On the Move! “Break Isolation Strike”
Refugee Demonstration and liberation Bus Tour 2013
Break Isolation! – Flüchtlinge fordern Schließung des Containerlagers in Oberursel und Wohnungen für alle
http://www.linksnavigator.de/node/3313
Seit letztem Jahr befinden wir uns in einem neuen Zyklus selbstorganisierter Flüchtlingsproteste: Protestcamps und Besetzungen in Amsterdam, Berlin und Wien. Mindestens wöchentlich Revolten und Hungerstreiks in den griechischen Flüchtlingsknästen. Selbst in Ungarn gehen seit Ende letzten Jahres Flüchtlinge auf die Straße. Auch quer durch Deutschland in vielen Lagern der Republik begehren Flüchtlinge auf: gegen Entrechtung und Isolation und vor allem für ein Leben in Würde.
„We are at a crucial turning point to make refugee isolation lager HISTORY in Germany.“
Mehrere tausend Menschen, überwiegend Flüchtlinge und MigrantInnen, demonstrierten am 23. März 2013 in Berlin gegen menschenunwürdige Lebensbedingungen, gegen Lager, Abschiebungen und gegen alltäglichen Rassismus in Deutschland. Bereits bei der Anreise kamen einige Demonstranten in Polizeikontrollen und müssen jetzt mit Verfahren wegen Verstoßes gegen die “Residenzpflicht” rechnen, also dem rassistischen Gesetz, für dessen Abschaffung sie kämpfen. Die “Refugees‘ Revolution Demo” war der Abschluss einer weiteren Bustour durch verschiedene Flüchtlingslager der Republik und die selbstorganisierten Proteste und Aktionen gehen nun – u.a. mit der „Break-Isolation-Tour“ von The Voice jetzt im April – weiter. Doch nicht nur in Deutschland: am 23. März waren auch in Amsterdam und in Bologna mehrere tausend MigrantInnen und UnterstützerInnen auf der Straße, um für ihre Rechte zu demonstrieren. Diese gleichzeitigen Mobilisierungen und Bewegungen quer durch Europa und darüber hinaus sind eines der Themen in der neuen Ausgabe des mehrsprachigen Newsletters „Crossing Border“, dessen deutsche Version unter http://www.noborder.org/crossing_borders/newsletter11de.pdf zu finden ist. Im Juni wird ein seit langem vorbereitetes internationales Tribunal der Flüchtlingsselbstorganisationen stattfinden.
Auch in Oberursel ist viel los: im März gab es innerhalb einer Woche gleich zweimal unangekündigten Besuch im dortigen Containerlager, dass momentan mit über 200 Personen wieder hoffnungslos überbelegt ist. Zuerst die „Refugees“, ein eindrucksvolles Musikprojekt mit Flüchtlingen die verschiedene Musikstile mit sehr viel Power zusammenbringen und gemeinsam eine Riesentour machen, in der sie auch immer wieder verschiedene Lager besuchen und mit der Musik die Isolation durchbrechen wollen. Wenige Tage später besuchte die bereits erwähnte Refugee Revolution Tour das Lager und wenn ihr diese Zeitung lest werden auch die Break Isolation Aktivisten zur Vorbereitung des Flüchtlingstribunals in Berlin bereits dagewesen sein. Zur Freude vieler Flüchtlinge verkroch sich der Lagerleiter Pohl bereits beim zweiten Besuch resigniert in seinem Container… Aus dem Aktionsbündnis gegen Abschiebung Rhein-Main besucht eine Gruppe das Lager nun schon seit zwei Jahren. Die erhoffte Lagerschließung haben wir bislang gemeinsam nicht erreichen können und hoffen umso mehr auf den neuen Schwung der selbstorganisierten Proteste. Der Hochtaunuskreis, einer der reichsten bundesdeutschen Landkreise ist in Sachen sozialer Wohnungsbau eine absolute Niete, sicherlich nicht zufällig: Armut soll hier keinen Platz haben. Daher haben wir in den letzten Monaten bewusst den Schulterschluss mit anderen sozialen Initiativen im Hochtaunuskreis gesucht.
Wohnen ist ein Menschenrecht – auch für Flüchtlinge und MigrantInnen!
