jungewelt press: 04.01.2012
Zweifel an polizeilicher Selbstmordthese
Flüchtlingsorganisationen rufen zur Prozeßbeobachtung im Fall Oury Jalloh auf. Kundgebung in Magdeburg
Von Markus Bernhardt
In den kommenden Tagen gibt es in verschiedenen Städten Gedenkaktionen für den aus Afrika stammenden Oury Jalloh. Der Flüchtling war am 7. Januar 2005 von der Polizei festgenommen worden und verbrannte später an Händen und Beinen gefesselt auf einer Matte im Dessauer Polizeigewahrsam.
Während die Polizei nach wie vor behauptet, daß der aus Sierra Leone stammende Flüchtling das Feuer selbst ausgelöst habe, bezweifeln antirassistische Organisationen und Flüchtlingsinitiativen die offizielle Darstellung. Sie halten es nicht für möglich, daß es dem gefesselten Jalloh hätte gelingen können, ein Feuerzeug aus seiner Tasche zu nehmen und die Matratze bzw. seine Kleidung zu entzünden. Die Antirassisten rufen daher für den 7. Januar zu einer Mahnwache vor der Polizeiwache Dessau-Roßlau, in der Jalloh verbrannte, auf. Dort soll neben weiteren die evangelische Kreisoberpfarrerin Annegret Friedrich-Berenbruch sprechen.
Für den kommenden Montag planen verschiedene Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen außerdem eine Kundgebung vor dem Landgericht Magdeburg (Saal A 23). Dort wird seit nunmehr elf Monaten wegen des Vorwurfes der Mitschuld am Tod des Asylbewerbers in zweiter Instanz gegen den Dienstgruppenleiter des Dessauer Polizeireviers verhandelt. Dem Beamten wird unter anderem vorgeworfen, eine Sprechanlage, mittels derer er die Gewahrsamszelle akustisch habe überwachen können, leise gestellt und einen Alarm schlagenden Rauchmelder abgestellt zu haben.
»Wir rufen alle dazu auf, den Protest mit fortzusetzen, solange es nötig ist, um die Ungerechtigkeit und den institutionellen Rassismus im Gericht beim Mord von Oury Jalloh zu entlarven«, forderte die Gruppe »The Voice« in einer am Montag veröffentlichten Erklärung. Der Umgang der deutschen Polizei und Justiz mit den gegen sie erhobenen Vorwürfen hatte in den vergangenen Jahren international für Aufsehen gesorgt.
»Gerechtigkeit für Oury Jalloh!«, Kundgebung in Magdeburg, Montag, 9. Januar, 9.30 Uhr, Landgericht Magdeburg; Prozeßbeobachtung: Saal A 23, https://thevoiceforum.org