14.08.2015 - 07:00 Uhr
Ein syrischer Flüchtling wirbt um Solidarität. Er soll nach Syrien abgeschoben werden. Eine Flüchtlingsorganisation ruft zur Demo auf, doch der Wartburgkreis handelt nach Vorschrift.
Eisenach. Ein Flüchtlingsprotest mit 20 bis 30 Unterstützern soll heute (14. August 2015) um 16 Uhr auf dem Eisenacher Marktplatz stattfinden. Die Flüchtlingsorganisation „The Voice Refugee Forum“ ruft auf, gegen Dublin-Regulierungen und für einen Abschiebestopp zu demonstrieren. Die Organisation wandte sich mit einem Solidaritäts-Aufruf an unsere Zeitung, in dem sie das Beispiel eines syrischen Flüchtlings anführt, der im Flüchtlingsheim in Gerstungen lebte und nach Spanien abgeschoben werden soll (wir berichteten).
Dieser Aufruf wurde auch auf
www.thevoiceforum.org, der Internetseite der Flüchtlingsorganisation, mit der Bitte, Protestbriefe an das Innenministerium und die Ausländerbehörde des Wartburgkreises zu schreiben, veröffentlicht. Beide Stellen erreichten kurz darauf Solidaritätsbekundungen.
Auf Anfrage unserer Zeitung erläuterte das Landratsamt Wartburgkreis den Fall des Flüchtlings, der um Solidarität warb, und warum seine Abschiebung rechtmäßig ist. Von einer „gewaltsamen Abschiebung durch die Verwaltungsbehörden des Wartburgkreises“, wie sie in dem Aufruf befürchtet wird, könne dabei keine Rede sein: Der Flüchtling reiste mit einem spanischen Visum, das die spanische Botschaft in Jordanien ausgestellt hatte, per Flugzeug nach Spanien.
Die Angaben, wann der Flüchtling von dort nach Deutschland weiterreiste, variieren, sind jedoch zunächst unerheblich, da der Flüchtling bei der Stellung seines Asylantrages in Deutschland im Besitz eines spanischen Visums war. Nach der Dublin-III-Verordnung ist damit Spanien zuständig für die Prüfung des Asylantrags.
Der Flüchtling gibt in seiner Stellungnahme auf
www.thevoiceforum.org zwar an, dass er Deutschland als Reiseziel hatte und hier leben möchte: „Ich will nicht nach Spanien oder in irgendein anderes Land in Europa abgeschoben werden, denn Deutschland ist das erste Land, in dem ich einen Asylantrag gestellt habe, um meine Freiheit und Menschenrechte zu erhalten. Ich habe mich an das Leben hier gewöhnt, ich kenne seine Regeln und kenne viele Menschen hier; ich habe eine Schule für eine Weiterbildung besucht und eine Zeit lang fühlte ich mich glücklich. Ich kann in kein anderes Land gehen, denn ich möchte hier leben.“ Jedoch sehen die deutschen Behörden durch die Art der Einreise – mit einem spanischen Visum – keine Möglichkeit, den Asylantrag zu bearbeiten: „Nach den einheitlichen Visavorgaben hätte er somit bei der deutschen, und nicht, wie erfolgt, bei der spanischen Auslandsvertretung in Jordanien ein Schengenvisum beantragen müssen.“ Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stufte den Asylantrag damit als unzulässig ein und ordnete die Abschiebung nach Spanien an. „Deutschland war und ist verpflichtet, die Überstellung nach Spanien als zuständigem Mitgliedsstaat durchzuführen“, informierte dazu der Wartburgkreis. Ein gerichtlicher Antrag des Flüchtlings auf Aufschiebung wurde im Januar abgelehnt.
„Das Überstellungsverfahren nach Spanien beanspruchte anschließend noch geraume Zeit. Erster Abschiebungstermin war für den 17. Juni vorgesehen“, erklärt das Landratsamt. Dem Flüchtling sei dieser Termin schriftlich per Fax gegen Empfangsbekenntnis mitgeteilt worden mit der Aufforderung, sich zu dem entsprechenden Zeitpunkt in seinem Zimmer zur Abholung bereit zu halten. „Er bestätigte den Erhalt mit Unterschrift“, so das Landratsamt weiter. Als aber zwei Mitarbeiter der Ausländerbehörde mit zwei Polizeibeamten den Flüchtling zum vereinbarten Termin abholen wollten, sei dieser nicht in seiner Unterkunft gewesen.
Im Juli sollte der Flüchtling dann nach gleicher Vorgehensweise mit knapp zweiwöchiger Ankündigung nochmals abgeholt werden; auch dieser Abschiebungstermin scheiterte. Jetzt hofft der Flüchtling, durch den Solidaritätsaufruf auf Unterstützung. Sein Argument auf „TheVoice“: „Wenn Deutschland mein Recht, um Asyl zu ersuchen, nicht garantieren kann, wie können sie dann von Spanien, wo ich in Obdachlosigkeit leben müsste, erwarten, etwas für meinen Schutz und für ein würdiges Leben in Europa zu tun?“
Bei diesem äußerst komplexen Verwaltungsverfahren geht es bisher in keinster Weise um die Abschiebung des sunnitischen Flüchtlings in seine Heimat Syrien, aus der er wegen des Bürgerkriegs floh. Es handelt sich lediglich um die Ermittlung von Zuständigkeiten zur Bearbeitung des Asylantrags.
Die an diesem Beispiel illustrierte Anwendung der Dublin-Regulierungen macht aber vielleicht deutlich, warum sich die Bearbeitung der Asylverfahren derart in die Länge zieht.
Einzelfall wirft negatives Licht auf Asyl, kommentiert Julia Stadter:
Europa wird von einer Flüchtlingswelle überrollt. Während sich viele um eine Kultur des Willkommens bemühen, werden am rechten Rand Ängste geschürt, auch hier in Eisenach. Daher ist es nicht hilfreich, wenn einzelne sich öffentlichkeitswirksam rechtmäßigen Verfahrensprozessen entziehen. Im beschriebenen Fall soll der Flüchtling nicht nach Syrien abgeschoben werden, sondern nur seinen Asylantrag dort stellen, wo es europäisches Recht vorsieht: in Spanien. Man mag die bestehenden Gesetze, wie die Dublin-Regulierungen, wonach Flüchtlinge dort Asyl beantragen müssen, wo sie erstmals europäischen Boden betraten, kritisch sehen. Die Flüchtlingsorganisation „The Voice“ will heute durch ihren Protest darauf aufmerksam machen. Nun aber die rechtmäßig agierenden Verwaltungsbehörden des Wartburgkreises öffentlich anzuprangern und durch eine Solidaritätswelle auf Umgehung des üblichen Verfahrens zu hoffen, verschärft nur die Asyldebatte und spielt den Rechten in die Hände. So gezeichnet die Flüchtlinge auch sind, von dem was sie in ihrer Heimat und auf der Flucht erlebt haben, sie müssen sich an geltendes Recht halten. Nur wenn alle die Spielregeln befolgen, schaffen wir ein gutes Miteinander.
Julia Stadter / 14.08.15 / TLZ
Z0R0010332267
http://www.tlz.de/startseite/detail/-/specific/Eisenach-Abschiebung-ein…