- Cornelius Yufanyi
- TAZ:Haft aus Protest gegen Asylrecht vom 29.10.2005
- TAZ:Deutsche Apartheid vom 28.10.2005,
- JW:Flüchtling will Freispruch erreichen,02.11.2005
- ND:Knast wegen Bewegungsfreiheit, Neuen Deutschland vom 8.11. zum
Verletzung der Residenzpflicht führt zu divergierenden Justizreaktionen
BERLIN taz Das Mitglied der Flüchtlingsorganisationen "The Voice", "Kein Mensch ist illegal" und "Karawane für die Rechte von Flüchtlingen", Cornelius Yufanyi,wird eine Haftstrafe antreten, weil er gegen die Residenzpflicht verstoßen hat.
Die Residenzpflicht besagt, dass Asylbewerber in Deutschland den Kreis nicht ohne Genehmigung verlassen dürfen, in dem sie untergebracht sind.
Yufanyi hatte 2000 bei den Behörden des Thüringer Eichsfeldkreises beantragt, einen Kongress gegen Ausgrenzung von Flüchtlingen in Jena besuchen zu dürfen. Die Behörden lehnten ab: Eine politische Veranstaltung sei kein Grund für eine Erlaubnis.
Der Kameruner fuhr trotzdem und machte sich strafbar. Das Amtsgericht Worbis bot ihm die Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldbuße an. Er lehnte ab: "Ich werde für mein Recht auf Bewegungsfreiheit nicht zahlen und bin bereit, dafür ins Gefängnis zu gehen." Das Gericht verurteilte ihn zu 150 Euro Strafe. Der Kameruner zahlte nicht und wartet nun auf die Inhaftierung. MAI
taz Nr. 7806 vom 29.10.2005, Seite 11, 35 Zeilen (TAZ-Bericht), MAI
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Deutsche Apartheid
Ein Asylbewerber verreiste ohne Amtserlaubnis. Jetzt wird ihm eine Tat zur Last gelegt, die Deutsche gar nicht begehen können: Verstoß gegen die Residenzpflicht. Kritik von Flüchtlingsverbänden von Reimar Paul
Er solle seine finanziellen Verhältnisse offen legen oder es drohe ein Haftbefehl - zur Klärung dieser Frage wurde Cornelius Yufanyi gestern ins Göttinger Amtsgericht bestellt. Dem aus Kamerun stammenden Mann wird eine Tat zur Last gelegt, die Deutsche gar nicht begehen können. Als Asylbewerber reiste Yufanyi ohne behördliche Erlaubnis in eine andere Stadt und verstieß damit gegen die so genannte Residenzpflicht.
Die Residenzpflicht ist im Asylverfahrensgesetz festgeschrieben. Die Regelung besagt, dass Flüchtlinge während ihres Asylverfahrens den Bereich der für sie zuständigen Ausländerbehörde, in der Regel also eine Gemeinde oder Landkreis, nicht ohne schriftliche Bewilligung verlassen dürfen.
Vor fünf Jahren lebte Cornelius Yufanyi in einem abgelegenen Flüchtlingswohnheim im thüringischen Landkreis Eichsfeld. Weil er sich an der Organisation eines internationalen Flüchtlingskongresses in Jena beteiligen wollte, beantragte er beim Ausländeramt Reise-Genehmigungen. Die wurden ihm verweigert. Yufanyi habe sein "Kontingent" für den Besuch politischer Veranstaltungen bereits ausgeschöpft, hieß es. Der Afrikaner fuhr dennoch nach Jena - ohne Genehmigung. Ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde entdeckte kurz darauf ein Interview mit Yufanyi in einer Zeitung und zeigte ihn an.
Daraufhin schickte die Polizei Yufanyi einen Strafbefehl. Dagegen legte der Flüchtling Widerspruch ein, es kam zum Prozess. Das Angebot des Amtsgerichtes Worbis, das Verfahren bei Anerkennung einer geringen Schuld einzustellen, wies Yufanyi zurück. "Ich will einen Freispruch erreichen und werde keine noch so geringe Strafe akzeptieren", sagte er damals. In einer weiteren Gerichtsverhandlung wurde Yufanyi zu einer Geldstrafe verurteilt.
Bewegungsfreiheit und Bestimmung des Aufenthaltsortes seien elementare Rechte, argumentiert der Afrikaner, der 1998 nach Deutschland floh, inzwischen in Göttingen Forstwissenschaft studiert, geheiratet und Kinder hat. Yufani verweist auch auf die koloniale Tradition, in der die Residenzpflicht steht.
