Die Gemeinschaftsunterkunft in Gerstungen. Foto: Norman Meißner Eisenach.
Flüchtlingsorganisation protestiert gegen Abschiebung
12.08.2015 - 08:17 Uhr
Die Organisation „The Voice Refugee Forum“ ruft zu Solidarität mit dem syrischen Bürgerkriegsflüchtling Mohammad Al Zoubi auf und demonstriert in Eisenach für einen Abschiebestopp.
Die Flüchtlings-Community „The Voice Refugee Forum“ setzt sich für einen Flüchtling aus Gerstungen ein: Mohammad Al Zoubi aus Syrien soll nach Spanien geschickt werden. Er befürchtet eine „gewaltsame Abschiebung durch die Verwaltungsbehörden des Wartburgkreises“. Deshalb veranstaltet die Flüchtlingsorganisation am Freitag um 16 Uhr einen Flüchtlingsprotest in Eisenach am Marktplatz. Die Demonstration richtet sich gegen Dublin-Regulierungen und für einen Abschiebestopp. Gefordert wird Solidarität für Mohammad Al Zoubi, der im Juli eine Ablehnung seines Asylantrags erhalten hatte. Etwa 20 bis 30 Teilnehmer werden erwartet. Das Argument des Syrers, warum er gegen seine Abschiebung Unterstützung sucht: „Deutschland ist das erste Land, in dem ich einen Asylantrag gestellt habe, um meine Freiheit und Menschenrechte zu erhalten. Ich habe mich an das Leben hier gewöhnt, ich kenne seine Regeln und ich kenne viele Menschen hier; ich habe eine Schule für eine Weiterbildung besucht und eine Zeit lang fühlte ich mich glücklich. Ich kann in kein anderes Land gehen, denn ich möchte hier leben.“ Zur Einreise, die im Asylantragsprozess entscheidend ist, schreibt er auf
https://thevoiceforum.org : „Ich erhielt einen Pass mit einem Visum nach Spanien, wo ich zwei Stunden lang im Flughafen verbrachte; dann reiste ich weiter nach Deutschland. Ich ersuchte um Asyl in Deutschland, wo ich nun seit einem Jahr lebe, um meine psychologische Krise und Unsicherheit zu überwinden, die das Ergebnis der Grausamkeiten war, deren Zeuge ich in Syrien wurde.“ Sein Asylantrag sei, so die Angaben Mohammad Al Zoubis, abgelehnt worden, weil er über Spanien gereist sei. Nach derzeitiger Rechtslage muss der Antrag dort gestellt werden, wo erstmals europäischer Boden betreten wird. Auf TLZ-Anfrage prüft das Landratsamt Wartburgkreis den Fall und wird in Kürze Auskunft dazu erteilen.
NPD demonstriert gegen Asylbewerber
Derweil formiert sich in Eisenach Widerstand gegen Asylbewerber: Für Ende August wurde von der NPD zu einer Demonstration aufgerufen. Unterdessen meldet sich auch das Landeskommando der Bundeswehr zu Wort. Der dortige Kommandeur, Oberst Norbert Reinelt, legt Wert auf die Feststellung, dass der Kreis keinen Antrag auf Errichtung eines Zeltlagers für Flüchtlinge auf dem Gelände der Salzunger Kaserne gestellt hat. Zudem will er dem möglicherweise entstandenen Eindruck entgegentreten, dass die Bundeswehr erbetene Hilfe ausgeschlagen habe. „Die Bundeswehr ist immer bereit, bei Katastrophen oder solchen nationalen Aufgaben wie sie hier gegeben ist, zu unterstützen“, so Reinelt gegenüber dieser Zeitung. Eine Entscheidung, ob die Bundeswehr mit Zelten für einen anderen Standort helfen könne, sei noch nicht gefallen, werde aber zeitnah gefällt.
Kommentar: Absurde Parolen
Julia Stadter. Foto: Michaelis Julia Stadter. Foto: Michaelis
Was sind denn bitteschön „Überfremdungsextremisten“? Oder gar „Asylfunktionäre“? Die NPD ruft zu einer Demonstration in Eisenach auf und haut mit konstruierten Parolen um sich, die Dinge vermischen, die überhaupt nicht zusammengehören, um Angst zu schüren und nach neuen Mitgliedern zu fischen. Schaut man sich die Parolen einmal genauer an, sind sie sogar richtig absurd: „Überfremdung“ bedeutete einst als betriebswirtschaftlicher Begriff, dass zu viel Fremdkapital im Unternehmen war, wurde während der NS-Zeit aber rassistisch umgedeutet. Unter diesem Begriff sammelt sich undifferenzierte Fremdenfeindlichkeit, was den Ausdruck 1993 zum Unwort des Jahres werden ließ. „Überfremdungsextremist“ ähnelt daher dem schwarzen Schimmel: Extremisten setzen sich für eine von ihnen absolut gesetzte Ideologie ein. Wie können denn nun unterschiedliche Kulturen extremistisch sein, sie sind doch schon aus sich selbst heraus pluralistisch? Da fehlt jede Logik. Und was „Asylfunktionäre“ anbelangt: Wer profitiert denn vom Asyl? – Die Menschen, die durch die Flucht aus ihrer Heimat, wo sie alles Hab und Gut, Freunde und Familie zurücklassen, und dafür bloß das pure Recht auf Leben gewinnen? Die NPD spielt hier mit Ängsten und vermengt globale Probleme: Terrorismus, Flüchtlinge, Politikverdrossenheit und die soziale Schere. Sie maßt sich in ihrem Aufruf sogar an, damit für die „schweigende Mehrheit“ zu sprechen. Eisenach muss zeigen, dass gegen diese Wortverdreher nicht geschwiegen wird.
Julia Stadter / 12.08.15 / TLZ
Z0R0010321264
http://www.tlz.de/web/zgt/politik/detail/-/specific/Fluechtlingsorganis…