„So sieht ein Ghetto mitten im Dorf aus!“
Im Fall von zwei Familien, Ashkali aus dem Kosovo und Kurden aus Syrien, spielen die Behörden im Wartburgkreis auf Zeit und Leben
Delegation von The VOICE Refugee Forum und Ihres UnterstützerInnen - Netzwerks in Thüringen
Hussen hat schon viele Strafen bekommen in den letzten zehn Jahren, die er in Deutschland gelebt hat. Mal 40 Euro, mal 45, mal 118 Euro. Seine Verbrechen? Ein Spaziergang in die falsche Richtung oder eine Fahrradfahrt in den verkehrten Ortsteil des überschaubaren Westthüringer Städtchens Gerstungen.
Als er vor rund zehn Jahren aus Syrien nach Deutschland floh, machte er sich über derlei Sonderlichkeiten noch keine Gedanken. Als Aktivist für die Rechte der kurdischen Minderheit im Norden Syriens war er von politischer Verfolgung bedroht. Viele seiner Freunde waren bereits ohne jegliche Verfahren in Gefängnissen verschwunden, breiten Teilen der kurdischen Minderheit wurden damals wie heute Grundrechte nicht zugestanden.
Deutschland, das regelmäßig lautstark im Namen von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit weltweit interveniert, schien für Hussen und seine Familie ein sicheres Refugium.
Dass er heute dort, wo angestammte Gerstungener ihr Leben lang keine Grenze sehen werden, kehrt machen muss, um nicht sanktioniert zu werden, will er vor diesem Hintergrund immer noch nicht so recht verstehen. Seit zehn Jahren ist seine Bewegungsfreiheit auf den Wartburgkreis beschränkt. Bei einem Antrag auf einen Urlaubsschein bekam er auf der zuständigen Ausländerbehörde in Bad Salzungen nur „Asyl, willst du Urlaub?“ zu hören.
Der Landkreis hört jedoch im Falle Gerstungen bereits einen kurzen Fußmarsch vom Lager entfernt auf und ohne jegliche Kennzeichnung beginnt Hessen. Weil Hussen sich dieser geographischen Präzision nicht bewusst war, musste er schon dreimal Strafe bezahlen. „Verletzung der Residenzpflicht“ nennt sich der Schritt zu viel. Und als sei diese Gesetzgebung nicht schon perfide genug, musste er alle diese Strafen in bar bezahlen – obwohl er laut Ausländerbehörde gar kein Bargeld besitzen darf. Er hat keine Arbeitserlaubnis, darf kein Konto eröffnen und bekommt die geringen „Leistungen“ des Staats, 126 Euro monatlich, rein in Gutscheinen ausgezahlt.
Wie er trotz dieser Situation seinem Sohn die Zugfahrten zur Schule nach Eisenach bezahlen sollte, wollte ihm auf der Ausländerbehörde niemand erklären. Das Geld kann zwar erstattet werden, jedoch laut Behörde nur im Nachhinein – alle sechs Monate. Das Geld für die Fahrkarten reichte gerade für den Anfang des Schuljahres. Weil sein Sohn fortan notgedrungen fehlte, verlangte der Rektor ein Gespräch - Hussen fuhr die 28 Kilometer mit dem Fahrrad nach Eisenach. Mit bestem Wissen der Behörden um die prekäre Situation der Familie bekam Hussen bald darauf ein Bußgeld von 118 Euro wegen Verletzung der Schulpflicht.
Woher die sechsköpfige Familie ein wenig Bargeld für alltägliche Dinge wie Busfahrkarten, Kleidung und Sanktionen der Ausländerbehörde herbekommt, beantwortet seine 21-jährige Tochter Hidayat mit einem beschämten Blick: „Naja, Pfandflaschen sammeln halt.“ Sie ist 2002, zwei Jahre nach ihren Eltern, aus Syrien geflohen und teilt sich seitdem in der ehemaligen DDR-Kaserne am Ortsrand von Gerstungen ein Zimmer mit ihren beiden Brüdern. Wenn sie dürfte, würde sie gerne eine Ausbildung zur Kindergärtnerin machen. Das bleibt ihr jedoch weiterhin verwehrt.
