Anlässlich des 63. Jahrestags der Verabschiedung der Allgemeinen Menschenrechtscharta durch die Vereinten Nationen 1948 hatten FlüchtlingsaktivistInnen aus Niedersachsen und unterstützende Gruppen zu einer Kundgebung vor dem Hannoveraner Hauptbahnhof aufgerufen. Ausgestattet mit einer Lautsprecheranlage, Transparenten, Zeitungen, Flugblättern und einem Infotisch versammelten sich für die Dauer von vier Stunden ca. 60 AktivistInnen, um ihre Sicht auf den Umgang mit den Menschenrechten im Allgemeinen und im Bundesland Niedersachsen im Besonderen darzustellen.
Ein Sprecher der Roma berichtete über die repressive Abschiebepolitik gegen Roma ungeachtet des extremen Antiziganismus und ihrer rassistisch motivierten Verfolgung in den meisten osteuropäischen Ländern. Ein Flüchtlingsaktivist aus Oldenburg erzählte von Erfolg und Rückschlag im Kampf gegen die Lagerisolation am Beispiel des ehemaligen Lagers in Blankenburg.
Eine größere Gruppe Flüchtlinge aus dem Isolationslager Bramsche/Hesepe bei Osnabrück kam aufgrund einer Zugstörung erst gegen Ende der Veranstaltung. Sie konnten aber einen starken Ausdruck für die Ignoranz und die Missachtung der Menschenrechte in Niedersachsen geben und gleichzeitig ihren Willen zum Widerstand demonstrieren. Die Flüchtlinge aus Iran, Afghanistan und verschiedenen afrikanischen Ländern haben im November eine Presskonferenz und vier Demonstrationen für die Schließung des Lagers Bramsche organisiert. Die meist jungen Menschen sind vor Krieg und Verfolgung geflohen und wehren sich jetzt gegen die Vergeudung ihrer Leben im niedersächsischen Lagersystem.
VertreterInnen antirassistischer Gruppen aus Braunschweig, Osnabrück, Münster und Hannover, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN, des niedersächsischen Flüchtlingsrats und weitere aktive Menschen zeigten ihre Solidarität mit dem Kampf der Flüchtlinge in Niedersachsen. Es wurde an mehreren Stellen betont, dass der Kampf um die Grundrechte ein Kampf für die Entwicklung und Verbesserung der ganzen Gesellschaft ist. Eine Sprecherin des VVNs hob die besondere historische Bedeutung des Kampfes gegen Rassismus und Lager hervor. Ein Vertreter des Palästina-Arbeitskreis aus Hamburg sprach über die Verbindung Deutschlands zu Menschenrechtsverletzungen weltweit durch seine Rüstungsexporte und Waffenhandel, durch die Unterstützung diktatorischer Regime und durch Kriegseinsätze. Das Interesse an neokolonialer Dominanz, der Ausplünderung der natürlichen Ressourcen sowie der ökonomischen Unterentwicklung anderer Länder führt zu Flucht und sukzessive zur Bekämpfung
von Flüchtlingen mit zehntausenden Toten an den europäischen Außengrenzen und einer schleichenden Zerstörung der Menschen, die es geschafft haben, in Deutschland Asyl zu ersuchen.
Dieser Zerstörung entgegenzutreten, sich zu organisieren und das Schweigen in der Gesellschaft zu brechen dafür steht die Kampagne „BREAK ISOLATION“ aus Thüringen. Das Ziel, das die richtige und notwendige Antwort auf den Rassismus und die Angriffe des Staates darstellt, ist die Selbstorganisierung und der Aufbau der Flüchtlingsgemeinschaften. Eine Delegation aus Thüringen war nach Hannover gereist, um zum wiederholten Mal den niedersächsischen Flüchtlinge zur Seite zu stehen. Abschluss der Kundgebung zum sogenannten Tag der Menschenrechte war der Live HipHop Act des jungen Flüchtlings MC Nuri, der mit seiner Familie seit zehn Jahren die Erniedrigungen, die Verfolgung und die Drohung der Abschiebung durch das Ausländeramt im Landkreis Gifhorn erfährt, und diese Erfahrungen in Liedtexte fasst. „Und wenn du gefangen bist in diesem Asylantenheim, wünscht du dir nur eins – ein freier Mensch zu sein“ aus „AsylblG“. Im Lied „Das ist Deutschland“ erinnert er auch an den Mitflüchtling Shambu Lama, der vom Ausländeramt in den Tod getrieben wurde. Er nahm sich am 1. März 2011 das Leben.
