern und Frauen, gemeinsam unter der Leitung eines Imams in einer Moschee verrichtet werden. Es kann also nicht die Rede davon sein, ob ein Moslem in die Moschee gehen darf, er/sie muss es sogar. Unser Glauben und unsere Gebete sind für uns das wichtigste in unserem Leben!!
5.Es gibt in Meinersen kein türkisches Lebensmittelladen da wir aus religiösen Gründen nur Halal Fleisch essen dürfen.
6.Die 112 € Essensgutscheine pro Monat reichen uns nur für 20 Tage. Den Rest des Monats hungern wir.
7.Wir werden von dem Heimleiter (Herr Thiemann) beleidigt und beschimpft. Der Heimleiter wurde mehrfach wegen Beleidigungen angezeigt. Doch keiner unternimmt etwas dagegen.
8.Der Heimleiter kontolliert uns ständig.Wir werden ständig ausspioniert. Wenn wir z.B einkaufen fahren, guckt er auf seine Uhr, schreibt es auf und ruft die Ausländerbehörde an und sagt dass wir gerade zur Arbeit gefahren sind. Seinetwegen bekommen wir ständig Probleme mit der Ausländerbehörde.
9.Der Heimleiter droht uns und sagt dass er die Ausländerbehörde anrufen wird und uns somit große Probleme bereiten wird, wenn er unsere Briefe nicht lesen darf.
10.Wir werden von dem Heimleiter beschuldigt dass wir zu viel Energie verbrauchen obwohl die Waschmaschinen jedes Wochenende nicht still stehen da der Heimleiter und der Hausmeister ihre eigene Wäsche von zu Hause mitbringen und im Heim waschen.
11.Unsere Kinder haben kein Platz um Ihre Hausaufgaben zu machen da wir ca. 5 m² pro Person zur Verfügung haben.In einem 20m² Zimmen ist unser Wohnzimmer Kinderzimmer Schlafzimmer Esszimmer Abstellraum...
12.Es gibt ständig Probleme und Auseinandersetzungen mit den Nachbarn (Drogenabhängige,-dealer die fast jeden Tag ihre Entzugserscheinungen haben und schreien als würden sie gleich sterben, psychisch kranke Menschen die einen mit dem Messer bedrohen und ständig Schlägereien anfangen.Menschen die Suizidgefährdet sind.)
13.Es gibt keine Ruhe. Wir können seit Jahren nicht schlafen.
14.Es gibt keine Ruhe da die Kinder kein Platz haben zu spielen und den ganzen Tag nur im Flur hin und her laufen und spielen und schreien. Die Wände des Heimes sind aus Karton. Von dem ganzem Lärm und weinen der Kinder des Heimes haben wir ständig Albträume. Diese Auseinandersetzungen und Kämpfereien der Heimbewohner erinnern uns an den Krieg in unserem Heimatland.
15.Es gibt im Heim viele Bakterien Krankheiten und Keime die unsere Gesundheit gefährdet. Unsere Gesundheit hat sich sehr verschlechtert seit dem wir im Heim wohnen.
16. Keine Arbeitserlaubnis obwohl wir unserer Mitwirkungspflicht nachgekommen sind.
16.Kein Taschengeld obwohl wir unserer Mitwirkungspflicht nachgekommen sind.
17.Kein Bargeld statt Gutscheinen laut §2 AsylbLG obwohl wir Leistungen gemäß §§ 3 ff AsylbLG seit deutlich mehr als 48 Monaten erhalten und unserer Mitwirkungspflicht nachgekommen sind.
18.Unter solchen Bedingungen leben ein Paar von uns schon seit ca. 12 Jahren sowie Mohammed und Ali. Seit 10 Jahren lebt Ismail im Heim.
Die Situation im Wohnheim ist gekennzeichnet durch Isolation vom Rest der Gesellschaft sowie beengte Wohnverhältnisse ohne jegliche Privatsphäre. Es gibt nur Wertgutscheine statt Bargeld.Die meissten von uns erhalten kein Taschengeld. Duldungen werden oftmals nur kurzfristig verlängert, und regelmäßige Gespräche mit BehördenmitarbeiterInnen über die vermeintlich geringen Aufenthaltsperspektiven sollen uns zusätzlich unter Druck setzen.
Wegen dem Druck von der Ausländerbehörde hatte ein Heimbewohner (4-facher Vater aus Syrien) einen Herzinfarkt im diesem Jahr erlitten. Auch mit Arbeitsgelegenheiten wird taktisch umgegangen, um sie als Druckmittel auf uns einzusetzen.
Viele Menschen auf engstem Raum, kein Privatleben, Arbeitsverbote, keine ausreichende medizinische Versorgung, Anwesenheitskontrollen. Viele Betroffene werden krank angesichts dieser Zustände.
Wir können nicht in einem "Konzentrationslager" weiter leben.Unsere Nerven halten es nicht mehr aus. Und deswegen machen wir eine große Demonstration.
Wir bitten Sie uns dabei zu unterstützen um an unser Ziel zu gelangen nämlich DIE UNTERBRINGUNG DER FLÜCHTLINGE AUS MEINERSEN IN WOHNUNGEN. Falls es aus dieser Demo nichts wird und unsere Situation sich nicht ändert werden wir einen Hungerstreik machen!!
Mit freundlichen Grüßen
Ismail, Nidal, Ali, Mohammed, Hamza, Amjad,Abdullah, Ibrahim, Umar,
Nuradil, Madina, Faiza, Galimet