„Acht Jahre sind lang“ - ihr fällt es schwer, die Zeit tatenlos in dem baufälligen Gebäude abzusitzen. Sie beschreibt die Stimmung im Lager als bedrückend. In den Sanitäranlagen schimmelt es, regelmäßig springt die Hauptsicherung heraus, seit Jahren verlaufen Elektroleitungen offen in den Fluren. Jeden Abend kontrolliert eine Wache, ob alle Leute da sind. Die Schuhpaare vor den Zimmern werden gezählt und es wird angeklopft und gefordert, dass alle Zimmerinsassen einzeln antworten. Wenn mal wer fehlt, werden sehr bald die Gutscheine gestrichen.
Die Heimleiterin hat zudem Schlüssel für alle Zimmer und verschafft sich in Abwesenheit der Bewohner zu diesen auch Zugang. Je nach Laune reagiert sie zudem auf die Bedürfnisse der Flüchtlinge. Dass ein Blinder ohne Hilfe alleine ein Zimmer bewohnen muss, interessiert sie nicht. Und an einem schlechten Tag heißt es auf ein Gesuch nach einem Krankenschein auch mal einfach „Verpisst euch!“.
Hussens Frau hat seit längerem Herzprobleme. Schon vor mehreren Monaten hat sie deshalb einen Krankenschein beantragt. Sie muss dringend zum Arzt. Der Antrag blieb bislang unberücksichtigt.
Allein die Erniedrigung und Schikanen, die die Familie über mittlerweile ein Jahrzehnt in Deutschland ertragen muss, stellen eine enorme psychische Belastung dar. Hussen sieht keine Perspektive für sein Leben. Syrien stellt der kurdischen Familie keine Pässe aus, Deutschland erteilt kein dauerhaftes Bleiberecht. Seine jüngste Tochter ist in Eisenach geboren und besucht derzeit die Grundschule. Für sie ist Syrien kein Begriff.
Von seinem Bruder hat Hussen vor vier Jahren das letzte Mal gehört, er fürchtet, dass auch dieser von den Repressalien der syrischen Behörden betroffen ist. Zusammen mit den traumatischen Erlebnissen vor und während der Flucht ist die aktuelle Situation, die systematische Kriminalisierung menschlicher Grundrechte wie unter anderem das Recht auf freie Bewegung, auf Bildung oder auf körperliche Unversehrtheit für alle Familienmitglieder schon seit langem nicht mehr auszuhalten.
In Gerstungen waren schon viele Menschen untergebracht. So lange wie Hussen und seine Familie sind nur wenige da. Zu diesen zählt die Familie Rexha aus dem Kosovo. Sie kam 1999, nachdem während des Kosovokrieges ihr Haus und Lebensmittelgeschäft zerstört worden war, nach Deutschland. Seitdem leben sie mit dem Status der Duldung.
Familienvater Ali hatte eine Zeit lang Arbeit und ein Einkommen, das es ihm erlaubt hätte, unabhängig von den geringen staatlichen Leistungen zu leben – und vor allem eine eigene Wohnung zu beziehen. Doch entgegen einer früheren Zusage des damaligen Sachbearbeiters der Ausländerbehörde wurde der Zwang, im Lager zu wohnen, trotz guten Einkommens nicht aufgehoben. Einzig die älteste Tochter Filoreta hat mittlerweile geheiratet und lebt in Baden-Württemberg. Als sie kürzlich Mutter wurde und Ali sie besuchen fuhr, brachte ihm das eine Strafe von 800 Euro ein. Wegen wiederholter Verletzung der Residenzpflicht.
