"Der Kampf geht weiter" - Ali Safianou Touré
24.06.2012
„Sie haben mein Asylrecht mit Füßen getreten – Der Kampf geht weiter“
Bericht vom Prozess Ali Safinaou Touré gegen die Bundesrepublik Deutschland
anwesend: der Kläger Herr Ali, seine Rechtsanwältin Frau Sigrid Töpfer und als Beklagte der Landkreis Parchim/Ludwigslust vertreten durch den Abteilungsleiter der Ausländerbehörde Parchim, Herr Lorenz, und seinen Vorgesetzten.
Ebenfalls angereist waren etwa 50 FreundInnen und UnterstützerInnen, um Herrn Ali zu begleiten, den Prozeß zu beobachten und mit einer Kundgebung sein Aufenthaltsrecht einzufordern. Die Menschen kamen aus Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Wuppertal, Hannover, Wolfsburg und Hamburg – Flüchtlinge, MigrantInnen und Deutsche.
Zu Beginn der Verhandlung erklärte der togoische Regimeflüchtling, Ali Safinaou Touré:
Meine Sicherheit ist in Togo nicht gewährleistet.
Ich kann nicht in Togo zurückkehren wie Sie es gerne möchten. Meine Sicherheit wird in Togo in Gefahr sein. Seit Februar 2005 ist der Diktator Eyadema tot. Aber er lebt in den Männern seines Regimes weiter. Eyadema ist tot, aber das System, das er 40 Jahre lang aufgebaut hat, ist noch immer da. Der Sohn Eyademas, Faure Gnassimgbe, der 2005 die Macht gewaltsam ergreifen wollte ließ hunderte Menschen ermorden.Vor dem Hintergrund internationaler Proteste gegen den Staatstreich machte er einen Rückzieher. Aber einige Monate später organisierte die Regierungspartei RPT Wahlen und - welche Überraschung – es kandidierte Faure Gnassimgbe. Ich denke Sie kennen die Bedingungen, die bei dieser Wahl herrschen. Die Partei RPT, die seit 40 Jahren an der Macht ist, organisierte keine freien, demokratischen und transparenten Wahlen. Die RPT, die den Togolesen seit jeher Leid zufügt, betrog wie so oft zuvor bei den Wahlen, um Faure Gnassimgbe,dem Sohn des toten Präsidenten, an die Macht zu verhelfen.Und wie es ein Sprichwort so schön sagt, wie der Vater , so der Sohn. Faure Gnassimgbe umgab sich also mit den Führern der RPT, mit denen sein Vater 40 Jahre lang zusammengearbeitet hatte. Und somit lebt das Regime weiter und damit die Unterdrückung und die Verelendung. Aktuell wurde am 12. Juni eine Demonstration der Opposition in der Hauptstadt Lomé von den Sicherheitskräften des Regimes angegriffen. Es gab mehrere Tote und viele Verletzte.
Der Vorsitzende Richter Skeries bezeichnete die Erklärung Herrn Alis für das laufende Verfahren als nicht relevant.
Der Antrag auf humanitären Aufenthalt nach § 25(5) Ausländerrecht war im Jahr 2007 gestellt worden. Im Jahr 2010 (nach Anwaltswechsel) wurde eine Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Schwerin gestellt. Am 22. Juni 2012 fand die Verhandlung unter dem Vorsitzenden Richter Skeries statt. Dieser hatte bereits im Vorfeld der Rechtsanwältin angeraten, auf die Verhandlung zu verzichten, da er eine ablehnende Entscheidung treffen werde - mit dem Verweis, dass die Gründe des Klägers vom Bundesamt in Nürnberg zu prüfen seien und nicht den Landkreis Parchim betreffen. Die Rechtsanwältin Frau Töpfer hatte bereits im letzten Jahr einen Wiederaufgreifungsantrag § 60(7) beim Bundesamt gestellt, was sich auf die zielstaatenbezogenen Abschiebehindernisse bezieht, nämlich die Unmöglichkeit der medizinischen Versorgung ihres schwerbehinderten Mandanten in Togo. Dass sehr wohl auch Gründe für einen positiven Entscheid nach § 25(5) vorliegen, machte die Rechtsanwältin in der Anhörung deutlich und übte scharfe Kritik an der Haltung der Ausländerbehörde, diesen Antrag über 5 Jahre nicht entschieden zu haben: Herr Ali ist faktischer Inländer aufgrund seines langjährigen Aufenthalts und in Deutschland fest verwurzelt. Er hat ein großes soziales Umfeld in Deutschland aufgebaut, ist gesellschaftspolitisch aktiv und wird von Freunden und Freundinnen in der Alltagsbewältigung unterstützt. Er benötigt eine kontinuierliche medizinische Behandlung, welche nicht unterbrochen werden darf. Dass diese teilweise über einen UnterstützerInnenkreis organisiert werden muss, liegt an den menschenverachtenden Regelungen im Asylbewerberleistungsgesetz aber eben auch an der Ignoranz der Ausländerbehörde Parchim gegenüber den Leiden ihres Mandanten. Ohne die ehrenamtliche Hilfe wäre Herr Ali in gesundheitlich noch weit schlimmerer Lage. Die zehnjährige Lagerunterbringung, die eingeschränkte medizinische Versorgung und die Residenzpflicht haben deutlich zu der Verschlechterung der Gesundheit ihres Mandanten beigetragen. Eine Abschiebung nach Togo würde eine sich schnell vollziehende und drastische Verelendung zur Folge haben. Die Unzumutbarkeit der Ausreise ist anzuerkennen. Die Gesundheitsüberprüfungen durch die Behörde, die lediglich die Möglichkeit einer Reisefähigkeit/Transportfähigkeit in Betracht gezogen haben, sind mangelhaft.
