Eine Polizeikontrolle ist dann als rassistisch motiviert einzustufen, wenn sie allein auf Grundlage äußerlich ersichtlicher – sog. phänotypischer oder auch ethnischer – Merkmale erfolgt und damit einem tief in der Gesellschaft verankerten, strukturellen Rassismus-Prinzip weithin sichtbaren Ausdruck verleiht. Zwar nennen die kontrollierenden Polizeibeamten selbst ihre Kontrollen meist „verdachts- und ereignisunabhängig“, doch allein der Umstand, dass in den jeweiligen Situationen ausschließlich Nicht-Weiße (= offensichtlich Nicht-Deutsche) Personen betroffen sind und auf gezieltere Nachfragen bzw. im öffentlichen Diskurs die Suche nach sog. „illegal“ aufhältigen Personen klar benannt werden, sprechen eine deutlich andere Sprache.
Sind die handelnden Beamten Bundespolizisten an Bahnhöfen und in Zügen bzw. sog. Autobahnpolizei, so handeln diese auf willkürlich festgelegten Transitwegen i.S. einer Grenzpolizei (s. z.B. § 23 BPolG: Identitätsfeststellung und Prüfung von Berechtigungsscheinen) und haben darüber hinaus – wie die „normale“ Landespolizei auch – noch andere Möglichkeiten der Begründungen wie Antiterrorgesetze (innere Sicherheit), Rasterfahndung (z.B. nach Drogen und Menschenhandel als grenzüberschreitender organisierter Kriminalität) oder die Kontrolle des Aufenthaltsrechts nach der ausschließlich für Asylsuchende in sog. Landesaufnahmestellen, abschiebebedrohte „Geduldete“ und generell für Sinti und Roma aus Nicht-EU-Balkanstaaten sondergesetzlich auferlegten „Residenzpflicht“. Handelt es sich bei den Kontrollierten um Letztere, entfallen weitere Erläuterungsbemühungen der agierenden Beamten in aller Regel genauso, wie ein angemessener Umgangston. Allen diesen Kontrollformen ist im Zusammenhang mit den hier genannten Kontrollen durch entsprechend befugte Beamte jedoch gemein, dass wenn die Kontrolle ausschließlich auf Grund äußerlich ersichtlicher, phänotypischer Merkmale erfolgt, eine verfassungsmäßig verbotene Diskriminierung (Art. 3 GG) vorgenommen und mithin ein für die betroffene Personengruppe nicht belegbarer Generalverdacht postuliert wird. Diesem rassisch determinierten Vorgehensansatz liegt nicht nur die irrtümliche (und rassistische) Annahme zu Grunde, dass sich die meisten Menschen mit mehr als „weiß“ pigmentierter Hautfarbe „illegal“ im Bundesgebiet aufhalten würden, sondern er führt auch im Ergebnis dazu, dass Pigmentierung als Kontrollmerkmal quasi automatisch zu einer erhöhten Kriminalitätsrate führen muss (und welche dann wiederum als sog. „kriminalistischer Erfahrungsschatz“ die ohnehin schon praktizierten polizeilichen Rassismen noch weiter verstärkt!).
Darüber hinaus fällt eine entsprechende Häufung weiterführender Eingriffe in bestehende Grund- bzw. Persönlichkeitsrechte je nach Abstammungsvermutung (körperliche und persönliche Durchsuchungen) bis hin zu regelmäßig strafvereitelten, rechtswidrigen Übergriffen im Amt auf, die von Demütigungen und Androhungen weiterer Repressionen über körperliche Gewaltanwendung mit Verletzungsfolgen und sogar bis hin zu öffentlichen Tötungen durch Polizeibeamte bzw. Tötungen in Polizeigewahrsam reichen (z.B. Oury Jalloh).
Kontrolle nach Hautfarbe - Wie der Staat Minderheiten schikaniert
Das Politmagazin der ARD Monitor berichtete 20.02.14 unter diesem Titel noch über ganz andere Hintergründe und politisch gewollte Nebeneffekte dieser Polizeipraxis: die sog. „Erfolgsquote“ der bundespolizeilichen Maßnahmen im Grenzgebiet, auf Transitwegen, Bahn- und Flughäfen betrug 2013 bei insgesamt 3,7 MILLIONEN Kontrollen gerade einmal 0,4%. Im Umkehrschluss heißt das, dass sich 99,6% aller bundespolizeilich Kontrollierten „phänotypischen Ausländer“ völlig regulär im Bundesgebiet aufhielten – das Gebot der Angemessenheit polizeilicher Maßnahmen ist damit nicht gegeben und schon deswegen rechtswidrige Praxis. Auf Nachfrage begründet das zuständige Innenministerium die fragliche Praxis damit, dass hierdurch das subjektive Sicherheitsgefühl der (weißen deutschen?) Reisenden spürbar erhöht würde. Faktisch werden so also für ein subjektives Sicherheitsgefühl der weißen Mehrheit systematisch, massenhaft und permanent phänotypisch Fremde schikaniert, werden sozusagen bewusst und grundlos Minderheiten stigmatisiert und verunsichert. Die Grundrechte der Artikel 1 bis 3 werden somit für als fremd konstruierte Menschen tagtäglich tausendfach außer Kraft gesetzt – das ist klassischer institutionalisierter Mehrheitsrassismus!
