11.04.2011 / Ausland / Seite 8Inhalt
»Die Situation hat sich verschärft«
Syrien: Seit Freitag protestiert auch die kurdische Minderheit gegen das Assad-Regime in Damaskus. Ein Gespräch mit Hussen Nassan
Interview: Gitta Düperthal
Der Kurde Hussen Nassan (45) ist 2002 aus Syrien nach Deutschland geflüchtet und lebt mit seiner fünfköpfigen Familie im Lager im thüringischen Gerstungen. Trotz der zugespitzten Situation in seinem Herkunftsland droht ihm die zuständige Ausländerbehörde in Bad Salzungen mit Abschiebung.
Seit drei Wochen gibt es in Syrien Proteste gegen die Regierung von Baschar Al-Assad; am Freitag sind dabei wieder 37 Menschen getötet worden. Auch im Norden Syriens, in Kamischli, wo viele Kurden leben, hat das Militär Demonstranten erschossen. Wie ist die derzeitige Situation?
Nachrichtenagenturen berichten von fast 150 friedlichen Demonstranten, die Sicherheitskräfte der Regierung in den vergangenen Wochen bei Aufständen umgebracht haben. Am Freitag haben sich erstmals auch Kurden den Protesten gegen das korrupte Regime angeschlossen. Ähnlich wie in anderen arabischen Staaten sind auch die Syrer nicht mehr bereit, eingeschränkte Meinungsfreiheit und Armut hinzunehmen, während sich kleine Eliten ständig bereichern. Das war schon damals, 2002, der Grund für meine Flucht: Wer seinen Mund aufmachte und die Regierung kritisierte, verschwand jahrelang im Gefängnis. 20000 Menschen seien so verschwunden, keiner wisse wohin, hieß es beim arabischen Sender von BBC. Insbesondere Kurden lebten in permanenter Angst. Ein Teil der syrischen Kurden hat bis heute keinen Personalausweis: staatenlos, ohne Papiere. Sie sind rechtlos, können beispielsweise keine Geschäfte tätigen. Unter Druck geraten, hat Assad ihnen nun zwar per Dekret die syrische Staatsbürgerschaft gewährt – wie viele dies tatsächlich betrifft, ist jedoch unklar. Ein Sprecher der kurdischen Partei Yakety, deren Mitglied ich bin, sagte: Die soziale Benachteiligung geht weiter, ob mit oder ohne Staatsbürgerschaft.
Die Ausländerbehorde droht Ihnen dennoch mit Abschiebung aus der BRD. Warum will Ihre Anwältin Mirjam Kruppa jetzt einen Asylfolgeantrag stellen?
Die Situation hat sich verschärft. Das Prinzip ist gleich geblieben: Von Schlägertrupps und Mörderbanden, die jetzt da wüten, behauptet die Regierung auch neuerlich wieder, sie gar nicht zu kennen. Bei Aufständen in Daraa wurde am Freitag vor offener Kamera ein Mann getötet; natürlich sagte die Regierung, das seien keine Sicherheitskräfte, sondern irgendwelche Banden gewesen. Fragt sich nur: Warum greift dann eigentlich keine Polizei ein? Genauso war es bei der Geschichte, die meinen ersten Asylantrag betrifft, der abgelehnt wurde: Meinem kurdischen Freund Mohammed Halil und mir wollte man damals Land abjagen, das in unserem Eigentum war, und es arabischen Familien zusprechen. Das ist ein übliches Procedere: Man legt die Gesetze so aus, daß Kurden nicht an andere Kurden verkaufen können; das Land fällt an Araber. Mohammed und ich hatten uns dagegen gewehrt. Nachdem mein Freund sich geweigert hatte, sein Landstück in der Region Afrin zu verkaufen, verschwand er einige Tage; danach wurde seine Leiche, an der Foltermerkmale zu erkennen waren, auf dem Weg zu seinem Heimatdorf gefunden. Weil es Zeugen gab, hat die Regierung zugegeben, ihn festgenommen zu haben, aber behauptet, ihn anschließend wieder freigelassen zu haben. Den Rest sollen angeblich »regierungsferne Kräfte« erledigt haben. Meine Partei hatte daraufhin gesagt: »Du verschwindest besser, damit dir nicht Ähnliches blüht.« Denn damals gab es kurdische Widerstandsgruppen gegen arabische Enteigner, die ihnen den Strom abstellten und Traktoren anzündeten. Deshalb bin ich 2002 nach Deutschland geflüchtet.
Waren Sie selber von Repressionen betroffen?
Nein, dann hätte ich nicht mehr fliehen können! Ich bin mit meiner Frau und meinem Sohn Siwar 2002 nach Deutschland gekommen. Ein Jahr später ist meine Tochter Hidayat nachgekommen, danach mein Sohn Abdullah. Meine jüngste Tochter Sillah ist hier geboren.
Was müßten Sie im Fall Ihrer Abschiebung befürchten?
Die Suche nach mir geht in Syrien ständig weiter. Bei der Beerdigung meines Vaters im Sommer 2009 hat man meine Verwandtschaft nach mir und meinem Bruder Mustafa Nassan gefragt. Leute von der Regierung kamen auch zu Cousins und Cousinen nach Hause, und wollten wissen, wo wir sind. Die hatten große Angst, denn es gibt Sippenhaft. Viele mußten schon für ihre Brüder oder Väter ins Gefängnis gehen. Ich habe die Regierung kritisiert: im Internet, in Zeitungen und im Fernsehsender MDR. Bei Protesten vor der syrischen Botschaft war ich dabei. Deshalb hätte ich im Fall einer Abschiebung Schlimmes zu befürchten – was genau, möchte ich mir gar nicht ausmalen.
Von: hussen nassan [mailto:hussennassan@hotmail.de]
Gesendet: Dienstag, 21. Dezember 2010 22:31
An: gitta صحفي
Betreff:
Hussen Nassan 45 jahre
Molida Koto 42 jahre
Hidayat Nassan 21 jahre
Abdullah Nassan 20 jahre
Siwar Nassan 18 jahre alt
Silan Nassan 7 jahre alt
Ich bin seit 9 jahre hier in Deutschland und ich kann kaum deutsch reden weil wir kaum kontak mit deutschen anderen leuten haben. Unsere Dusche ist gemeinsam ist sehr dreckisch und es ist auch unverschämt wen man Duschen geht und die anderen Nack da Duschen.
Wen wir Klamoten waschen wollen kann mann nicht immer waschen weil es ist mit anderen,
und es ist auch verboten einer hier bei uns zu übernachten.
Die WC sind auch extrem dreckisch da hat man auch kein lust zu wc gehen.
Mein kinder Hidayat , Abdullah und siwar müssen alle in ein zimmer schlafen.
Wir wünschen uns nur ein Wohnung wo man selber machen kann was er will und das der andere nicht mit bekommt
so gesagt gibs kaum privatfähre
https://www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/2011/04-11/062.php