http://thecaravan.org/node/2786
Während die Auseinandersetzung zwischen der Ausländerbehörde Gifhorn und den Flüchtlingen aus dem Lager Meinersen schärfer wird, geht auch der Kampf um Gehör in der Öffentlichkeit weiter. Am vergangenen Freitag hatten sich die niedersächsischen SPD-Landtagsabgeordneten Detlef Tanke und Silke Lesemann angekündigt,um vor dem Hintergrund der Informationen und Proteste der Flüchtlinge sich ein Bild von der Situation zu machen. Die Flüchtlinge haben einen kurzen Bericht über den Besuch angefertigt.
Um 10:00 Uhr kam der Chef der Betreiberfirma „Dr. Kranz Sozialbau und Betreuung K&S“ aus Sottrum bei Bremen. Gegen 11.15 sind wir, die Bewohner des Lagers Meinersen, raus auf das Grundstück gegangen und haben uns dort versammelt zu einer Art Kundgebung. Wir haben Schilder mit unseren Forderungen und unseren Sorgen gehalten. Kurze Zeit später erschien ein Polizeiwagen und wir wurden einige Minuten beobachtet, bevor der Wagen wieder abfuhr. Einige von uns haben gleich Angst bekommen und wollten sich wieder in ihre Zimmer zurückziehen. Doch andere von uns haben sie überzeugt da zu bleiben, schließlich sind unsere Forderungen legitim und unsere Lebenssituation unerträglich. Wir verhalten uns ruhig aber entschlossen und es wird nichts passieren - so haben wir weiter draußen ausgeharrt bis um 12.00 Uhr Frau Lesemann und Herr Tanke, Abgeordnete der SPD im niedersächsischen Landtag, zusammen mit lokalen SPD Mitgliedern und Herrn Funke, Leiter des Fachbereichs Ordnung Verkehr und Veterinärwesen, Frau Wissmann, Kresirätin, und einem Polizeibeamten erschienen. Es kam auch noch eine Journalistin der Gifhorner Rundschau, die unseren Protest, die Plakate fotografierte und ein Interview mit Herr Al-Nagar, Flüchtling aus Palästina und einer der Sprecher der Flüchtlinge des Lagers Meinersen, machte. Herr Al-Nagar beschrieb die schlechte Situation im Lager und dass wir weiter für die Schließung des Lagers kämpfen. Am kommenden Freitag, 18.02.2011, werden wir den Aktionskünstler Heinz Ratz in Gifhorn treffen. Das Antira-Plenum Hannover und der niedersächsische Flüchtlingsrat haben dazu eingeladen. Wir werden ab 15.00 Uhr eine gemeinsame Protestkundgebung durchführen. Das Lager, die uns bewußt aufgezwungene Isolation, der permanente Stress und die unaufhörlichen Schikanen durch den Leiter der Ausländerbehörde Gifhorn und seine Sachbearbeiter und die Bedrohung mit Abschiebung, alles das werden wir in der Gifhorner Fußgängerzone aussprechen.
Die beiden Abgeordneten besichtigten das Lager von innen und wollten mit uns zusammen sprechen. Dann meinte der Chef von K&S, dass wir, die Bewohner, draußen im Flur warten sollen. K&S wollte alleine mit den Behördenvertretern und der SPD Delegation sprechen. Wir haben das nicht akzeptiert und darauf bestanden zusammen zu reden. Das Gespräch hat dann damit angefangen, dass K&S sagte, dass es hier drei Waschmaschinen gibt. Daraufhin haben wir ihn unterbrochen. Es geht uns nicht darum, wieviele Waschmaschinen oder wieviele funktioniernde Duschen oder Toiletten es gibt, es geht darum, das Heim zu schließen. Das haben wir nochmal deutlich gemacht. Es ist ein Leben in der Isolation, eingepfercht in ein Gebäude ohne irgendeine Privatspähre unter der ständigen Beobachtung der Lagerleitung und den Schikanen der Behörden, das wir nicht mehr ertragen. Uns allen sitzt noch der Nervenzusammenbruch des afrikanischen Flüchtlings, Hamed S., in den Knochen. Der Mann hatte soviel Stress von der Behörde, dass er schon lange mental erkrankt war. Statt ihn aus dem Lager zu lassen und eine psychologische Stabilisierung zu veranlassen, hat die Behörde nur weiter Druck auf ihn gemacht. Wir haben Glück gehabt, dass niemand zu Schaden gekommen ist. Aber die Behörde legt es genau darauf an, uns alle an den Punkt zu bringen, wo wir ausrasten und uns selbst dann die Schuld zu geben. Nach dem Gespräch haben sich die Abgeordneten noch unsere Zimmer angeschaut. Herr Al-Nagar gab dem Abgeordneten, Herrn Tanke, einen Brief, der die allgemeine Situation im Lager beschreibt sowie seine persönliche Situation als Flüchtling aus Palästina ohne Anerkennung. Herr Tanke versprach zu antworten.
Bericht der Flüchtlinge aus dem Lager Meinersen vom 11.02.2011
Es war noch zu erfahren, dass bis zu 150 Flüchtlinge aus anderen Landkreisen nach Gifhorn verteilt werden, aber die Unterbringung noch unklar sei. Wieder hieß es aus den Behörden: alle Flüchtlinge aus dem Lager sollen umziehen in Wohnungen, um Platz zu schaffen. Dies war bereits im letzten Jahr zu hören gewesen. Zuerst sollten alle Familien raus. Dann musste aber zum Teil mit intensiven Rechtsanwalteinsätzen für die Wohnungen gekämpft werden, ebenso wie für die Genehmigungen für Bezugsscheine für die Ersteinrichtung. Immer noch sind Kinder im Lager und eine Familie wurde sogar neu ins Lager gebracht. Es laufen mittlerweile mehrere Anzeigen und Dienstaufsichtsbeschwerden gegen den Leiter der Ausländerbehörde, Herr Renders, wegen Amtsmißbrauch und Kompetenzüberschreitung. Es ist schon ein sehr gefährlicher Ort für Flüchtlinge unter der Leitung einer Person, die vor Jahren schon im Gericht belehrt wurde, dass wir nicht im Deutschland der 30/40 Jahre stehen geblieben sind.
Wir rufen weiterhin zu verstärkter Aufmerksamkeit und Unterstützung des Widerstands der Flüchtlinge in Meinersen auf – gegen Isolationslager, gesellschaftlichen Ausschluss und Abschiebung!
1 Ausländerbehörde Gifhorn – ein Hort der Unmenschlichkeit und der Rechtsbeugung
2 junge welt 09 02 2011
3 offener Brief aus Meinersen http://thecaravan.org/node/2588
4 „Sie haben uns hier rein geschmissen wie Tiere“ http://thecaravan.org/node/2531
5 update and faxcampaign https://thevoiceforum.org/node/1791
6 „Landkreis knallhart“ http://thecaravan.org/node/2602
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