Nachdem sich im niedersächsischen Gifhorn ein Asylsuchender, der nach 14 Jahren abgeschoben werden sollte, das Leben nahm, begannen die Flüchtlinge mit Protesten gegen ihre Lebensumstände. Die tägliche Angst vor Abschiebung wird von den Behörden regelmäßig genutzt, um jegliche Kritik zu unterdrücken. Jene, die trotzdem die Stimme erheben, werden seitdem schikaniert. Der Sprecher der Flüchtlinge wurde beschleunigt abgeschoben. Die zweite Sprecherin, die neunzehnjährige Nurjana Ismailova, ist als eine der wenigen Furchtlosen geblieben. Sie ist nun das Ziel von Drohanrufen, Beschimpfungen während Behördengesprächen und Ermittlungsobjekt des Staatsschutzes. Ihre Privaträume wurden bereits polizeilich durchsucht.
In Thüringen stellt sich die Situation teilweise ähnlich dar: In Breitenworbis, Eichsfeldkreis, berichten Flüchtlinge davon, nach Stellungnahmen in Zeitungen gezielt von Behördenmitarbeitern mit Abschiebung bedroht worden zu sein. In Zella‐Mehlis werden Flüchtlinge, die sich der Heimleitung fügen, belohnt, Protestierende dagegen mit kleinen alltäglichen Schikanen bestraft.
Eine Informationsveranstaltung mit Nurjana Ismailova (Jugendliche ohne Grenzen) aus Niedersachsen, Miloud L Cherif (The VOICE Refugee Forum) aus Thüringen und weiteren antirassistischen AktivistInnen in der Uni Jena soll nun diese Verhältnisse der Studierendenschaft näherbringen und – vor dem Hintergrund, dass die deutsche Regierung weltweit Menschenrechte einfordert – die in aller Stille der hiesigen
Provinz aufgebauten Strukturen von Einschüchterung und Unterdrückung politischer Selbstorganisation offenlegen.
Darüber hinaus werden die ReferentInnen Handlungsoptionen aufzeigen und mit allen Interessierten Möglichkeiten diskutieren, nachhaltig die Stellung von Flüchtlingen in Deutschland zu stärken.
Politische Verfolgung in Deutschland?
Wenn Schutzsuchende zu Verfolgten werden
Donnerstag › 13.10.2011 › 19.00 Uhr
Treffen auf dem Campus › Ernst‐Abbe‐Platz 3
von da geht’s gemeinsam zum Veranstaltungsort
Eine Kooperation des Referats für Menschenrechte FSU Jena und dem Break Isolation!‐Netzwerk
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Lager und Residenzpflicht - Mittel politischer Verfolgung
Wenn ein Flüchtling beginnt, sich zu vernetzen, vielleicht sogar öffentlich aufzutreten, bekommt er dies sofort im Alltag zu spüren. Denn der Alltag wird allumfassend von den Behörden kontrolliert: Bei Krankheit werden Krankenscheine verweigert. Das Taschengeld, was zusätzlich zu den Lebensmittelgutscheinen in bar ausgegeben wird, wird verweigert. Amtliche Briefe, deren pünktliche Beantwortung wichtig ist, werden - teils geöffnet - zu spät weitergegeben. Arbeitserlaubnisse werden verweigert oder entzogen. Gelder für Busfahrten zu Ausbildungsorten verweigert. Gerichtsprozesse verschleppt. Abschiebungen forciert.
All das bringt das Leben im Lager, unter voller Kontrolle der Ausländerbehörde und ihrer Mitarbeiter_innen mit sich.
Die Residenzpflicht tut ihr übriges hinzu. Sie regelt das unter Strafe gestellte Verlassen des Landkreises, dem ein Flüchtling zugewiesen ist. Offiziell darf nur mit einer Genehmigung, "Urlaubsschein", der Landkreis verlassen werden. Urlaubsscheine werden jedoch in der Regel nur für Gerichts- und Anwaltstermine gegeben, sonst für nichts. Schon gar nicht für politische Veranstaltungen.
Damit steht jeder Besuch einer Demo, eines Vernetzungstreffens etc. unter Strafe. In den meisten Bundesländern führt die Residenzpflicht deshalb zu rassistischen Rasterfahndungen an Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen, in deren Rahmen Bundespolizist_innen gezielt Menschen kontrollieren, denen der Status "Asylsuchende_r" bloß aufgrund ihres Äußeren unterstellt wird.
http://de.indymedia.org/2011/10/318235.shtml