„10 jahre im heim und das in Meinersen,
wir haben versucht es euch zu sagen doch es macht keinen sinn,
deswegen kämpfen wir für unsere freiheit,
Schambu Lama Herzliches Beileid“
MC Nuri
Parallel zur Kundgebung wurde in Genf in der Schweiz bei dem Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge eine Protestnote, in der das Recht brechende Fehlverhalten der deutschen Amtsträger benannt wird, übergeben. Im Namen von Maissara S. Saeed stellvertretend für die sudanesischen Flüchtlinge in Deutschland und für die Flüchtlingsgemeinschaft in Niedersachsen, erfolgte eine Einladung in verschiedene Lager in Niedersachsen und Thüringen, um sich selbst ein Bild vor Ort zu machen. „Unsere berechtigten, einfachen und klaren Forderungen werden von der deutschen Regierung komplett negiert, wir hoffen sie erfahren Ihre Aufmerksamkeit und Beachtung“ (vollständiger Text im Anhang)
Die Stimmung in der vorweihnachtlichen Hannoveraner Innenstadt entsprach in etwa dem, was einige Tage zuvor aus Niedersächsischen Landtag zu hören war: während ihrer Kritik an der Abschiebepolitik des Innenministeriums schallte der Grünen Abgeordnete, Filiz Polat, aus CDU Reihen ein „Man hätte Sie abschieben sollen“ entgegen. Während die Beleidigung in dem Zwischenruf die gleiche ist, ist es zusätzlich eine konkrete Bedrohung für Flüchtlinge im Bundesland. Erfreulich war, dass mehr als hundert Protestbriefe am Infotisch unterschrieben wurden und es zum Solidaritätsaustausch mit AktivistInnen des Kurdistan Volkshaus kam, wobei nochmal die doppelte Verfolgung – im Herkunftsland und als Flüchtling in Deutschland - angesprochen wurde. Das Interesse zahlreicher junger Menschen am Infomaterial und dem Protestbrief war ein Zeichen der Hoffnung. Unser Protest trägt zum Ansehen Niedersachsens bei, während die Behördenpraxis, die Abschiebepolitik des Innenministeriums und oben genannte Äußerungen im Parlament das Gegenteil tun. Aber es geht uns nicht um das Ansehen – es geht um ein Ende der Verbrechen, um Gerechtigkeit und ein Leben in Würde für alle.
Das Jahr 2012 wird große Herausforderungen und Anstrengungen in dieser Richtung erfordern. Wir hoffen auf Eure starke Unterstützung für die entstehende Selbstorganisierung der Flüchtlinge in Niedersachsen.
Schließung aller Lager, Abschaffung aller rassistischen Sondergesetze, gesicherter Aufenthalt gegen Abschiebung!
Unterstützt die Kampagne für die Geschwister Nurjana und Nuradil http://thecaravan.org/ismailow
Hamburg, 13.12.2011
KARAWANE für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen – Hamburg
c/o Internationales Zentrum, Brigittenstrasse 5 , 20359 Hamburg
Tel: 040-43 18 90 37, 040-43 18 90 38, @: free2move nadir.org, www.thecaravan.org
Die Karawane ist maßgeblich auf Spenden angewiesen. Unsere Organisation besteht überwiegend aus Flüchtlingen, die (wenn überhaupt) nur über sehr geringe finanzielle Mittel verfügen. Aus diesem Grunde haben wir 2008 den „Förderverein Karawane e. V.” gegründet. Unser Verein ist als gemeinnützig anerkannt und kann deswegen auf Wunsch Spendenquittungen ausstellen, so dass sie steuerlich absetzbar sind. Wenn bei der Überweisung die Adresse mit angegeben wird, verschicken wir die Spendenbescheinigung automatisch spätestens am Anfang des Folgejahres.
Kontakt: foerderverein(at)thecaravan.org
für Unterstützung der Flüchtlingsgemeinschaft Niedersachsen bitte mit Stichwort „Niedersachsen“
Förderverein Karawane e.V.
