Familie Memedovics (Nicht auf dem Bild:Dalek und Ali Memedovich). ©Memedovich
Eine weitere Abschiebung steht an. Ein Teil der Roma Famillie Memedovich soll nach Mazedonien abgeschoben werden. Das nehmen wir nicht hin! Wir nehmen es nicht hin, dass Memedovichs aus ihrem Zuhause gerissen werden sollen, als Familie nicht zusammen bleiben dürfen und gezwungen werden, zurück in unzumutbare Lebensumstände zu gehen. Es ist nicht akzeptabel, dass Menschen still und heimlich vom Staat deportiert werden und kein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben haben sollen. Menschen müssen das Recht haben, sich aussuchen zu dürfen, wo sie leben!
Als Start der Kampange „Memedovich bleiben – Alle bleiben!“ ruft Familie Memedovich und Freund_innen zu einer Kundgebung vor die Ausländerbehörde auf. Diese droht mit Abschiebung. Kommt zur Kundgebung am 10. Februar 2015 von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr an die Ausländerbehörde Erfurt (Bürgermeister-Wagner-Straße 1).
Solidarisiert euch und kommt zahlreich!
Wir – die Familie Memedovich – gehören zusammen - und nach Erfurt!
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Wir – die Familie Memedovich – gehören zusammen - und nach Erfurt!
Der folgende Text ist ein Statement der Familie Memedovich aus Erfurt, die seit zwei Jahren in Erfurt lebt und seither für ein Bleiberecht ihrer gesamten Familie kämpft. Gleichzeitig sind sie aber auch ein aktiver Teil der Gruppe Roma Thüringen, die für ein Bleiberecht aller Roma und anderer Geflüchteter eintritt.
Djengjis Memedovich, seine Frau Söhret und zwei ihrer drei Kinder sind 2012 aus Mazedonien nach Deutschland geflohen. Sie sind gemeinsam mit den Eltern von Djengjis und seiner verwaisten Nichte nach Deutschland gekommen, um ein besseres, gerechteres Leben zu führen, weil sie als Roma in Mazedonien stark diskriminiert werden. Alle zusammen bilden ein stabiles Familiensystem, welches schon immer zusammen gelebt hat. Dazu gehört Djengjis‘ Mutter Suzana Memedovich, sein Vater Ali Memedovich, sowie die 12-jährige Tochter seiner Schwester. Ali Memedovich ist der Vormund seiner Enkelin, da deren Mutter im Jahr 2006 während eines Krankenhausaufenthalts in Mazedonien verstorben ist. Der Vater hat die Familie schon vor langer Zeit verlassen. Im Dezember 2013 kam der jüngste Sohn von Djengjis und Söhret in Erfurt zur Welt.
Trotz schwerwiegender Fluchtgründe wurden die Asylanträge aller Familienmitglieder als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Zumindest ein humanitäres Aufenhaltsrecht für alle Familienmitglieder zu erkämpfen, ist das Ziel der Familie, da sie nach dem Asylverfahrensgesetz als zwei getrennte Familien behandelt werden.
„Wir sind hier, weil wir weltweit ausgegrenzt werden und wir sind auf unseren Familienzusammenhalt angewiesen. (…) Mein Mann und ich sind schwer krank. Meine 12 Jahre alte Enkelin lebt bei uns, da sie keine Eltern mehr hat. Mein Sohn Djengjis und seine Frau Söhret leben auch bei uns im Haus, wir brauchen sie im Alltag, wir gehören als Familie zusammen. Dass uns, unserer Enkeltocher und meinem Sohn, seiner Frau und den Kindern mit der Polizei gedroht wird, muss aufhören!“ (Suzana M.)
Suzana M. ist seit einer Krebserkrankung, die im Jahr 2010 nach einer erheblichen Barzahlung in Mazedonien behandelt wurde, gesundheitlich schwer eingeschränkt, da der Heilungsprozess mit Komplikationen verlief. Gründe sind die schlechten hygienischen Bedingungen bei der stationären Nachsorge der Operation in Mazedonien. Wegen der langwierigen, komplizierten Heilung entstand ein Durchbruch des Dickdarms aus der Bauchdecke, welche die Ärzt_innen in Mazedonien nicht behandeln wollten.