„Ich bin seit 11 Jahren hier und komme aus Pakistan. Ich arbeite Vollzeit in der Gastronomie und erhalte dafür € 1.000,- netto. Eine Wohnung, die ich von diesem Einkommen bezahlen könnte, finde ich nicht. Außerdem schrecken die Vermieter zurück, wenn sie sehen, dass ich immer nur für drei Monate eine Duldung bekomme“
Bereits Ende Februar kam es in der Stadthalle Oberursel zu einer in der Zusammensetzung ungewöhnlichen Veranstaltung. Unter dem Motto „Wohnen ist ein Menschenrecht – auch für Flüchtlinge und MigrantInnen! Versäumnisse im sozialen Wohnungsbau im Hochtaunuskreis“ diskutierten 60 Menschen, darunter mehr als ein Drittel Flüchtlinge aus dem örtlichen Containerlager. Beteiligt waren neben dem Aktionsbündnis gegen Abschiebung und dem Arbeitskreis Asyl aus Friedrichsdorf auch die lokale Erwerbsloseninitiative und Vertreter der Familienhilfe. Aus dem Kreistag waren nur einzelne VertreterInnen von SPD und der LINKEN erschienen, die die Forderung nach einer schnellen Lagerschließung sowieso unterstützen. Die Verantwortlichen aus Kreispolitik und -verwaltung waren lieber nicht gekommen. Herr Uwe Kraft, der das Containerlager zu verantworten hat, hatte sich in seiner schriftlichen Absage darauf zurück gezogen, dass die Flüchtlingszahlen gestiegen seien und es daher keine anderen Unterbringungsmöglichkeiten gäbe. Ein Hohn da die miserablen Bedingungen im Lager im Containerlager bereits seit 20 Jahren immer wieder von den verschiedenen Gruppen thematisiert werden, seit zwei Jahren geschieht dies verstärkt durch das Aktionsbündnis gegen Abschiebung Rhein-Main und vor allem durch die Flüchtlinge selbst.
Der Bericht eines Flüchtlings, der über ein Jahr in den Containern gewohnt hatte, machte eindringlich deutlich, wie belastend und entwürdigend vor allem der Verlust der Privatsphäre ist: „Es ist mir wichtig, zu sagen, dass es die Leute krank macht, dort zu leben und dass es ein Gefühl vermittelt, als sei man auf den Müll geworfen worden. Es tut mir leid, aber genau so fühlt es sich an“ Es begann daraufhin eine lebhaften und kontroverse Diskussion in der klar wurde, dass im Hochtaunuskreis in den letzten 20 Jahren fast keine neuen öffentlich geförderten Wohnungen entstanden sind, gleichzeitig aber viele bestehende aus der Sozialbindung herausgefallen. Für Bad Homburg gibt es Neubau-Pläne, Oberursel sieht sich aufgrund der angespannten Haushaltslage im Moment nicht in der Lage, neue Bauprojekte mit öffentlich geförderten Wohnungen auf den Weg zu bringen. Stattdessen wird nun wieder mal nach Notlösungen gesucht: in der Diskussion ist die Errichtung von Holzhütten auf dem Gelände des Containerlagers.
Beispiele dass andere Unterbringungskonzepte machbar sind und immer mehr Städte und Landkreise sich von der Sammelunterbringung abwenden und Flüchtlingen dezentralen Wohnraum zur Verfügung stellen, verbunden mit Sprachförderung und Beratung gibt es genug. Sie sind wie viele andere kleine Zugeständnisse der vergangenen Monate (Lockerung der Residenzpflicht, Änderungen im Asylbewerberleistungsgesetz) kein Geschenk der Herrschenden: sie sind das Ergebnis jahrelanger selbstorganisierter Kämpfe gegen die Lager und rassistischen Sondergesetze.
Willkommen sagen und zusammen kämpfen
„Ich bin seit zwei Jahren hier und komme aus Afghanistan. Ich bin im Netzwerk „Welcome to Europe“ aktiv. Willkommen ist das wichtigste, was wir brauchen; mein großes Glück war, dass ich auf Menschen getroffen bin, die mich willkommen geheißen und in der ersten Zeit unterstützt haben. Das brauchen alle, die nach langer Flucht hierher kommen und das können alle hier Anwesenden tun – nicht nur die Aktiven.“
Der gemeinsame Kampf in Oberursel beginnt bei jedem Treffen auf’s Neue und ist ein zartes Pflänzchen. Jedes Mal sind neue da, andere sind wieder weg, durften endlich ausziehen und manchmal wird erzählt, dass wieder jemand abgeholt wurde. Bei manchen gewinnt kurzzeitig die Depression, ein anderer findet endlich Arbeit… Es ist höchst erfreulich, dass sich auch die linksradikale Szene mit den zunehmenden Protesten mehr für Antirassismus interessiert. Die sozialen Kämpfe und die Selbstorganisierungsprozesse für die es einen langen Atem braucht sind die Basis. Wir haben die Hoffnung, dass sich das Interesse auch in einer zunehmenden Bereitschaft ausdrückt, sich auf gemeinsame Kämpfe einzulassen. Wir möchten die unzähligen Gespräche und kleinen Erfolge der letzten zwei Jahre nicht unerwähnt lassen, in denen wir unglaublich viel auch über Kämpfe in anderen Regionen dieser Welt gelernt haben. Wir verändern uns in diesem Prozess. „Break isolation“ ist ein Tanz zu einem höchst wechselhaften Beat – er setzt voraus, dass alle Beteiligten beginnen, sich zu bewegen.
13. bis 16. Juni 2013 in Berlin: Internationales Tribunal der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen gegen die Bundesrepublik Deutschland