Leiter der Gifhorner Ausländerbehörde verwehrt Flüchtlingen aus dem Lager Meinersen die Teilnahme an gesellschaftspolitischer Arbeit und hält den Staatsschutz für zuständig.
Die Situation der Flüchtlinge im Lager Meinersen /Landkreis Gifhorn ist hart.
Bericht aus dem Lager Meinersen
Das Ziel der Ausländerbehörde in Einklang mit zahlreichen Kommunalpolitikern ist, diesen Menschen mit allen Mitteln jede Perspektive und jede Chance zu verweigern.
Der Druck, die Erniedrigungen und die Isolation genauso wie die negativen mentalen und gesundheitlichen Auswirkungen sind so massiv, dass die Flüchtlinge aus Meinersen mit Protesten zur Schließung des Lagers begannen.
Schnell verbreiteten sich die Nachrichten über die menschenunwürdigen Lebensbedingungen in dem Lager und eine wachsende kritische Öffentlichkeit solidarisiert sich mit den Forderungen der Flüchtlinge. Offener Brief der Flüchtlinge
Die Ausländerbehörde im Bewusstsein der vollen Deckung durch Landespolitiker und Kreistagsabgeordnete hat als Reaktion auf die Proteste in einzelnen Gesprächen mit Flüchtlingen aus dem Lager Sanktionen und negative Konsequenzen angedroht. Niemand will offen darüber sprechen, aber die Angst ist wieder gewachsen.
Bericht von der Kreistagssitzung
Die Flüchtlinge, die sich nicht mehr einschüchtern lassen, die beschlossen haben für ihr Recht auf Schutz und gesicherten Aufenthalt bis zum Ende zu kämpfen, haben sich der Flüchtlingsselbstorganisierung und dem Netzwerk der Menschenrechtsgruppen angeschlossen, um gesellschaftliche Verantwortung für eine gemeinsame Perspektive - gegen die Spaltung der Gesellschaft - zu übernehmen.
Der Leiter der Ausländerbehörde Gifhorn, Kai Renders, bemüht sich intensiv, die Isolation der Menschen im Lager aufrechtzuerhalten. Jeder Antrag auf Verlassen des Landkreises zur Teilnahme an politischen und kulturellen Versammlungen wird abgelehnt.
Selbst eine Einladung der bundesweiten Formation „Jugendliche ohne Grenzen“ zur viertägigen Konferenz nach Hamburg anlässlich der Innenministerkonferenz wurde verwehrt – wie immer unmittelbar vor Beginn der Veranstaltung, so dass Rechtsmittel aufgrund des Zeitpunkts keine Wirkung haben.
Obwohl die Konferenz der Jugendlichen für ein gesichertes Bleiberecht ein bundesweites Medienecho fand, und zehntausende Menschen die Innenminister direkt aufforderten, den Forderungen der jugendlichen Flüchtlinge nachzukommen , mag der Leiter der Ausländerbehörde Gifhorn kein öffentliches Interesse erkennen. „Vielmehr handelt es sich allein um Ihr privates Interesse. Das öffentliche Interesse liegt in Ihrer Person darin, dass Sie Ihrer Ausreisepflicht nachkommen, in dem Sie Deutschland verlassen.“
JoG Erklärung
Dass Herr Renders nicht in der Lage ist, ein öffentliches Interesse angesichts der Diskussion und der Proteste gegen die Missstände bei der Behandlung und Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland zu erkennen, dreht seine Argumentation wohl eher um. Es ist das persönliche Interesse des Herrn Renders, Flüchtlingen den Kontakt und die Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten zu verhindern. Herr Renders beugt das Recht, um authentische Informationen über das unerträgliche Lagerleben der Öffentlichkeit vorzuenthalten und die Isolation aufrechtzuerhalten.
Sowohl das Organisationskomitee der Jugendkonferenz, der Flüchtlingsrat Niedersachsen und weitere Menschenrechtsorganisationen hatten sich für die Erlaubnis zum Verlassen des Landkreises eingesetzt. Die Jugendlichen aus dem Lager Meinersen waren die einzigen, bei denen die Genehmigung verweigert wurde.
Alle anderen erhielten aufgrund der formellen Einladung problemlos die Erlaubnis.
