Rund 100 Demonstranten forderten in Konstanz, nicht Flüchtlinge, sondern die Ursachen für Flucht zu bekämpfen, darunter den Export von Waffen und wirtschaftliche Ausbeutung. Bild: Claudia Rindt
waffenexporte 20.Aug 2015
Der Krieg beginnt am Bodensee
Die Idylle im Dreiländereck trügt: Rund um den See werden Waffen produziert und exportiert. Sie trieben Millionen von Menschen in die Flucht vor Kriegen, kritisieren Flüchtlings- und Friedensgruppen. Deshalb wollen sie am Wochenende gegen die Rüstungsindustrie am Bodensee protestieren.
Für Rex Osa ist der Zusammenhang offensichtlich: „Wer Instrumente der Gewalt produziert, erntet Flüchtlinge“, sagt der Aktivist der Initiative „Voice Refugee Forum“ gegenüber der taz. Er selbst musste vor Jahren aus Nigeria fliehen. Die Aktionstage am See will er nutzen, um den Leuten vor Ort zu sagen, dass ihre Fabriken Flucht verursachen. Statt den Opfern in den Flüchtlingsheimen zu helfen, sollten die Menschen darüber nachdenken, dass sie auch Ursache des Problems sind und in ihrer Heimat die Strukturen verändern. Alles andere sei keine Lösung.
Der größte deutsche Rüstungscluster konzentriert sich am Bodensee. Angaben Stand 2014 Grafik: Greenpeace Magazin
Die Erfahrung, dass die Region das Thema gerne verschweigt, haben vergangenes Jahr auch die beiden Greenpeace-Magazin-Redakteure Vito Avantario und Kurt Stukenberg gemacht. Bei ihren Recherchen über die Rüstungsindustrie rund um den See stießen sie auf viele verschlossene Türen: „Vermeiden ist hier die Hauptsache. Andere verantwortlich machen. Die Wahrheit leugnen. Eine möglichst große Distanz zwischen sich und den Kriegen in der Welt herzustellen, darin sind sie an der B 31 geübt“, lautet ihr Fazit. Das Greenpeace Magazin titelte mit „ Der Rest ist Schweigen“.
Im Rahmen des Aktionswochendes, wollen die Friedenaktivisten am morgigen Freitag auch vor den Werkstoren des Rüstungsherstellers Diehl Defence in Überlingen protestieren. Der bekannte Rüstungsgegner Jürgen Grässlin bezeichnet das Unternehmen in seinem „Schwarzbuch Waffenhandel“ als das „augenscheinlich zweittödlichste Unternehmen Deutschlands“, nach der Pistolenschmiede Heckler & Koch in Oberndorf am Neckar. Neben Mittel- und Großkalibermunition und einer breiten Palette an Handgranaten stellt Diehl Defence auch Zünder her. Grässlin beziffert in seinem 2013 erschienenen Buch die Jahresproduktion auf eine Million Stück, sie sei vor allem an die US Army ausgeliefert und in den Kriegen im Irak und Afghanistan eingesetzt worden. Die Zahl der Opfer durch Diehl-Produkte müsse „exorbitant hoch“ sein, sagt er.
Bekannt wurde Diehl durch den Bau von Raketen. Im Jahr 2010 feierte das Unternehmen mit einem opulenten Empfang „50 Jahre Lenkflugkörper“. Den Gästen, darunter langjährige Mitarbeiter, Pensionäre und Angehörige von Luftwaffe und Verteidigungsministerium, wurden Cocktails gereicht, die die Namen der erfolgreichsten Militärprodukte trugen. Dazu gab es in Raketenform gebackenen Kuchen. Später stießen die Gäste noch auf den Produktionsstart der luftgestützten Flugabwehrrakete AIM-Sidewinder im Jahr 1960 an. Seitdem hat Diehl 35.000 dieser Geschosse in verschiedenen Ausführungen für fast alle Nato-Partner hergestellt. Schätzungen zufolge wurden mit der Sidewinder bis heute mehr Flugzeuge abgeschossen als mit jeder anderen Rakete. Sie kam unter anderem in Vietnam, auf den Falklandinseln und im ersten Irakkrieg zum Einsatz. In Kooperation mit dem US-Unternehmen Raytheon Missile Systems wird die Erweiterung AIM-9L bis heute am Bodensee hergestellt.