Nach einer Entscheidung des OVG Koblenz vom 29.10.2012 (Az. 7 A 10532/12.OVG) wegen der Klage eines deutschen Studenten mit dunkler Hautfarbe, der sich im Zug von Kassel nach Frankfurt am Main unrechtmäßig von Beamten der Bundespolizei kontrolliert gefühlt hatte, ist die hier kritisierte Vorgehensweise von Polizeibeamten nach dem rassistischen Prinzip des „Racial Profiling“ vor dem Diskriminierungsverbot im Artikel 3 des Grundgesetzes deutlich gerügt und für rechtswidrig erklärt worden. Die rassistische Grundeinstellung der Polizei als Ganzes zeigte sich dann umgehend und eklatant in der Uneinsichtigkeit der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), die dem OVG postwendend „schöngeistige Rechtspflege“ attestierte, welche sich eben nicht nach „polizeilich ‚bewährter‘ Praxis“ ausrichte. Die hier bemühte „bewährte“ Praxis speziell der Bundespolizei begründet sich im Wesentlichen auf die fortlaufend repressiven Kontrollen im Zusammenhang mit der „Illegalisierung“ von geflüchteten Menschen auf der Suche nach Asyl, der Sondergesetzgebung zur sog. „Residenzpflicht“ – einer europaweit einmaligen, deutschen „Rechtsauflage“ im Ausländerrecht mit Wurzeln in kolonialem Repressionsrecht der Sklaverei, in nationalsozialistischen Rassengesetzen und zuletzt in den südafrikanischen Apartheidgesetzen – weswegen dieses „Un“Recht von politisch aufgeklärten Geflüchteten vor dem Hintergrund der auch von Deutschland anerkannten Internationalen Menschenrechtskonvention nicht anerkannt werden kann. Der hierbei gemeinhin postulierte migrationspolitisch verklausulierte Ausgrenzungsansatz „keine Anreize für weiterführende Migration“ ‚schaffen‘ zu wollen, der zuletzt vom BVG im Zusammenhang mit dem ebenfalls sondergesetzlichen Asylbewerberleistungsgesetz am 18.7.2012 als verfassungswidrig eingestuft wurde, ist schon deswegen abzulehnen, weil hierdurch bereits eingereiste Geflüchtete Repressionen unterworfen werden, um damit Andere (noch nicht eingereiste) abzuschrecken!
Unabhängig von der mittlerweile (reaktiv?) teilweise stattgefundenen, bundesweiten Aufhebung dieser „Residenzpflicht“ berufen sich die unverändert kontrollierenden Polizeiorgane unbeeindruckt von verfassungsrechtlichen Bedenken weiterhin auf diese Rechtsgrundlage institutionalisierter Repression rassistischer Prägung.
Im Zusammenhang mit den bundes- und europaweiten Protesten der vor der hegemonialen Kriegs- und Wirtschaftspolitik Deutschlands und Europas aus ihren Heimatländern Geflüchteten, die auf eine bedingungslose Anerkennung ihrer natürlichen Menschenrechte wie Bewegungsfreiheit, Selbstbestimmung, Diskriminierungsfreiheit und Asylanerkennung abzielen, soll eine Kampagne gegen „Racial Profiling“ und rassistische Polizeiübergriffe durch ein entsprechendes Netzwerk zur Aufklärung über, Dokumentation von und direkter Intervention (ziviler Ungehorsam) bei solchen Vorfällen etabliert werden: das Cop-Watch-Programm („Kontrolliert die Polizei“).
Gemeinsam mit der KOP Berlin (Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt http://www.kop-berlin.de/), die von rassistischer Polizeigewalt Betroffene unterstützt und ihnen juristische Beratung anbietet, sollen unter Einbeziehung der dort bereits für vergangene Jahre vorhandenen Falldokumentationen, entsprechende Handlungsgrundlagen für Aktivist_Innen erarbeitet sowie ein kritisches Bewusstsein in der Öffentlichkeit für solidarische Interventionen geschaffen werden.
Cop-Watch: Kontrolliert die Polizei