Die Ausländerbehörde erklärte aus der Defensive, dass es nicht um die Abschiebung gehen würde, sondern ja nur um Vorzüge im Aufenthalt. Daraufhin belehrte die Rechtsanwältin die Landkreisvertreter, dass es um Menschenrechte und Menschenwürde gehe. Den Vorschlag der Ausländerbehörde, sich an die Härtefallkommission zu wenden, kommentierte Rechtsanwältin Töpfer – statt selbst zu entscheiden, bietet die Ausländerbehörde an, auf Rechtsmittel zu verzichten. Das ist nicht zu akzeptieren.
Dass die Gründe für ein Aufenthaltsrecht sowohl in diesem Verfahren wie auch im Bundesamtsverfahren miteinander in Beziehung stehen und auch durch die Gesetzgebung und die Rechtssprechung keine scharfe Abtrennung gemacht werden könne, sah auch der Vorsitzende Richter Skeries ein. Er schloss die Verhandlung mit der Ankündigung innerhalb von zwei Wochen eine Entscheidung zu treffen.
Währenddessen ging draußen vor dem Gerichtsgebäude die Mahnwache und der Protest für ein sofortiges gesichertes Aufenthaltsrecht für Ali Safianou Touré weiter. Zehn Jahre Duldung, zehn Jahre Verweigerung des Flüchtlingsschutz, zehn Jahre Qual – Genug ist Genug!
Mit Transparenten, Informationstisch, Flugblättern, Trommeln und Lautsprecherdurchsagen wurde die Solidarität ausgedrückt. Ali dankte den KundgebungsteilnehmerInnen und sagte: „Mein Asyl wurde mit Füßen getreten.“ Er sprach über die schweren Bedingungen als Flüchtling und über die Verschlechterung seiner Gesundheit über die vielen Jahre der Unsicherheit und der Beschränkungen und über seine Verbundenheit mit der Gemeinschaft der Flüchtlinge in Deutschland. Er endete mit den Worten: „La lutte continue – Der Kampf geht weiter.“
Darin waren sich alle einig und bekräftigten, dass jetzt die Zeit ist, den Aufenthalt durchzusetzen. „Unser Freund hat lange genug unter dem deutschen Asylsystem gelitten. Er hat viel Geduld geübt. Seine Gesundheit ist unnötigerweise weiter ruiniert worden. Vielleicht haben wir auch zu lange gewartet. Jedenfalls muss dieser Zustand ein schnelles Ende finden. Die Behörden des Landkreises und auch das Bundesamt in Nürnberg werden uns nicht loswerden und werden es akzeptieren müssen.“ Es gibt bereits Planungen zu weiteren Protesten in Parchim, dem Sitz der Ausländerbehörde und in Nürnberg, dem Sitz des „Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge“.
Es wurde auch in Erinnerung gerufen, wie in Mecklenburg-Vorpommern gegen die togoischen Regimeflüchtlinge vor und während der Kampagne gegen die Diktatur in Togo (2004 - 2006) vorgegangen wurde. Alassane Moussbaou, einer der Aktivisten, wurde nachts aus der Krankenstation der JVA Bützow entführt und heimlich abgeschoben. Nach unmittelbarer Bedrohung durch Regime konnte er sich nur durch erneute Flucht retten. Nach zwei Jahren Kampf gegen die Abschiebungen nach Togo sah sich die Landesregierung gezwungen eine befristeten Abschiebestopp zu erklären. Doch bedeutete dies keinen sicheren Aufenthalt, und die Anerkennung der Asylgründe wurden weiterhin ignoriert. Obwohl sich die Lage in Togo und die Macht des alten Regimes nicht verändert hatte, wurden wieder Abschiebungen durchgeführt. Viele Flüchtlinge wurden in die Illegalität gezwungen. Es gab Suizide, manche gerieten in Psychosen.
Ali Safinaou Touré hat nie aufgegeben. Im Netzwerk der KARAWANE und the VOICE Refugee Forum kämpft er gegen das fortgesetzte koloniale Unrecht.
Dazu gehörte auch die Sammlung von Protestbriefen zur Unterstützung der hungerstreikenden Flüchtlinge in Würzburg während der Kundgebung. Die Flüchtlinge aus dem Iran haben vor Monaten mit einem Hungerstreik begonnen, um eben genau jenen zerstörerischen Dauer-Zustand, dem sie als Asylsuchende in Deutschland unterworfen werden. Sie haben sich entschieden, ihren Körper und ihre Gesundheit einzusetzen, um sich der schleichenden psychischen und physischen Vernichtung in dem deutschen Lagersystem zu entziehen. Der Protest begann nach dem Suicid eines iranischen Mitflüchtling im Lager in Würzburg. Nachdem keine Reaktion der Verantwortlichen kam, begannen sie den Hungerstreik. Mittlerweile hat sich die Situation zugespitzt.
Erfolgt bis Mittwoch, den 27. Juni 2012, dem 101. Tag des Protestes in Würzburg,
keine Reaktion, werden Mohammad Hassanzadeh Kalali und Arash Doussthossein beide in
den verschärften Hungerstreik treten und neben dem Essen auch das Trinken einstellen.
Diese Frist an die verantwortlichen ist auch ein Signal an uns, die Unterstützung zu
verstärken und ihrem Protest weiteren Kraft zu verleihen.
Überlegt, welche solidarischen Aktionen den Flüchtlingen den Rücken stärken können
und teilt eure Ideen und Vorschläge uns mit, damit sich Freunde und Freundinnen
anschließen können.
Bitte lest dazu 30. Pressemitteilung vom 22.6.2012: http://gustreik.blogsport.eu
Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen - Hamburg
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