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GBA macht Entscheidung zur Aufnahme von Ermittlungen von BGH-Revision abhängig –
Obwohl das Magdeburger Verfahren keine Relevanz zur Strafanzeige gegen unbekannte Polizisten hat
Oberstaatsanwalt beim BGH Dr. Matthias Krauß hat sich laut Briefkopf bereits am 5. März 2014 zur Gegenvorstellung von Thomas Ndindah vom 24. Januar 2014 geäußert. Der Postweg war ein beschwerlich langer, da der Brief erst am 18. März 2014 in Jena eintraf.
Dr. Krauß fasst meine 6-seitige Gegenvorstellung (http://initiativeouryjalloh.files.wordpress.com/2014/02/ werter-herr-dr-krauss.pdf) zu seinen 4-seitigen Ausführungen (http://initiativeouryjalloh.files.wordpress.com/ 2014/02/generalbundesanwaltschaft-antwortschreiben-zu-strafanzeige-11-11-2013.pdf) zur Anzeige der der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh lapidar in einem Satz zusammen:
„Wie Sie zutreffend ausführen, wird der Bundesgerichtshof die Beweiswürdigung des Urteils des Landgerichts Magdeburg vom 13. Dezember 2012 auf Rechtsfehler überprüfen.“
Im zweiten und letzten Satz seiner Antwort macht er eine eventuell doch noch mögliche Zuständigkeit seiner Behörde vom Vorliegen des schriftlichen Revisionsurteils des BGH abhängig:
„Nach Vorlage des schriftlichen Revisionsurteils werde ich selbstverständlich prüfen, ob sich daraus im Hinblick auf Ihre Strafanzeige Hinweise auf das Vorliegen einer in die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts fallenden Straftat ergeben.“
Abgesehen von der an inhaltliche Leere grenzenden Substanz dieses Schriftstückes, vermeidet es Dr. Krauß unausdrücklich die eigentlich fällige Zuordnung meiner Gegenvorstellung zum Aktenzeichen der Strafanzeige anzuzeigen bzw. mitzuteilen.
Insbesondere der erste Satz lässt eine inhaltlich nachvollziehbare Auseinandersetzung mit der Argumentation der Gegenvorstellung nicht erkennen. So erschließt sich der logische Zusammenhang zwischen dem Magdeburger Urteil gegen Herrn Andreas Schubert, welcher lediglich wegen unterlassener Fürsorgepflicht und Hilfeleistung verurteilt wurde und der geforderten Ermittlung gegen unbekannte Polizeibeamte, die das Feuer in Zelle Nr. 5 gelegt haben müssten, erneut nicht. Gemessen an den bekannten Fakten zur Anklage des Herrn Schubert kann dieser kein unmittelbarer Täter im Sinne unserer Strafanzeige sein. Insofern besteht weiterhin der Verdacht, dass das gewählte Konstrukt des Dr. Krauß einer eigenständigen Verantwortung seiner Behörde lediglich ausweichen will.
Die 1. Große Schwurgerichtskammer zu Magdeburg hat objektivierende Beweisanträge der Nebenklage zur Klärung von Brandentstehung, -verlauf und -ergebnis (ergebnisoffenes Brandgutachten ohne Zugrundelegung der „Selbstentzündungshypothese“!) im gesamten Ablauf der gerichtlichen Beweisaufnahme wiederholt abgelehnt. Die Begründung lautete stets, dass es darum in diesem Prozess gegen Herrn Schubert schon laut Anklageschrift gar nicht gehen könne.