Schon in ihren Kolonien hätten die Deutschen versucht, die Bewegungsfreiheit der Kolonisierten zu unterbinden. Damals gab es dafür ein "Eingeborenenregister" und eine Blechmarke als Passersatz. Da jede Marke nur in einem Bezirk gültig war, konnten die Besatzer jederzeit feststellen, ob Afrikaner unerlaubt ihren Distrikt verlassen hatten. Eine der früheren deutschen Kolonien war Kamerun, das Herkunftsland von Cornelius Yufanyi.
Zahlreiche Organisationen teilen Yufanyis Ansicht und unterstützen ihn.
"Die Residenzpflicht ist ein Apartheidsgesetz", erklärt der Niedersächsische Flüchtlingsrat. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie nennt die Regelung ein "diskriminierendes Sondergesetz gegen Asylsuchende". Sie sei "in besonderer Weise dazu geeignet, die politische Brandrede vom kriminellen Ausländer zu bestätigen". Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat schon mehrfach an deutsche Behörden und Gerichte appelliert, die Residenzpflicht zu überprüfen. Der Paragraph sei mit internationalem Recht, insbesondere der Genfer Flüchtlingskonvention, nicht zu vereinbaren.
Wenn er die Geldstrafe von rund 320 Euro bezahlt, kann Cornelius Yufanyi die drohende Inhaftierung immer noch abwenden. Aber das will er nicht, den Termin beim Amtsgericht sagte er gestern Nachmittag nach Absprache mit seinem Anwalt ab: "Ich werde für mein Recht auf Bewegungsfreiheit nicht bezahlen und bin bereit, dafür auch ins Gefängnis zu gehen".
taz Nord Nr. 7805 vom 28.10.2005, Seite 24, 133 Zeilen (TAZ-Bericht), Reimar
Paul
02.11.2005 Inland Reimar Paul
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Flüchtling will Freispruch erreichen
Göttingen: Kameruner geht lieber ins Gefängnis, als die Residenzpflicht zu akzeptieren. Einschränkung der Bewegungsfreiheit mit Zuständen in deutschen Kolonien verglichen. Solidarität mit Asylbewerber
Offenlegung seiner finanziellen Verhältnisse oder Haftbefehl – vor dieser Alternative stand Cornelius Yufanyi, der am vergangenen Freitag vor dem Göttinger Amtsgericht erscheinen sollte. Dem aus Kamerun stammenden Mann wird eine Tat zur Last gelegt, die Deutsche gar nicht begehen können. Als Asylbewerber reiste er ohne behördliche Erlaubnis in eine andere Stadt und verstieß damit gegen die sogenannte Residenzpflicht. Diese Regelung verbietet Flüchtlingen, während ihres Asylverfahrens den Bereich der zuständigen Ausländerbehörde, in der Regel ist das eine Gemeinde oder ein Landkreis, ohne schriftliche Bewilligung zu verlassen.
Vor fünf Jahren lebte Yufanyi in einem abgelegenen Flüchtlingswohnheim im thüringischen Landkreis Eichsfeld. Weil er sich an der Organisation eines internationalen Flüchtlingskongresses in Jena beteiligen wollte, beantragte er beim Ausländeramt Reisegenehmigungen. Die wurden ihm verweigert, weil er sein »Kontingent« für den Besuch politischer Veranstaltungen bereits ausgeschöpft habe. Yufanyi fuhr daher ohne Genehmigung nach Jena. Ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde entdeckte kurz darauf ein Interview mit ihm in einer Zeitung und zeigte ihn an.
Yufanyi bekam einen Strafbefehl, gegen den er Widerspruch einlegte, und es kam zum Prozeß. Das Amtsgericht Worbis bot an, das Verfahren bei Anerkennung einer geringen Schuld einzustellen. Der Afrikaner lehnte ab: »Ich will einen Freispruch erreichen und werde keine noch so geringe Strafe akzeptieren«, begründete er. In einer weiteren Gerichtsverhandlung wurde er dann zu einer Geldstrafe von 320 Euro verurteilt.
Bewegungsfreiheit und Bestimmung des Aufenthaltsortes seien elementare Rechte, argumentiert Yufanyi. Schon in ihren Kolonien hätten die Deutschen versucht, die Kolonisierten zu kontrollieren und ihre Bewegungsfreiheit zu unterbinden. Damals habe es dafür ein »Eingeborenenregister« und eine Blechmarke als Paßersatz gegeben. Da jede Marke nur in einem Bezirk gültig war, konnten die Kolonialbehörden jederzeit feststellen, ob Afrikaner unerlaubt ihren Distrikt verlassen hatten. Eine der früheren deutschen Kolonien war Kamerun, das Herkunftsland von Cornelius Yufanyi, der 1998 nach Deutschland flüchtete.
