Am Eingang zum Verwaltungsgericht Gera werden gestern Besucher vor der Verhandlung "Blind Banga" gegen das Landratsamt des Wartburgkreises von Justizbeamten durchsucht. Foto: Angelika Munteanu Am Eingang zum Verwaltungsgericht Gera werden gestern Besucher vor der Verhandlung "Blind Banga" gegen das Landratsamt des Wartburgkreises von Justizbeamten durchsucht. Foto: Angelika Munteanu
Warum "Blind Banga" seine Klage an Geraer Gericht zurückzieht
Gera. Die kleine Demonstration mit Unterstützern aus Berlin und Gera für "Blind Banga" vor dem Geraer Justizzentrum und die Personenkontrollen am Eingang zum Gerichtsgebäude dauerten gestern weit länger als die Verhandlung im Saal des Verwaltungsgerichts Gera. Das Resultat nach einer halben Stunde Prozesszeit, die mit Verspätung begann, weil die Vertreter des Wartburgkreises im Stau auf der Autobahn 4 standen: Der Asylbewerber Bamkali Konateh aus Sierra Leone, genannt "Blind Banga", hat seine Klage gegen das Landratsamt im Wartburgkreis zurückgezogen.
Ziel der Klage war: Das Gericht sollte die Wohnsitzauflage für Thüringen streichen. Denn der fast erblindete Konateh will nach Berlin und dafür setzt sich seine Berliner Unterstützergruppe ein.
Martin Zündel, der Vizepräsident des Verwaltungsgerichts hatte geduldig auf die zu spät gekommenen Amtsleiter aus dem Wartburgkreis gewartet. Väterlich-geduldig war der Richter gegenüber der Klägerpartei. Konateh hatte einen vereidigten Dolmetscher dabei. Der Anwalt, der ihn vertreten sollte und der noch auf der Anschlagstafel vor der Saaltür stand, hatte den Fall hingeworfen. Vertreten wurde der 29-jährige Englisch sprechende dunkelhäutige Asylbewerber von Lena Müller aus seinem Berliner Unterstützerkreis, die sich zum Fall versucht hatte rechtskundig zu machen.
Berlin muss dem Wohnsitz zustimmen
Im Jahr 2000 war Konateh nach Deutschland eingereist. Sein Antrag als Asylbewerber sei vom Bundesamt als offensichtlich begründet abgelehnt worden, trug Verwaltungsrichter Zündel zur Sache vor. Im Jahr 2004 wurde der Asylbewerber ausgewiesen. Im gleichen Jahr wurde er auf einem Auge blind, später erblindete der an Diabetes Erkrankte fast völlig.
Was vor Gericht gestern nichts zur Sache tat: Ursprung seiner Erblindung war eine Polizeiattacke mit Pfefferspray. Trotz Wohnsitzauflage für Thüringen soll der bereits ausgewiesene Konateh nach Düsseldorf gefahren und dort von Beamten aufgegriffen worden sein. Auch den Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz und eine neunmonatige Haftstrafe streifte Richter Zündel nur. Für ihn entscheidend: Aufgrund der Erblindung wurde Konateh nicht abgeschoben. Berlin, wo er sich zwischenzeitlich aufhält, hatte einen Wohnsitz für den Asylbewerber jedoch abgelehnt.
"Dreh- und Angelpunkt ist Berlin, nicht Thüringen", stellte Zündel klar. Die Wohnsitzauflage für Thüringen könne laut Verordnung nicht aufgehoben werden, solange Berlin dem Wohnsitz nicht zustimmt. "Sie müssen ihren Wohnsitz beim Ordnungsamt in Berlin beantragen. Wenn er abgelehnt wird, müssen sie in Widerspruch gehen. Wird der abgelehnt, müssen sie klagen", sagte der Richter. Und er wies noch darauf hin: Solange Widerspruchs- und Klageverfahren laufen, hätten sie aufschiebende Wirkung. Das heißt: Solange könne er sich in Berlin berechtigt aufhalten. Und erst wenn Berlin dem Aufenthalt zustimmt, könne die Wohnsitzpflicht für Thüringen aufgehoben werden. "Und nehmen Sie sich einen guten Fachanwalt für Verwaltungsrecht", gab der dem Mann aus Sierra Leone mit auf den Weg. Den Streitwert für die Verhandlung mit der zurückgezogenen Klage setzte er von 5000 Euro auf das Mindestmaß 1000 Euro herunter. "So werden die Gerichtskosten hier für Sie nicht so hoch."
Angelika Munteanu / 30.08.13 / OTZ
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