Kontonummer: 40 30 780 800; GLS Gemeinschaftsbank eG; BLZ: 430 609 67
Protestnote an das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen:
Protest Note
The Name: This Protest Note Called 10th December Note.
The General Topic: The main issue of this note is the Systemic human rights violations of refugees by German Authority.
Specific Topics:
Situation of Sudanese Refugees in Germany (State of Lower Saxony as an example).
Situation of Refugees in the whole of Germany.
The text of the Note:
The honorable United Nation High Commissioner for Refugees
Geneva, Switzerland
On behalf of refugees and asylum seekers in Germany, Sudanese asylum seekers and refugees in Lower Saxony, The VOICE Refugee Forum, and the Caravan network, I introduce this protest note.
We condemn, denounce, and reject the inhuman treatment of refugees and asylum seekers in Germany by the governments at different levels in Germany.
We are all shocked, surprised and angry, because the German government has deceptively shifted the whole asylum concept from its humanitarian and legal space into the corridors of politics where refugees and asylum seekers have become their whipping boys. And it uses a number of shameful tools to bring the asylum applicant from Sudan to any of the three fatal options below.
To accept the model of slow life loses and deaths here in Germany, while him/her, is awaiting the first or second, etc, instance(s) decision of his/her asylum application.
To surrender, and choose to go back home (voluntary return), and accept the model of rapid life loses and deaths there in Sudan without any protection.
To try improving his/her life by hook or crock which may lead him/her to fall in illegal and criminalized zones of activities through which further persecution will be justified.
Germany does this through a number mechanism depending on the tools they choose to employ and the specific circumstances of the applicant:
National German laws and regulations.
European political and legal Support (Dublin Regulations agreement).
UNHCR (in Berlin) disability, Carelessness and Silence.
Psychological War against refugees (Mental isolation).
Physical, mental and material isolation. (Isolation of refugees from normal societies and maintain us as exiles within the society).
The Honorable High Commissioner, we as refugees and asylum seekers in Germany are:
Isolated
Detained
Psychologically tortured
Threatened
Abused
Repressed and intimidated
Persecuted
The Honorable High Commissioner, we appeal to you, Do not stay in your office, and say: I have nothing to do, although I know human rights of refugees in Germany is big zero, as your representative in Germany do, or stay and say: we have a functioning system with just sending fax, making phone calls, and sending emails. We call you to rise up to your mandate, come and visit us refugees and asylum seekers camps in:
Alte Peiner Heerstr – (Niedersachsen)
Bramsche – (Niedersachsen)
Fallersleben – (Niedersachsen)
Velbert – (Nordrhein-Westfalen)
Meinersen – (Niedersachsen)
Zella Mehlis – (Thüringen)
Breitenworbis - (Thüringen)
Gerstungen – (Thüringen) amongst others to see for yourself, our plight.
In these camps, you will find examples that are more like crimes against humanity than the international protection from mental and physical abuses, daily and systemic violation of our rights and the humanitarianism that is the basis of the Universal Declaration of Human Rights Convention. We are not “crying wolf”- come and see with your own eyes.
The Honorable Higher Commissioner, we are fighting politically against all these and we have very simple and clear demands, we call for:
Granting refugees in Germany our human rights according to what had been written in the universal declaration of human rights.
Breaking isolation of refugees, and closing all isolated refugees camps, especially those mentioned above, Alte Peiner Heerstr, Bramsche, Zella Mehlis, Fallersleben, Breitenworbis and Gerstungen.
Abolish all kind of institutional repression against refugees.
Stop immediately inhuman forced deportation of refugees.
Abolish the National Socialist inspired Residenzpflicht in Germany
Honorable High Commissioner, in May 2011, the Sudanese asylum seekers submitted a note of a protest addressing the same issues to your representation in Berlin.
Honorable higher commissioner, our legal, simple and clear demands are totally neglected by the German government. We hope we get your attention and care with adequate response.
In December 2011 - Geneva, Switzerland
Maissara Saeed (An asylum seeker)
Alte Peiner Heerstr 2,
30659 Hannover, Germany
Handy: 00-49-17674537116
Maissara10@hotmail.com
https://thevoiceforum.org/
http://thecaravan.org/