Suzana M. ist derzeit nach Einschätzung mehrerer Ärzt_innen nach wie vor erheblich geschwächt und in „reduziertem Gesundheitszustand“. Der schmerzhafte Durchbruch wurde nach einem mehr als ein Jahr dauernden Kampf zwischen Ärzt_innen, Unterstützer_innen und Anwältin auf der einen und Behörden auf der anderen Seite im April 2014 operiert. In der langen Wartezeit hat sich der Gesundheitszustand weiter verschlechtert. Suzana M. klagt über anhaltende starke Schmerzen infolge von Durchblutungsstörungen in den Beinen, die mehrere Operationen notwendig gemacht haben. Djengjis und Söhret M. pflegen die Mutter nach wie vor, die derzeit nur wenige Meter laufen kann und versorgen die Nichte mit. Suzana M. war trotzdem über die ganze Zeit als Dolmetscherin für die gesamte Familie und weitere Asylsuchende in Erfurt bei Ärzt_innen und Behörden ehrenamtlich tätig, da sie durch einen früheren längeren Aufenthalt in Deutschland fließend deutsch spricht.
„Die Ausländerbehörde, die Polizei, die Politik, die Gerichte und insbesondere das Bundesamt sollten sich schämen. Sie setzen sich in der Öffentlichkeit eine Maske auf, sie lügen und erklären Deutschland zu einem Land, welches andere Menschen willkommen heißt. Aber in Wirklichkeit helfen sie alle zusammen dabei, uns Roma zu vertreiben. Ich habe viele Interviews gegeben in Deutschland, auch bei der Asylbehörde, aber sie wurden ignoriert. Wir sind ein Teil dieser Gesellschaft und uns muss eine Perspektive gegeben werden.“ (Suzana M.)
Der Vater von Djengjis M., Ali M., erlitt im Juni 2013 einen Herzinfarkt in der Nacht, nachdem sein Sohn am Vortag einen Termin bei der Ausländerbehörde hatte, bei dem seine Abschiebung thematisiert wurde. Er ist seitdem eingeschränkt leistungsfähig, ermüdet schnell und befindet sich in ständiger ärztlicher Beobachtung, um die Blutwerte zu kontrollieren, weil jederzeit die künstliche Herzklappe versagen kann, wenn er sich nicht schont. Ali M. ist sehr schwach und kann sich alleine nicht hinreichend um seine Frau kümmern. Im Januar 2014 wurde er erneut wegen Infarktverdacht stationär eingewiesenen. Seit Oktober 2014 nimmt er trotzdem täglich an einem EU – geförderten Deutschkurs in einer privaten Sprachschule teil.
„Wenn die Polizei bei uns in der Familie auftaucht um uns abzuschieben, besteht Lebensgefahr! Auch ich selbst musste hier schon unter anderem wegen einer kritischen Durchblutungsstörung des rechten Beines medizinisch versorgt werden und wäre fast gestorben.“ (Suzana M.)
Die Nichte von Djengjis M. besucht seit zwei Jahren die Regelschule. Ihr bislang erfolgreicher Schulbesuch und ihre altersgemäße Entwicklung würde durch eine Abschiebung massiv gestört werden, denn zum ersten Mal in ihrem Leben geht sie gern zur Schule, da sie nicht mit ständiger Diskriminierung konfrontiert ist. Es ist bei einer Abschiebung von einer Gefährdung des Kindeswohls der Nichte auszugehen.
„In Mazedonien habe ich viele Sachen erlebt, die ich eigentlich nie erleben sollte. In der Schule war ich immer alleine. Keiner und keine wollte sich mit mir befreunden. In der Schule habe ich ganz hinten gesessen und wenn ich zu spät gekommen bin, dann musste ich immer draußen bleiben und habe einen Schulverweis bekommen. Wenn ich auf der Straße gelaufen bin, dann schimpften die mazedonischen Leute immer ‚Die Scheiß-Roma!‘ und ‚Verpisst euch von hier!‘
Und Deutschland sagt auch: ‚Verpisst euch von hier!‘ Wohin sollen wir denn gehen? Unser Land will uns nicht und Deutschland auch überhaupt nicht. Abschiebestopp sofort! Es ist überhaupt nicht cool – Abschiebungen sind sehr schlimm und machen sehr viel Stress. Wir werden weiter kämpfen und das schaffen.“ (Nichte von Djengjis M.)
Söhret und Djengjis M. haben für ihre beiden älteren Kinder nach fast zwei Jahren in Deutschland Kindergartenplätze erkämpft. Seitdem hat Söhret nun endlich Zeit, neben der Versorgnung des jüngsten Kindes einen Deutschkurs in einem Frauenzentrum zu besuchen. Ihr Ziel ist es später in Erfurt eine Arbeit zu finden.
