Meine persönliche Reflexion über das Break Isolation - Refugee Summer Camp 2012 in Erfurt
Ich, Moema Petri Romao, gerade 18 Jahre alt geworden, war dieses Jahr dabei. Vier Tage, vom 23. bis zum 27.08., habe ich an den Workshops und Diskussionen auf dem Break Isolation Camp teilgenommen. Dabei habe ich vieles über koloniales Unrecht und imperialistische Unterdrückung dazugelernt. Das nicht, in dem mir irgendjemand einen Vortrag über abstrakte „-ismus“ Begriffe gehalten hat, sondern durch die Stimmen der Flüchtlinge und FlüchtlingsakitvistInnen die ihre Erfahrung mit dem imperialistischen System im Plenum mitteilten.
Wir leben in einer Gesellschaft die aus Klassen besteht. Wir leben einer Gesellschaft die bestimmte Menschen mit Privilegien versieht, mit Macht ausstattet um ein System aufrecht zu erhalten das auf der Unterdrückung von Arbeitern, Migranten, Flüchtlingen, Frauen besteht.
Wir leben in einer Welt, die unterteilt wird in „Erste Welt Länder“ und „Dritte Welt Länder“, reich und arm, logisch aber letztendlich nur zu verstehen, dass die „Erste Welt“ höchstens EIN Viertel und die sogenannte „Dritte Welt“ mindestens DREI Viertel, der Landmasse und - Bevölkerung ausmacht. Wir leben in einer Welt, in der die Europa und die U.S.A. alias die Industrienationen sich in auf den Kontinenten Afrika, Lateinamerika und Asien austoben und alles nehmen und stehlen was sie kriegen können, um sich selbst zu bereichern.
Wealth distribution in 2015, source www.worldmapper.org
Es wird in Schulen gelehrt und Weltgeschichte genannt: Die Kolonialisierung afrikanischer, lateinamerikanischer, arabischer, asiatischer Staaten – durch europäische Mächte. Die Aufteilung der Kontinente und die willkürliche Grenzziehungen – durch europäische Mächte. Das Bringen der „Demokratie“ und „Zivilisation“ in Jahrhunderte währende, funktionierende Systeme und Strukturen verschiedener Völker – durch europäische Mächte. Es ist die Geschichte von Unterdrückung und Diffamierung von Kulturen Völkern. Das, was heute davon übrig ist, ist eine Liste von UN-Weltkulturerben. Aber die waren Erben haben nicht mehr viel davon, denn sie wurden vor Jahrhunderten ihres kulturellen Erbes beraubt und ihre Sprachen in Jahrhunderten des Imperialismus erstickt.
Ich bin Moema. Mein Vater ist Brasilianer und meine Mutter ist Deutsche. Ich kenne meine Wurzeln die tiefer liegen als nur meine Elterngeneration. In mir fließt das Blut von Unterdrückern und von Unterdrückten. Ich bin demnach auch ein Produkt des Imperialismus. Denn meine Wurzeln liegen in Martinique, Französisch Guyana, in Frankreich, in Brasilien, in Deutschland und – in Afrika.
Doch ich weiß nicht woher in Afrika. Das nur, weil meine Vorfahren als Sklaven nach Brasilien kamen und ihnen der Kontakt zu ihrer Heimat und das Ausleben ihrer Kultur durch die portugiesischen Kolonialherren verboten wurde. Somit haben die portugiesischen Kolonialherren mir und meinen Vorfahren die Vergangenheit gestohlen.
Was ist aber mit denen, die erst heutzutage von Afrika nach Europa kommen? Die europäischen Mächte raubten ihnen erst ihre Vergangenheit, dann machten sie ihre Gegenwart durch Kriege, Hungersnöte und Umweltverschmutzungen unerträglich und stehlen ihnen hier in Europa ihre Zukunft, indem sie sie im Meer ertrinken und in Lagern verrotten lassen, sie in den Selbstmord treiben, oder sie jahrelang auf eine Anerkennung warten lassen.
Es ist ein Prozess des Bewusstwerdens dass Imperialismus nie aufgehört hat, auch wenn der Geschichtsunterricht lehrt, dass sie als historisch abstrakte Begriffe der Vergangenheit angehören.
Es ist ein Prozess des Bewusstwerdens, dass diese Strukturen existieren und auf eine lange Geschichte zurückblicken, die die Denkweise unserer Vorfahren und damit auch die unsere, geformt hat.
Es ist ein Prozess des Bewusstwerdens, dass wir nicht warten dürfen unsere Menschenrechte zu leben, nur weil sie uns von „Oben“ versprochen wurden – Nicht umsonst heißen sie auch Naturrechte, also jedem Menschen von Natur aus gegeben.
Es ist ein Prozess des Bewusstwerdens, dass die Kriege die wir mit anderen „Nationen“ führen, der Hass und die Grenzen zwischen den Nationalitäten in großen Teilen Folge des Imperialismus sind.
Imperialismus, Kolonialismus und Kapitalismus sind Systeme der Unterdrückung und der Ausbeutung Vieler durch wenige Einzelne – deshalb funktioniert der Kampf gegen diese Strukturen nur in der Solidarität miteinander und das Begreifen der tiefschürfenden Verzahnungen der eigenen Erfahrungen mit denen Anderer.
Ich weiß, ich kratze nur an der Oberfläche. Aber doch habe ich begriffen, wie viel darunter steckt. Die Masse ist zäh und das Durchdringen zerrt an der Kraft. Aber ich bin durstig und sehe den Durst in den Augen. Nach Bewegung. Nach Veränderung. Nach Zukunft. So zäh die Masse auch sein mag, der Kampf der „KARAWANE für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen“ und „THE VOICE Refugee Forum“ hat bereits in jahrelangem Kampf einen Weg dadurch eingeschlagen. Und zum Schluss werden die vielen Hände der Freundinnen und Freunde die Kraft haben die Wände der Isolation einzureißen.
Solidarität! Karawane!
Hier ein Gedicht das meinen Eindruck von europäischen Grenzen, Asylrecht und unserem Kampf, ausdrückt.
DENN
Auf dem Meer
Versunken in Trümmern
Im Recht
Kein Mensch
Lass das Wasser fließen
Durst
Zu löschen
Feuer zu fangen
Rühme dich selbst
Müdigkeit ist menschlich
Arbeit ist hart
Versinke im Meer
Auf den Trümmern
Fließt das Wasser
Menschen trinken
Durst bleibt
Denn im Recht
Kein Mensch
29.08.2012, Moema Petri Romão