„Unglaublich unmenschlich“ nennt der frischgebackene Großvater die bundesdeutschen Sondergesetze für Asylsuchende. Zudem beschreibt auch er die Zustände im Lager als katastrophal. Zuvor hatte die ehemalige Kaserne einen Privateigentümer. Nachdem dieser aber keinen TÜV für das Gebäude vorweisen konnte, hätte das Landratsamt das Gebäude gekauft und seitdem die erneute Prüfung der Verhältnisse regelmäßig hinausgezögert. Nun sei kürzlich erst begonnen worden, einige geringfügige Renovierungen zu machen. Unter anderem ein Resultat des wachsenden Widerstands der Flüchtlinge, wie Ali es beschreibt. Nachdem er vor kurzem gemeinsam mit rund 30 anderen Menschen aus dem Gerstungener Lager in Bad Salzungen eine Veranstaltung des Landkreises im Rahmen der „Woche des ausländischen Mitbürgers“ unterbrochen hatte, um auf die unhaltbare Situation zu verweisen, seien die Anstrengungen, dem baufälligen Gebäude einen frischen Anstrich zu geben, deutlich vorangeschritten.
Doch schon während der Aktion in Bad Salzungen hatte Ali deutlich gemacht, dass es nicht um kosmetische Änderungen geht, sondern um strukturelle Veränderungen. Konkret um dezentrale Unterbringung und die Abschaffung der Residenzpflicht als erste Schritte zur Wahrung der Grundrechte von Flüchtlingen.
Der Umgangston auf der Behörde hätte sich für Ali Rexha seitdem geändert. Verärgert darüber, dass er offen die täglichen Diskriminierungen anprangert, würden die Mitarbeiter ihn nun noch abweisender behandeln als noch zuvor. Als er ihnen infolge einer Diskussion vorschlug, ihn doch mal im Lager zu besuchen, um danach zu beurteilen, ob er tatsächlich „keinen Grund habe, sich zu beklagen“, fiel ihnen nicht mehr ein, als betreten zu schweigen.
Ali bestätigt, dass die Heimleitung systematisch die Bedürfnisse und Rechte der Flüchtlinge ignoriere. Briefe würden entweder in Abwesenheit geöffnet oder erst lange nach dem Erhalt an die Adressaten weitergegeben. Das hatte für Ali unter anderem die Folge, dass er mehrmals hintereinander Termine beim Arbeitsamt verpasste und ihm infolgedessen dreimal sein monatliches Geld um 160 Euro gekürzt wurde. Außerdem weigert sich die verantwortliche Angestellte in Gerstungen bis heute, seinen Antrag auf dezentrale Unterbringung weiterzuleiten. Alis Frau war im Lager bereits an einer Lungenembolie erkrankt, er selber ist zuckerkrank und seine 9-jährige Tochter hat Asthma bekommen, weshalb ihr ein Arzt die dringende Notwendigkeit von einer alternativen Unterbringung attestiert hatte. Die 9-jährige Gentiona ist in Deutschland geboren und spricht sicherer Deutsch als Albanisch.
Die Angst der Familie Rexha vor einer Abschiebung wächst. Seit das Kosovo von Deutschland als unabhängiger Staat anerkannt wurde, sind viele ehemalige Kriegsflüchtlinge abgeschoben worden. Immer, wenn es in Gerstungen eine Abschiebung gab, haben das alle Bewohner mitbekommen. Die Polizei kommt nachts, alle Lichter gehen an, es wird laut gerufen und an Türen gehämmert. Bis zum Moment des Abrückens sind dann alle Menschen in Angst versetzt, selber deportiert zu werden.