„Zum Beispiel kann ich es mir in Mazedonien nicht leisten, dass meine Kinder in den Kindergarten gehen, da ich für jedes Kind pro Monat 50 € bezahlen müsste. In Deutschland gehen meine beiden älteren Kinder jetzt in den Kindergarten. Seitdem besuche ich einen Deutschkurs, um die deutsche Sprache zu lernen. (…)
In Mazedonien habe ich für alle Leute in einem 5 stöckigen Haus geputzt, aber nur die Hälfte hat mir dafür auch etwas gezahlt. So habe ich im Monat nur 50 € verdient. Ich musste diese Reinigungsarbeit machen, weil ich als Romnja keine andere Arbeit finden konnte, obwohl ich einen Schulabschluss habe, der dem deutschen Realschulabschluss entspricht. Nach Deutschland bin ich gekommen um ein besseres Leben zu finden. Ich will hier Arbeiten und für meine Kinder ein besseres Leben haben. (…)
In Deutschland habe ich aber auch viel Stress und Angst. Jedes Mal, wenn es an der Tür klingelt, habe ich Angst, dass die Polizei kommt, um uns abzuschieben. Das macht mir sehr viel Stress aber auch meinen Kindern, weil sie merken, wie viel Angst ich habe.“ (Söhret M.)
Djengjis M. hat in den zwei Jahren, die er jetzt in Deutschland lebt, gelernt, Missstände nicht nur zu erkennen, sondern auch für seine Rechte zu kämpfen. Beim Leiter des Jugendamtes in Erfurt hat er daher vorgesprochen und Kindergartenplätze für seine Kinder eingefordert und schließlich auch bekommen.
„Zum Beispiel habe ich keine richtige Bildung genossen, nur weil ich Roma bin. Ich will nicht, dass meine Nichte und meine Kinder das gleiche Schicksal erleiden. Das ist der Hauptgrund, warum ich hierher gekommen bin. Und obwohl wir ohne Ende Probleme haben, würde ich gerne einen zweiten Grund für unsere Flucht erwähnen, der Gesundheit ist.
Als Roma werden wir in Mazedonien offensichtlich in Krankenhäusern diskriminiert. Meine Schwester ist im Alter von 21 Jahren plötzlich und grundlos im Krankenhaus gestorben. Wir wissen immer noch nicht warum. Deswegen ist meine Nichte bei uns.“ (Djengjis M.)
Außerdem ist er seit der ersten Roma-Vernetzungskonferenz in Erfurt am 08.06.2013 aktiver Teil der daraus entstandenen regelmäßigen Treffen in den Räumen von Radio F.R.E.I.. In diesen Treffen werden die Probleme und Interessen, insbesondere der in Thüringen untergebrachten Rom_nja aus mehreren Balkanstaaten, thematisiert. Djengjis M. spielt hierbei eine wichtige Rolle. Er ist beteiligt gewesen bei der Kontaktaufnahme zu den Mitarbeiter_innen des Radios, bei der Vorbereitung und Umsetzung der regelmäßigen Treffen, sowie bei der Einladung von Roma aus ganz Thüringen. Darüber hinaus organisiert er gemeinsam mit Anderen kulturelle und politische Veranstaltungen wie Roma Partys oder Demonstrationen gegen Abschiebung in Erfurt. Auch ein Besuch von Roma und deutschen Unterstützer_innen in der Gedenkstätte in Buchenwald wurde von ihm in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Buchenwald geplant und durchgeführt. Seit Nov. 2014 nimmt Djengjis an einem Integrationskurs teil, den er selbst zahlt, da die Ausländerbehörde die Zulassung verweigert.
„Ich will zusammen mit meiner Familie in Deutschland bleiben und nicht zurück nach Mazedonien gehen. Wenn wir Probleme haben oder keine Arbeit, dann bekommen wir hier zumindest Hilfe/Unterstützung, in Mazedonien nicht. Wenn wir jetzt abgeschoben würden, bekommen wir 2 Jahre gar keine Sozialhilfe und keine Krankenversicherung in Mazedonien. Auch wäre es viel schwerer Arbeit zu finden. Das hieße dann, dass wir den Arzt nicht bezahlen können, wenn die Kinder krank werden und die Kinder nicht behandelt würden.“ (Söhret M.)
„Ich bin Schneider und ich bin ein guter Schneider. Ich will hier arbeiten und weiter leben. Es gibt keine Arbeitsplätze für uns Roma in Mazedonien. Warum hätte ich da bleiben sollen, nur weil ich da geboren bin?“ (Djengjis M.)