12.01.2012
„Wir fühlen uns wie in einem Gefängnis“ – Gegen Isolation und Unterbringung von Flüchtlingen in Lagern!
Am kommenden Samstag, dem 14.1.2012, findet ab 12 Uhr vor dem Erstaufnahme- und Abschiebelager in Horst bei Boizenburg eine Solidaritätskundgebung statt.
Nach dem Pogrom von Rostock-Lichtenhagen 1992 wurde die Zentrale Erstaufnahme für Flüchtlinge von den Behörden bewusst in die Abgeschiedenheit verlegt. Dort existiert sie beinahe 20 Jahre (seit 1.4.1993).
Viele der zwangsweise dort lebenden Flüchtlinge vergleichen die Lebensbedingungen, mit denen in einem Gefängnis. Nicht nur der äußere Anschein bestätigt das: Ein mit Stacheldraht umsäumter Zaun umgibt das Gelände, Wachen am Eingang, die jeden kontrollieren, ein Drehkreuz, dahinter kasernenartige Blöcke. Weit entfernt von Beratungsangeboten und Unterstützung von Dolmetscher_innen, sollen dort Flüchtlinge ein extrem bürokratisches und schwieriges Asylverfahren beginnen, dessen negativer Ausgang nicht selten auf die ersten Schritte in Horst zurück zu verfolgen ist. Selbst staatlich geförderte UnterstützerInnen wie z.B. Flüchtlingsräte erhalten keinen Zugang zum Gelände und sind gezwungen ihre Beratungsangebote außerhalb des Geländes, u.a. auf dem Parkplatz, durchzuführen.
Während des Zwangsaufenthalts in Horst leben die Flüchtlinge unter fast völligem Entzug der Privatsphäre und der Selbstbestimmung: Mehrpersonenzimmer für bis zu 6 Personen, vorgeschriebenes Essen in der Kantine zu vorgeschriebenen Zeiten; keine Freizeit- oder Beschäftigungsmöglichkeiten. Ein monatliches „Taschengeld“ von 40,- lassen zudem kein keinen Kontakt in andere Städte und so gut wie keine eigene Versorgung zu. Selbst schulpflichtige Kinder und Jugendliche sind hier untergebracht ohne jede Möglichkeiten des Lernens. Möglichkeiten die deutsche Sprache zu lernen, sind gesetzlich nicht vorgesehen. Die völlig unzureichende medizinische Versorgung beruht in der Regel auf die Vergabe von Schmerztabletten – auch bei schweren psychischen oder physischen Krankheiten und Verletzungen, die beispielsweise durch die Flucht entstanden sind - und findet meist ohne Übersetzung statt. Zudem werden nötige Überweisungen zu Fachärzten selten ausgestellt.
Das eine „Integration“ in Deutschland nicht erwünscht ist und stattdessen eine Abschreckungspolitik bevorzugt wird, ist nicht zu übersehen.
Der Aufenthalt soll maximal drei Monate betragen – in der Realität sitzen doch die Menschen dort meistens viel länger fest.
Seit 2005 befindet sich auf dem Gelände zugleich die sogenannte „Landesgemeinschaftsunterkunft“, die de facto den Charakter eines Abschiebelagers einnimmt und in anderen Orten „Ausreisezentrum“ bezeichnet wird. Menschen, die „offensichtlich unbegründet“ in Deutschland aufhältig sind und von Abschiebung bedroht sind, dürfen hier maximal 12 Monate untergebracht sein. Auch das wurde in der Vergangenheit immer wieder überschritten. Gegen all diese Probleme richtete sich bereits mehrfach Protest, zuletzt im Spätsommer 2010 indem einige Flüchtlinge in den Hungerstreik traten. Doch eine wesentliche Verbesserung der Situation im Lager Horst blieb bisher aus.
Seit 2006 benutzt die Hansestadt Hamburg die „Zentrale Erstaufnahme“ ebenfalls für die Unterbringung eines Teils „seiner Flüchtlinge“. Dies sollte allerdings mit dem letzten Koalitionsvertrag auslaufen. Die schwarz-grüne Koalition in Hamburg hatte sich Anfang 2011 darauf geeinigt, den Vertrag Ende 2012 auslaufen zu lassen. Doch kaum im Amt will der SPD-geführte Senat Hamburgs indes die Unterbringung von Flüchtlingen in Horst fortsetzen. Und das obwohl sich an der Situation - deren Unzumutbarkeit u.a. die SPD noch im letzten Jahr selbst festgestellt hat- seither nichts verändert hat.
Kim Ayalan, Pressesprecherin der Kampagne Stop_it – Rassismus bekämpfen, alle Lager abschaffen verweist auf die festgelegten Grundsätze, gegen das vom Land betriebene Lager in Horst eindeutig verstoße: „Um die Teilnahme am Gemeinschaftsleben zu ermöglichen, dürfen Gemeinschaftsunterkünfte nur in oder im Anschluss an einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil eingerichtet werden.“ (§2 Abs. 2 der Gemeinschaftsunterkunftsverordnung M-V 2001). Die (infra-)strukturellen Bedingungen des Lagers, die zum einen vom Standort herrühren, zum anderen von den dort geschaffenen Bedingungen, würden deutlich machen, dass eine Verbesserung der Lebenssitutation der Flüchtlinge – wenn gewollt - nur durch eine Verlegung in eine größere Stadt hergestellt werden kann, in der es soziale und rechtliche Beratung und Unterstützung, sowie Möglichkeiten der Partizipation am gesellschaftlichen und politischen Leben gebe, so Ayalan weiter.
Daher fordert sie im Namen der Stop_it Kampagne, Politiker_innen und Vertreter_innen der Presse dazu auf, sich den Fragen und Berichten der Flüchtlinge am kommenden Samstag zu stellen!
Gemeinsam mit Gruppen aus Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern ruft die Stop_it! Kampagne am 14.1.2012 zur Kundgebung vor dem Erstaufnahme- und Abschiebelager Horst auf.
Wir fordern die sofortige Schließung der Landesgemeinschaftsunterkunft Nostorf/Horst für Flüchtlinge aus Mecklenburg-Vorpommern und die Verlegung der „Zentralen Erstaufnahme“ in eine größere Stadt wie Rostock, in der Flüchtlinge maximal 3 Monate untergebracht werden.
Kim Ayalan - Pressesprecherin der Kampagne Stop It! - Rassismus bekämpfen, alle Lager abschaffen!
Kontakt:
Email: stop_it@gmx.de
Tel.: 015784285714