Für Ali würde eine Rückkehr ins Kosovo Lebensgefahr bedeuten. Er gehört der ethnischen Minderheit der Ashkali an, welche eben wie andere Minderheiten seit dem Krieg von der albanischen Mehrheitsbevölkerung ausgegrenzt werden. Seit Ende des Kriegs misstrauen sich die verschiedenen Bevölkerungsgruppen stark, immer wieder kommt es zu blutigen Racheakten aufgrund von Kriegsgeschehnissen. Ali war früher UCK-Kämpfer und kennt die Riege an Leuten, die heute Administration und Regierungsämter bekleiden. Er bezeichnet sie als nationalistische Mafiosi, in deren Namen weiterhin gewaltsam Machtpolitik und Ausgrenzung betrieben wird. Eben jene kennen auch ihn noch. Nach seiner Einschätzung würde er nach einer Abschiebung keine Woche im Kosovo überleben.
Er fragt sich immer wieder, warum ihm nicht zugestanden wird, gleichberechtigt in Deutschland zu leben. Er sagt immer wieder, dass er nur eine Bewährungsprobe haben wolle, um der Behörde zu zeigen, dass er problemlos Arbeit finden und seine Familie unterhalten könne. Sein einziger Wunsch sei, in Freiheit und Sicherheit in Deutschland zu leben und seinen Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen, als er es gehabt habe.
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„So sieht ein Ghetto mitten im Dorf aus!“
Eine restriktive Gesetzgebung, die ausgeführt wird durch eine Verwaltung, die mit dem falschen Personal arbeitet, führt zu verfassungswidrigen Handlungen, zur Verschwendung von Steuergeld und mündet in unnötigem menschlichen Leid. Der deutsche Staat und das Bundesverfassungsgericht sehen keinen Handlungsbedarf, denn sie selbst definieren die Gesetze. Die Menschenwürde wird tagtäglich verletzt und die Grundrechte weiter beschnitten. Das Leben der Flüchtlinge in diesem Land zeigt, dass die „Menschenwürde“ entgegen dem Artikel eins der Verfassung der Bundesrepublik antastbar ist. Die Wirklichkeit entwertet somit die Verfassung bis zur Wertlosigkeit und stellt ihre Bedeutung in Frage. Am Beispiel der täglichen Erfahrungen von Flüchtlingen in Gerstungen wollen wir diese Verletzungen der Würde veranschaulichen.
Bei einem Besuch erzählte uns einer der aserischen Flüchtlinge, dass er sein Kind gerne besuchen wolle, dass ihm aber dies von der Ausländerbehörde aufgrund der Residenzpflicht verweigert wird. Als eine der zwei Sozialarbeiterinnen vom Heim aus die Ausländerbehörde anrief, um das Problem zu schildern, sagte die Ausländerbehörde des Landkreises Wartburg: „Ist mir doch piepsegal, ob er ein Kind hat, er soll doch abgeschoben werden.“ Zwei weitere junge aserische Männer erzählen uns, dass sie bei Rewe in Obersuhl einkaufen waren. Dort wurden sie vor dem Supermarkt von Polizeibeamten kontrolliert. Jedem droht jetzt eine Strafe von 40 Euro. Jeder von ihnen hat einen Brief von der Polizei Eisenach erhalten. Später berichtet uns ein Familienvater, Kurde aus Syrien, dass er bereits zweimal wegen Residenzpflicht Geldstrafen zahlen musste. Das erste Mal 40 Euro und beim zweiten Mal 95 Euro. Die Residenzpflicht ist eines der Hauptprobleme in Gerstungen. Da es direkt an der Grenze zu Hessen liegt, haben die Flüchtlinge des Isolationsheims in Untersuhl, Gerstungen nach Norden, Westen und Süden einen Bewegungsradius von 1000 Metern. Im Norden ist die Autobahn A4, im Süden die Bahngleise, deren Überschreiten verboten ist. Praktisch können sie sich nur nach Untersuhl, Gerstungen und nach Osten bewegen. Diese Einschränkung in einem kleinen Landkreis ist besonders absurd in einem vereinten Europa ohne Grenzen und macht deutlich, dass nach dem Gesetz zwei Klassen von Menschen in Europa existieren. Für die einen gibt es keine Grenzen, für die anderen wird jeder Landkreis zu einer Hürde und schränkt sie in ihrer Freiheit ein. Felix Otto aus Kamerun saß in Thüringen für sein natürliches Recht auf Freiheit der Bewegung mehrere Monate hinter Gittern.