Bei der Ausländerbehörde Gifhorn mussten die Eingeladenen bei Herrn Renders vorsprechen, ein Verhör über sich ergehen lassen, um dann - obwohl drei Wochen zuvor den Antrag gestellt – am Nachmittag vor Konferenzbeginn mitgeteilt zu bekommen:
„In Gesamtwürdigung konnte keiner der durch Sie vorgetragenen Gründe für den Antrag auf Verlassenserlaubnis dazu beitragen, dass Ihnen eine solche ausgestellt werden könne.
Positiv für Sie ist allenfalls zu werten, dass Sie der in Hamburg potentiell vertretenen Personengruppe angehören. Zu dieser Personengruppe (Jugendliche mit Duldung) gehören in Niedersachsen aber unzählige andere Personen ebenfalls. Von daher ist es durchaus denkbar, dass auch ein/ andere/r Jugendliche/r dort für dieses Bundesland präsent ist.“
Herr Renders ist eine Bedrohung für die Menschen im Lager Meinersen. Die würdevollen Flüchtlinge haben die solidarische Öffentlichkeit um Schutz gebeten. Über den Rahmen der diskriminierenden und grundrechtsverletzenden Sondergesetzgebung hinaus ist Herr Renders bemüht, den selbstbewussten Flüchtlingen aus dem Lager Meinersen das Leben zur Hölle zu machen. Denjenigen, die sich gegen Schikanen und Erniedrigungen gewehrt haben, denjenigen, die das jahrelange Leben im Lager als menschenunwürdig benennen, werden alle Anträge abgelehnt.
Nach dem Skandal der Verweigerung der Teilnahme an der Konferenz der „Jugendlichen ohne Grenzen“ ist der Leiter Ausländerbehörde noch einen Schritt weiter gegangen. Er ist der Auffassung, dass Menschenrechtsarbeit und Flüchtlingsschutz ein Thema für den Staatsschutz seien.
»Ich darf Ihnen mitteilen, daß ihr Antrag, nach Berlin zu fahren, der Polizeiinspektion Gifhorn, dort Abt. Staatsschutz, übersandt werden wird«. Diese werde das Ersuchen »neu bewerten und die Ausländerbehörde Gifhorn entsprechend informieren«. Weiterhin wird er aufgefordert, »zukünftig jegliche Antragstellung nur noch über seinen Anwalt« abzuwickeln. artikel JW 22.11.2010
Vor diesem Hintergrund haben wir jetzt Rechtsanwälte beauftragt, uns gegen den Amts- und Rechtsmissbrauch eines Herrn Renders juristisch zu vertreten, bzw. seinem rechtsfreien Verhalten Einhalt zu gebieten.
Darüber hinaus fordern wir eine kritische Öffentlichkeit sowie die politische Opposition auf, im Rahmen ihrer Möglichkeiten aktiv zu werden, die behördliche Selbstherrlichkeit ins Stolpern zu bringen und den legitimen Flüchtlingswiderstand in Gifhorn zu unterstützen.
Wir werden die Öffentlichkeit über den Verlauf informiert halten.
Für die Verteidigung unserer Menschenrechte!
KARAWANE für die Flüchtlinge und MigrantInnen Hamburg, 27.11.2010
Kontakt: R. Lourenco 0151-508 600 91
Sektion Nord Ortsgruppe Hamburg
c/o Internationales Zentrum B5 Brigittenstr. 5 20359 Hamburg
Tel: +49-40-43 18 90 37 Fax: +49-40-43 18 90 37 @: free2move nadir.org www.thecaravan.org
Dieser Bericht steht gleichzeitig als Beweis für die Richtigkeit der Kritik von The VOICE Refugee Forum und des KARAWANE Netzwerks an der Debatte um die Reform eines Unrechts – die Residenzpflicht. Während manche von einer Lockerung sprechen, erfahren aktive und selbstbewusste Flüchtlinge das Gegenteil. Das Gesetz wird mit besonderer Schärfe besonders auf sie angewandt. Das Unrecht ist nicht reformierbar. Die Residenzpflicht dient als Bestrafungsinstrument und die Reform zielt auf die Spaltung der Betroffenen.
Die einzige mögliche „Reform“ ist die Abschaffung.