Zahlreiche Organisationen teilen Yufanyis Ansicht und unterstützen ihn. »Die Residenzpflicht ist ein Apartheidsgesetz«, erklärt der Niedersächsische Flüchtlingsrat. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie nennt die Regelung ein »diskriminierendes Sondergesetz gegen Asylsuchende«. Sie sei »in besonderer Weise dazu geeignet, die politische Brandrede vom kriminellen Ausländer zu bestätigen«. Auch das Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat schon mehrfach an deutsche Behörden und Gerichte appelliert, die Residenzpflicht zu überprüfen. Der Paragraph sei mit internationalem Recht nicht zu vereinbaren.
Wenn Yufanyi die verhängte Geldstrafe bezahlt, kann er die drohende Inhaftierung immer noch abwenden. Aber das will er nicht. Den Termin beim Amtsgericht am Freitag sagte er nach Absprache mit seinem Anwalt ab: »Ich werde für mein Recht auf Bewegungsfreiheit nicht bezahlen und bin bereit, ins Gefängnis zu gehen.«
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Artikel in de Printausgabe des Neuen Deutschland vom 8.11. zum
Residenzpflichtprozess in Halberstadt
Knast wegen Bewegungsfreiheit
Verletzung der Residenzpflicht führt zu divergierenden Justizreaktionen
Während ein Flüchtling in Halberstadt trotz Verletzung der Residenzpflicht
freigesprochen wurde, wurde gegen einen Afrikaner in Göttingen aus diesem
Grunde Haftbefehl erlassen.
Am Montag ist Staatsanwaltschaft in Halberstadt mit dem Versuch gescheitert,
die Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen noch weiter einzuschränken und das
sogenannte Residenzpflichtgesetz noch rigider auszulegen. Es verbietet
Flüchtlingen im Asylverfahren das Verlassen des Landkreises, in dem sich die
zuständige Ausländerbehörde befindet. Am Montag hatte sich nun das
Amtsgericht Halberstadt mit dem Fall eines afrikanischen Flüchtlings
befassen, der den Landkreis noch gar nicht verlassen hatte. Der im
Halberstädter Ausreisezentrum lebende Mann aus Afrika wurde von einer
Beamtin der Ausländerbehörde beim Besteigen eines Zuges im Bahnhof
Halberstadt gesehen. Er wurde festgenommen und hat so den ihm zugewiesenen
Landkreis nicht verlassen. Die Staatsanwaltschaft sah allerdings schon im
Betreten des Zuges den Versuch, eine strafbare Handlung zu begehen und
verhängte eine Geldstrafe. Zumal der Angeklagte die
Residenzpflichtbestimmungen schon einmal nachweißlich missachtete, als er
von Halberstadt ins nahe Aschersleben fuhr. Das Amtsgericht mochte der
Anklage nicht folgen und stellte beide Verfahren wegen Geringfügigkeit ein.
Man hätte in dem Fall noch weitere Polizeizeugen laden müssen, was aber der
Sache nicht angemessen wäre, lautete die Begründung Rechtsanwalt
Christoph Kunz, der den Flüchtling juristisch vertreten hat, sah gegenüber
ND in dem Urteil einen große Erfolg, weil selbst die eindeutige Verletzung
der Residenzpflicht nicht geahndet wurde.
Dem Aufruf einer örtlichen antirassistischen Initiative, den Prozess gegen
den Flüchtling zu beobachten, waren ca. 15 Menschen gefolgt. Ihr Anliegen
ist es, über das konkrete Verfahren hinaus, die Residenzpflicht für
Flüchtlinge insgesamt zu thematisieren. „Schließlich handelt es sich dabei
um eine europaweit einmalige Beschneidung der Bewegungsfreiheit für eine
ganze Gruppe von Menschen“, meinte Matthias Kramer von der antirassistischen
Initiative.
Dass Verfahren wegen Residenzpflichtverletzungen eingestellt werden, ist
auch längst nicht juristischer Brauch in Deutschland. So wurde gegen
Cornelius Yufanyi Ende Oktober ein Haftbefehl ausgestellt. Der Aktivist der
Flüchtlingsorganisation "The Voice" und Forstwissenschaftsstudent in
Göttingen hat sich beharrlich geweigert, eine Geldstrafe wegen mehrerer
Residenzpflichtverletzungen zu zahlen. Jetzt soll er ersatzweise für 15
Tage ins Gefängnis Yufanyi, der seit Jahren für die Abschaffung der
Residenzpflichtbestimmungen in Deutschland kämpft, bleibt unbeirrt. Ich
werde für mein Recht auf Bewegungsfreiheit nicht bezahlen und bin bereit
dafür auch ins Gefängnis zu gehen“, schreibt er in einer Presseerklärung.
Peter Nowak