MDR-Nachrichtenmagazin "Exakt"
Heimbetreiber kassiert offenbar bei Asylbewerbern ab
http://www2.mdr.de/sachsen/8285656.html
Im Landkreis Leipzig versucht offenbar der Betreiber eines Asylbewerberheims, gleich doppelt an seiner Kundschaft zu verdienen. Recherchen des MDR-Nachrichtenmagazins "Exakt" haben ergeben, dass der Betreiber des Heims in Thräna mehrere Läden besitzt, in denen die Asylbewerber für einfache Grundnahrungsmittel horrende Preise zahlen müssen. Alternativen gibt es nicht, denn die Läden sind nach einem Beschluss des Kreistags die einzige Einkaufsmöglichkeit für die Asylbewerber von gleich drei Heimen im Leipziger Umland: neben dem in Thräna auch die in Hopfgarten und Elbisbach. Da die Heimbewohner ihre Tagessätze nicht bar ausgezahlt, sondern in Form eines Gutscheins bekommen, sind sie auf die teuren Läden angewiesen.
Asyl
Audio: Überteuerte Produkte für Asylbewerber
MDR-Testeinkauf fällt um die Hälfte billiger aus
Ein Test der MDR-Reporter ergab, dass der Einkauf von vergleichbaren Lebensmitteln in einem nahegelegenen Discounter deutlich billiger ausfallen würde: Für eine Tüte Zucker wären dort 65 statt 92 Cent oder für einen Multivitaminsaft 80 Cent statt 1,38 Euro fällig. Der Discounter-Einkauf ist insgesamt um mehr als die Hälfte günstiger. Die zuständige Ausländerbehörde im Landratsamt wollte zu den überteuerten Preisen nur schriftlich Stellung nehmen. Auf MDR-Anfrage erklärte die Behörde, dass die Preise für ein Grundsortiment zwischen Behörde und privatem Betreiber vertraglich vereinbart worden seien. In der Vereinbarung heißt es: "Vertragsbestandteil ist eine Sortimentsliste, in der die konkreten Preise festgelegt sind. Zu unterscheiden ist das Grundsortiment, für das ein Preisniveau nahe an den Discounterpreisen gehalten wird."
Martin Gillo
Martin Gillo, sächsischer Ausländerbeauftragter, nennt die Lebensmittelpreise "nicht akzeptabel".
Gillo: Preisaufschlag nicht akzeptabel
Der sächsische Ausländerbeauftragte Martin Gillo bezeichnet die Preisgestaltung als unhaltbaren Zustand. 50 Prozent auf die Preise aufzuschlagen, sei nicht akzeptabel. Wenn man bedenke, dass den Asylbewerbern 130 Euro für ihre Verpflegung zur Verfügung stehen, könne man sich bei diesem Verteuerungsfaktor ausrechnen, wie viel ihnen tatsächlich für die eigene Versorgung noch übrigbleibt, sagte Gillo dem MDR. In anderen Landkreisen Sachsens sei man längst dazu übergegangen, die Verpflegungspauschale bar auszuzahlen, damit die Menschen mehr Freiraum bekommen. Laut Gillo stand der Landrat kurz davor, doch dann entschied sich der Kreistag, alles wie bisher zu belassen.
Karsten Schütze, Mitglied des Kreistages, mutmaßt über die Hintergründe des "Versorgungssystems". Opposition kritisiert Versorgungssystem
Im Landkreis sorgen die Zustände schon seit längerem für Kritik. Die Opposition vermutet, dass die Verträge zwischen Heimbetreibern und dem Landkreis Leipzig mehr als nur großzügig gestaltet sind. Karsten Schütze von der gemeinsamen Kreistagsfraktion von SPD und Grünen sagte dem MDR, die Situation lasse viel Raum für Mutmaßungen. So sei fraglich, warum man im Landkreis an dieser Art Versorgungssystem so hartnäckig festhalte. Auch könne man bereits von einer "richtigen Industrie sprechen", wenn allein ein Betreiber drei Heime mit Lebensmitteln versorge, sagte Schütze.
Recherchen des MDR ergaben, dass der Betreiber des Asylheims in Thräna und der Lebensmittelläden im Leipziger Umland eine GmbH ist, hinter der das Modehaus Rhein mit Geschäftssitz in Borna steht. Ein Interview mit dem MDR lehnte die Firma jedoch ab. Fest steht aber schon jetzt: In den kommenden Monaten soll es neue Überprüfungen zu diesem Fall geben. Spätestens dann muss sich zumindest das Landratsamt zu den Vorwürfen äußern.