Im vergangenen Jahr führten Flüchtlinge in München einen trockenen Hungerstreik durch.
Foto: dpa/Peter Kneffel
Im vergangenen Jahr führten Flüchtlinge in München einen trockenen Hungerstreik durch. Foto: dpa/Peter Kneffel
Von Reimar Paul, 14.06.2014,Inland
In Hannover im Hungerstreik
30 Flüchtlinge aus Sudan protestieren mit der Aktion gegen Abschiebung
Obwohl noch Gerichtsverfahren in seinem Asylfall laufen, ließen Behörden in Hildesheim Salah Abdallah nach Italien abschieben.
Flüchtlinge aus Sudan, die seit Ende Mai in Hannover mit einem Camp in der Nähe des Hauptbahnhofs gegen die deutsche Asylpolitik demonstrieren, haben ihre Proteste verstärkt. 25 Männer sind in der Nacht zu Donnerstag in einen Hungerstreik getreten, vier weitere schlossen sich ihnen später an. Anlass war die Abschiebung eines Landmannes nach Italien. Salah Abdallah wurde nach Angaben von Unterstützern am Donnerstagmittag zusammen mit anderen Flüchtlingen nach Rom geflogen, zuvor saß der 32-Jährige bereits zwei Wochen in Abschiebehaft.
Weil er im Mai vergangenen Jahres über Italien in die Bundesrepublik gekommen war, muss Abdallah nach dem sogenannten Dublin-II-Abkommen sein Asylverfahren in dem südeuropäischen Land betreiben - so sehen es jedenfalls das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und das Amtsgericht Hildesheim, das über den Haftantrag des Landkreises Hildesheim zu entscheiden hatte.
Das Amtsgericht Hannover entschied allerdings Ende Mai in einem ähnlichen Fall, dass eine Abschiebehaft zur »Dublin-Überstellung« rechtswidrig und der Betroffene »unverzüglich« aus dem Gefängnis zu entlassen sei. Ein Eilantrag von Abdallahs Anwalt Paulo Dias beim Bundesverfassungsgericht wurde dort abgelehnt, wie der Jurist mitteilte.
Der Niedersächsische Flüchtlingsrat bezeichnet das Vorgehen von Gericht und Ausländerbehörde in Hildesheim als »skandalös«. Beide hätten die Akteneinsicht und eine Entscheidung über eine Haftbeschwerde verschleppt. Immerhin gehe es um die Frage, ob ein Mensch in ein Gefängnis gesteckt werden dürfe, dem keine Straftat vorgeworfen wird.
Die Europaabgeordnete der Linken, Sabine Lösing aus Göttingen, kritisiert die Abschiebung ebenfalls scharf. »Die Zustände für Flüchtlinge in Italien sind katastrophal, dort droht ihnen Obdachlosigkeit und Verelendung«, sagt sie.
»Wir sind empört darüber, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Ausgang der in Abdallahs Fall anhängigen Gerichtsverfahren nicht abgewartet hat«, so die Grünen-Landtagsabgeordnete Filiz Polat. »Wir gehen davon aus, dass diese Entscheidungen zugunsten von Herrn Abdallah ausgehen werden«. Es gebe schon jetzt eine Vielzahl von Entscheidungen der deutschen Verwaltungsgerichte, die Überstellungen für nicht tragbar halten. Wenn die Große Koalition ihren derzeitigen Kurs weiter halte, dann laufe sie Gefahr, sogar noch die verantwortungslose Politik zu übertreffen, die vor 20 Jahren zur de-facto-Abschaffung des Grundrechts auf Asyl geführt habe. »Wir werden dem als Land Niedersachsen einen Riegel vorschieben«, kündigte Polat an. Im Fall von Salah Abdallah hielt sich die Landesregierung allerdings noch bedeckt.
Nach Angaben der hungerstreikenden Flüchtlinge aus dem Protestcamp sind 13 weitere von ihnen ebenfalls konkret von einer Abschiebung bedroht. Für den Fall weiterer Ausweisungen wollen sie ihre Aktion noch ausweiten. Dann werde die ganze Gruppe mit einem unbefristeten trockenen Hungerstreik beginnen, also auch nicht mehr trinken, sagt einer der Männer. Die Flüchtlinge hatten das Camp Ende Mai errichtet. Zwei Tage später kam es zu einem Polizeieinsatz, die Beamten bauten zwölf der 18 Zelte ab. »Das Aufstellen von Zelten, die zum Übernachten dienen, ist nicht durch das Versammlungsrecht abgedeckt«, begründete ein Polizeisprecher das Vorgehen.
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