Die Residenzpflicht hat außer der Freiheitseinschränkung weitere materielle, gesundheitliche und aufenthaltsrechtliche Folgen für die Flüchtlinge aus Untersuhl. Da sie nicht nach Obersuhl einkaufen gehen können, müssen sie manchmal mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu den nächsten Ortschaften fahren und 4 Euro zusätzlich zahlen von dem wenigen Geld, was ihnen im Monat zur Verfügung steht. Der Zahnarzt in Gerstungen verweigert die Behandlung der Flüchtlinge, weil das Sozialamt für die Behandlung der Flüchtlinge nicht genügend zahle. In Gerstungen und Untersuhl existieren keine Flüchtlingsberatungsstellen, an die sich die Flüchtlinge wenden können.
Während wir uns gerade im Gespräch befanden, kam eine Bedienstete des „Heims“ ins Zimmer:
„Wer sind Sie denn bitte?! Was machen Sie hier?“
„Wir unterhalten uns mit unseren Freunden.“
„Haben Sie eine vom Landratsamt genehmigte Anmeldung?“
Eine kurze, zwecklose Diskussion. Später hatten wir auch schon ein mündliches Hausverbot ausgesprochen bekommen. Mit Unterstützung der zweiten Angestellten wurden wir unter Drohungen herausgedrängt.
„Wenn Sie einen Termin haben, können Sie gerne wiederkommen.“
„Wenn wir einen Termin haben, beantworten Sie uns dann auch die Frage, warum die Toilette im ersten Stock von Schimmel überzogen ist?“
„Schimmel?! Hier? Im Leben nicht!“
„Ach so? Und beantworten Sie uns dann auch, warum ein Erblindeter unter diesen Umständen hier ohne Hilfe leben muss?“
„Holen Sie sich einen Termin beim Landratsamt! Und wenn sie jetzt nicht sofort gehen, hole ich die Polizei!“
Mit den knappen Beträgen der Gutscheine können die Flüchtlinge nur beim vergleichsweise teuren Tegut einkaufen – alles außer Fleischprodukten. Die sind mit Gutscheinen nicht erhältlich.
Die Ausländerbehörde ist von Gerstungen 40 km weit weg. Fahrtgeld wird nicht zurückerstattet. Die Flüchtlinge berichten, dass sie auf der Behörde nicht einmal begrüßt werden, sondern ihnen nur wortlos der provisorische Ausweis aus der Hand genommen wird und das Prozedere seinen Lauf nimmt. Übersetzung gibt es ohnehin nicht. „Urlaubsscheine“, provisorische Genehmigungen zum Verlassen des Landkreises, werden nur in Fällen wie Hochzeiten oder Todesfällen in der Familie ausgestellt. Für andere Gelegenheiten nicht.
Im Angesicht seiner 15jährigen Erfahrung mit dem umfassenden System aus Isolation und Schikane ist der resignierende, manchmal zynische Tonfall unseres Freundes aus Kambodscha nachvollziehbar. Als er einen Zigarettenstummel wegwirft, sagt er einmal etwas impulsiver: „Wir haben hier keine Möglichkeit in unserem Leben irgendwas zu bewegen!“.
