„Doch keine übersichtliche Angelegenheit“
Am Donnerstag, den 3. April 2014 fand ab um 10:30 Uhr am Amtsgericht Jena bereits der zweite Verhandlungstag gegen Thomas Ndindah wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte statt – und eigentlich der erste in der Sache selbst. Der vorsitzende Richter Dr. Gerhard Litterst-Tiganele hatte sich dieses Mal für die 2 Polizeizeugen den ganzen Verhandlungstag freigehalten (also deutlich mehr als die primär am ersten Verhandlungstag kalkulierte Stunde). Die Staatsanwaltschaft wartete dieses Mal mit einem neuen Sitzungsvertreter auf.
Die Ausgangsituation…
…des Verfahrens war die Festnahme eines Menschen (Punker) zur Identitätsfeststellung – aus einer solidarischen Gruppe von ca. 15 weiteren Personen heraus. Da dieser jedoch die selbige Identitätsfeststellung dem Grunde nach ablehnte, eskalierte die Folgesituation im Beschluss der vollziehenden Polizeibeamten zur Festnahme. Zur Realisierung dieser Festnahme wiederum entschieden sich die festnehmenden Beamten dazu, den Widerstand des festzunehmenden Menschen durch Fixierung am Boden vor den Augen der anderen Anwesenden zu brechen, um so eine Immobilisierung mittels Fesselung erreichen zu können…
Die Gerichtsverhandlung…
…startete nach den Formalitäten der Eröffnung mit dem Verlesen einer Erklärung zu Protokoll des Gerichtes seitens des Angeklagten (s. Anhang). Obwohl Richter Litterst-Tiganele bereits den ganzen Verhandlungstag eingeplant hatte, zeigte er sich bereits bei den einleitenden Absätzen meiner Erklärung ungeduldig und wollte meine Ausführungen lediglich auf die („übersichtliche“?) Sache beschränkt wissen.
Als erster Zeuge wurde danach der mich belastende Polizeibeamte POM Ge. gehört. Dieser verstieg sich trotz des anfänglich erfolgten Hinweises auf wahrheitsgemäße Aussagen darauf zu behaupten, ich hätte ihm Verletzungen an seinen Handgelenken zugefügt, welche er schließlich auch pflichtbewusst habe fotografisch dokumentieren lassen. Der Richter hielt ihm daraufhin die entsprechenden Fotos aus der Gerichtsakte gegen den Punker vor – er bestätigte erneut und beflissen, dass es sich um eben diese Verletzungen handele, die ich ihm angeblich zugefügt haben solle.
Auf meine Nachfragen wiederum, ob er sich daran erinnern könne, dass ich ihn angesprochen hätte und er mich daraufhin angeschrien hatte: „Fass mich nicht an!“, wollte er sich an keine Gespräche zwischen mir und ihm erinnern können. Auch weiterführende Nachfragen, ob Duzen denn seine übliche Vorgehensweise im Umgang mit Bürgern sei und wie er zur Beschreibung meiner Person als „Schwarzafrikaner“ komme, scheiterten an seiner offensichtlichen Amnesie. Im Rahmen seiner Zeugenaussage zeigte sich POM Ge. insbesondere gegenüber meinem Rechtsanwalt und mir pampig und aggressiv.
Der zweite Polizeizeuge PK Gu. kam in Dienstuniform und mit Waffe vor das Gericht. Im Gegensatz seinem Kollegen konnte sich dieser an keine gewalttätigen Handlungen meinerseits erinnern und gab stattdessen zu Protokoll, die meiste Zeit mit der Abwehr der aufgebrachten Menge gegen seinen Kollegen beschäftigt gewesen zu sein. Auch auf konkrete Erläuterungen der Aussagen seines Kollegen war er nicht bereit oder in der Lage belastende Tatumstände gegen mich zu benennen. Nach seiner Aussage nahm er im Publikum Platz und verfolgte den weiteren Prozessverlauf offensichtlich interessiert.
Im weiteren Verlauf fragte der Richter dann nach meiner Motivation Aussagen bezüglich meiner Perspektive zum Tatvorwurf zu machen. Ich erläuterte meine Sicht auf die Dinge. Es erschien dem Richter ganz offenbar unverständlich, wie ich mir anmaßen sollte eine gewalttätige Situation als solche einschätzen zu können, obwohl Polizeibeamte darin verwickelt waren: „Sie wussten also überhaupt gar nicht worum es geht und mischen sich da einfach so ein?“ Ich wies darauf hin, dass es mir bei meinem Handeln lediglich um die Vermeidung von Verletzungen gegangen sei – sowohl des Festzunehmenden, als auch der agierenden Polizeibeamten. Der Staatsanwalt hinterfragte dann noch Differenzen von meiner Aussage zu der des zweiten Polizeibeamten (der sich explizit nicht ausführlich erinnert hatte – außer, dass er mit der offensichtlich verärgerten Menge beschäftigt gewesen war) um sich von der Sicherheit meiner Erinnerungen zu überzeugen. Danach betonte Richter Litterst-Tiganele, dass er unbedingt noch Fragen bezüglich meines Verhaltens habe, schloss dann aber unvermittelt die Verhandlung – wahrscheinlich um sich selbst noch einmal detailliert auf seine eigenen Fragen vorbereiten zu können…
Zu klären wird die Frage sein, ob mir oder irgendeinem anderen Menschen ohne Uniform eine Kompetenz bezüglich der Angemessenheit polizeilicher Gewaltanwendungen zugestanden werden darf – oder eben nicht? Ebenfalls interessant dürften wohl auch die abschließenden Wertungen von Richter und Staatsanwaltschaft bezüglich der belastenden Falschaussage eines der Polizisten werden. Wobei – ein Polizist wird sich ja wohl sicher mal wieder konsequenzfrei falsch erinnern dürfen…belastenderweise…als Einziger…oder?
Die Verhandlung wird am 15. April 2014 ab 9:00 Uhr im Sitzungssaal 1 des Amtsgerichtes fortgesetzt werden. Als Zeugen werden ein Ermittlungsbeamter der Polizei, der den Punker anzeigende junge Mann und Katharina König als Zeugin der JG-Stadtmitte geladen sein.
Weiterhin reges öffentliches Interesse und solidarische Anteilnahme freudig erwünscht!
Dienstag 15. April 2014, 09:00 Uhr, Sitzungssaal (Ss) 1 des Justizzentrums Jena
Personelle und apparative Einlasskontrollen am Eingang zum Justizzentrum
Mit angeklagten Grüßen
Thomas Ndindah
Mehr Informationen unter: https://thevoiceforum.org/node/3527
Infovideo by Crosspoint Berlin: http://youtu.be/ifeDvzKTFDo