Die sogenannte „richterliche Überzeugung“ der Magdeburger Kammer besteht in allen für die zuletzt erfolgte Strafanzeige wesentlichen Aspekten aus unbewiesenen Hypothesen:
1. Oury Jalloh habe das Feuer selbst entzündet
2. dritte Personen waren an der Brandlegung nicht beteiligt
3. Brandbeschleuniger wurden nicht verwendet
Zu 1. gehen die Magdeburger Richter sogar soweit, dass sie unterstellen, wissen zu können, warum er dies getan haben soll: „…um auf sich aufmerksam zu machen.“ Die Hypothese selbst ist schlicht von der Staatsanwaltschaft in Dessau-Roßlau übernommen. Hypothetische Voraussetzungen hierfür werden notwendig gleich mit vermutet:
- das Feuerzeug wurde entweder übersehen oder auf dem Weg in die Zelle gestohlen
- die Matratzenhülle müsste vorbeschädigt gewesen sein (enges Zeitfenster)
- feuerfeste Matratzen neigen zu Vollbrand nach lokaler Entzündung
- am geschmolzenen Feuerzeug gefundene Polyesterreste, die nicht zum Tatort gehören sowie das vollständige Fehlen tatortbezogener Kunststoffreste der Matratze (PVC, PU-Schaum) stehen der Hypothese angeblich nicht entgegen
Zu 2. wird gemutmaßt, dass:
- die Entdeckungsgefahr im Gewahrsamstrakt bei (unaufgezeichneter!) Videoüberwachung und frequentem Personaldurchgang (z.B. wegen Kontrollgängen) zu hoch gewesen sei
- es unwahrscheinlich sei, dass Kollegen der Täter keine Angaben zu solcherlei Beobachtungen machen würden
- sowieso 1. dagegen spricht
Zu 3. wird sich auf eine inadäquate, voreingenommene (s. 1. und „Tatortvideo“ des LKA!) und eher vertuschende Tatortuntersuchung bezogen:
- kein Brandsachverständiger/Brandspürhund am Tatort
- nur teilweise Sicherung des Brandschuttes der Matratze in nicht eindeutig versiegelten Tüten
- keine Sicherung von Rußspuren von den Zellenwänden
- Untersuchung der Brandschuttreste auf (flüchtige!) Reste von Brandbeschleunigern erst 3 Tage später
- sowieso 1. dagegen spricht
Neben dem Brandexperten der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh weist auch einschlägige Fachliteratur auf den problematischen Nachweis von Brandbeschleunigern und insbesondere auf die Notwendigkeit sorgfältiger und zeitnaher Untersuchungen am Tatort hin: „Brandstiftungen werden häufig unter Verwendung von Brandbeschleunigern begangen. In der Regel wird der Nachweis eines Brandbeschleunigers durch eine gaschromatografische Untersuchung bei den Landeskriminalämtern geführt. Bedingung für einen positiven Nachweis ist eine, wenn auch geringe, Restmenge unverbrannten Brandbeschleunigers. Dazu stellt der Sachbearbeiter vor Ort stichprobenartig Brandschutt sicher und leitet diese Proben dem Landeskriminalamt zu. Das Problem am Brandort ist das Auffinden von Resten von verwendetem Brandbeschleuniger.“ (aus Praxishandbuch Brandschutz, Auflage 2008 http://www.arbeitssicherheit.de/de/html/library/document/ 4989785)
Oberstaatsanwalt beim BGH Dr. Matthias Krauß kann in der Magdeburger Urteilbegründung aus derartig komplexen Hypothesen keinerlei Rechtsfehler erkennen. Er anerkennt nicht einmal, dass das Magdeburger Verfahren schon durch die faktisch eingeschränkte Anklage gar nicht relevant für die Strafanzeige vom November 2013 sein kann. Er definiert diese Umstände ganz und gar in ihr Gegenteil um, um damit weiterführende Ermittlungsarbeit für angeblich unnütz erklären zu können.
Die Revisionsanträge zum Magdeburger Urteil beziehen sich im Kern auf die Vernachlässigung einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung mit Vernachlässigung einer bereits bekannten Identität und der routinemäßigen Umgehung des Richtervorbehaltes im Polizeirevier Dessau-Roßlau.
Unabhängig von dieser noch ausstehenden, höchstrichterlichen Bewertung des Magdeburger Urteils auf mögliche Rechtsfehler in den prozessrelevanten „richterlichen Überzeugungen“ sind die juristischen Einlassungen der höchsten Verfolgungsbehörde der Republik in meinen Augen ein Skandal, der für sich selbst spricht. Hieran wird auch eine ggf. umfänglichere Würdigung von Rechtsfehlern im Magdeburger Urteil über die Revisionsanträge hinaus nichts mehr ändern können. Von einem Generalbundesanwalt darf eine ausgewogene eigenständige Abwägung juristischer Verdachtsmomente erwartet werden – auch ohne richterliche Interpretationshilfe von dieser oder jener Seite.
OURY JALLOH – DAS WAR MORD!
KEIN VERGEBEN – KEIN VERGESSEN!
TOUCH ONE – TOUCH ALL!
Weitere Informationen unter: https://thevoiceforum.org/node/3495 (Gegenvorstellung von Thomas Ndindah sowie die Reaktion des Dessauer Oberstaatsanwalts Folker Bittmann auf die Ergebnisse des Brandgutachtens nach der Pressekonferenz der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh am 12. November 2013 http://www.youtube.com/watch?v=EZxVtPn6YNw)
Thomas Ndindah Jena, den 25. März 2014