Wie rigide die schikanöse Residenzpflicht in Gerstungen greift, veranschaulicht er uns an einem Beispiel. Er zeigt geradeaus über die Bahnschienen:
„Seht ihr da drüben? Das ist Hessen. Das ist nicht mehr unser Landkreis. Als ich einmal da drüben langgelaufen bin, wurde ich von der Polizei kontrolliert. 45 Euro Strafe musste ich zahlen! Von welchem Geld?! Dabei bin ich bloß 700m von dem Heim entfernt gewesen!“
Sein Sohn hat nach seinem Schulabschluss eine Berufsschule in Eisenach begonnen. Das Geld für die täglichen Zugfahrten bekommt er von der Behörde zurückerstattet – im Nachhinein. Da aber seine Familie nicht genügend Bargeld bekommt und die Rückerstattungen oft sechs oder mehr Wochen dauerten, konnte er das Geld für die Fahrten nicht mehr auslegen und musste die Berufsschule abbrechen.
Auf die Frage, wie viel Kontakt er mit der Bevölkerung aus Gerstungen habe, antwortet er knapp:
„Kontakt in Gerstungen? Wir brauchen nicht noch mehr Probleme.“
Diese Haltung wird von einem anderen Freund bestätigt:
„Es gibt halt immer mal wieder diese Sprüche von wegen 'scheiß Ausländer'. Aber ich kümmere mich nicht darum, ich guck runter und mache, dass ich weiter komme.“
Nach diesen Eindrücken aus Gerstungen machten wir uns auf in Richtung Sömmerda, um im abgelegenen Dorf Gangloffsömmern einige Menschen in dem dortigen Isolationslager zu besuchen.
Am Ortsausgang von Sömmerda steht ein Schild mit „Auf Wiedersehen“ in 15 verschiedenen Sprachen. Wohin führt uns die Fahrt?
Nachdem wir zwei Stockwerke durchlaufen haben, sind die ersten Menschen, auf die wir treffen, die „Heim“-Vorsteher. Sie fragen nach einer Anmeldung mit Personalausweis und dem Namen der Person, die wir besuchen. Dem kommen wir nicht nach. Als ein Teil unserer Gruppe gerade bei einem Flüchtling aus Dagestan zum Tee ins Zimmer gebeten wird, kommt die Ankündigung, dass wir Hausfriedensbruch begehen würden und die Polizei bereits alarmiert wäre. Äußerst erregt sind die Bediensteten vor allem darüber, „dass hier irgendwer unerlaubt Fotos gemacht hat!“, den sie unter uns aber nicht ausmachen können.
Bevor sie uns erbost bis zur Tür folgen, prüfen sie noch schnell, bei welchem Bewohner wir im Zimmer gewesen waren.
Weil aus unserer Gruppe zwei Menschen von Residenzpflicht-Restriktionen betroffen sind, zogen wir es vor, nicht auf Konfrontation zu setzen und das Lager zu verlassen.
Ein Asylbewerber aus West Africa
A West African Refugee, Bamkale Konateh who became blind in the Gerstungen Refugee Isolation camp in Thueringen, he lost his right eye in 2004 in the hands of brutal police control in the city of Düsseldorf. He became completely blind in 2009 when he was serving 10 months imprisonment, since then he has been left alone in the isolated refugee camp without any rehabilitation. The attempt to deport him was rejected by the Doctor, because of medical reasons at that time
.http://www.thevoiceforum.org/node/1760
Kontakt Person:
Osaren Igbnoba, The VOICE Refugee Forum
Koordinationsburö, Jena
Tel.; 0049 (0) 17624568988
Press und Mehrer Infos:
"Ich lebe nicht in Deutschland, sondern im Lager" - Isolation statt Integration in Gerstungen
Das Asylbewerberheim im thüringischen Gerstungen hat einen schlechten Ruf. Zu Recht. Hier werden unerwünschte Zuwanderer von der ersten Sekunde an gezielt ausgegliedert: Isolation statt Integration. Ein Besuch.
Spiegel Online, 15.10.2010, Von Annette Langer
https://thevoiceforum.org/node/1804
https://thevoiceforum.org/Der Widerstand in den Flüchtlingslagern braucht Unterstützung und kostet Geld!