Diehl ist nicht der einzige Waffenhersteller am See, der tödliche Produkte in seinem Portfolio hat. Ein gutes Dutzend Unternehmen produziert Munition, Motoren, Komponenten und Technik für die Kriegsführung. Die Friedensaktivisten wollen drei der Konzernen einen Besuch abstatten. Den Auftakt bilden Kundgebungen vor ATM in Konstanz und Mowag in Kreuzlingen am heutigen 20. August.
https://www.greenpeace-magazin.de/nachrichtenarchiv/der-krieg-beginnt-a…
Andrea Hösch / Aufmacherbild: Samuel Zuder/Greenpeace Magazin
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Fluchtursachen: Demonstration gegen Waffenfirmen
Mit einer Demonstration gegen Waffenhersteller begannen in Konstanz drei Aktionstage zum Thema Fluchtursachen.
Rund 100 Demonstranten forderten in Konstanz, nicht Flüchtlinge, sondern die Ursachen für Flucht zu bekämpfen, darunter den Export von Waffen und wirtschaftliche Ausbeutung.
Rund 100 Demonstranten forderten in Konstanz, nicht Flüchtlinge, sondern die Ursachen für Flucht zu bekämpfen, darunter den Export von Waffen und wirtschaftliche Ausbeutung. Bild: Claudia Rindt
Waffenschmieden am Bodensee tragen dazu bei, dass in anderen Gegenden der Welt Menschen fliehen müssen, dies beklagten rund 100 Demonstranten in Konstanz. Zum Auftakt von drei Aktionstagen forderten sie, nicht die Flüchtlinge durch immer höhere Abwehranlagen um Europa zu bekämpfen, sondern die Fluchtursachen, zu denen Waffenexporte und wirtschaftliche Ausbeutung gehörten.
Erste Stationen der Aktionstage waren gestern das Unternehmen ATM Computersysteme in Konstanz, das Informationstechnologien für Panzerfahrzeuge liefert, und der Kreuzlinger Hersteller von Radpanzern und gepanzerten Spezialfahrzeugen Mowag. Heute sind die Aktivisten ab 11 Uhr vor den Produktionshallen von Diehl in Überlingen. Initiiert wurden die Aktionstage von Flüchtlingen selbst. Rex Osa, der vor zehn Jahren aus Nigeria geflohen war, und der Stuttgarter Verein Flüchtlinge für Flüchtlinge riefen zur Demonstration auf. Unterstützt werden sie von regionalen Links-, Friedens- und Dritte-Welt-Gruppen.
Weitere Informationen
Grafik: Die Rüstungsindustrie am Bodensee
Die Demonstration in Konstanz richtete sich gegen die nach Angaben der Aktivisten 34 Betriebe im Bodenseeraum, die in der Rüstung tätig sind. Tanja Kaufmann vom Bündnis für Abschiebestopp in Konstanz bezeichnete die Bundesstraße 31 am nördlichen Ufer des Bodensees als Lebensader des größten Waffennetzwerks in der Bundesrepublik. Zwar liefere Deutschland direkt keine Waffen an Bürgerkriegsländer, doch auf Umwegen gelangten diese eben doch oft in Krisengebiete. So rangiere das Sturmgewehr G3 des deutschen Herstellers Heckler und Koch auf dem zweiten Platz der am weitest verbreiteten Gewehre in der Welt. Deutschland beliefere zudem auch Staaten, die die Menschenrechte verletzten, etwa Saudi-Arabien und Katar.
„Rüstung tötet“, sagte Lothar Höfler vom Verein Keine Waffen am Bodensee. Er sieht jeden Mitarbeiter eines Rüstungskonzerns in der Verantwortung, vom Chef bis zum Gabelstapelfahrer. Denn deren Wohlstand beruhe auf Gewinnen, die mit dem Geschäft des Todes, der Zerstörung und des Elends gemacht würden. Am Bodensee, wo die Arbeitslosigkeit bei drei Prozent liege, sei niemand gezwungen, in der Rüstungsindustrie zu arbeiten.
Bildergalerie
Demonstration "Fluchtursachen bekämpfen - Waffenexporte stoppen"
Thomas Ndindah, der aus Jena angereist war, begrüßte zwar humanitäre Hilfen für Flüchtlinge, hielt es aber für sinnvoller, die Fluchtursachen zu bekämpfen, wozu bei Deutschland als drittgrößtem Waffenexporteur die Versorgung der Welt mit Rüstungsgütern gehöre. Demonstranten zeigten Plakate, auf denen zu lesen stand: „Es gibt bessere Arbeit als Werkzeuge zum Töten zu bauen“ oder „Waffen sind der Brennstoff für Kriege“.
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Steigende Flüchtlingszahlen: Landrat Hämmerle läßt Beschlagnahmung von Wohnraum prüfen
Bilder der Demonstration
Wie dramatisch Flüchtlingsschicksale aussehen können, legte Doris Künzel dar, die für Hammad aus Syrien sprach. Dieser habe nach drei Jahren auf einer Flucht durch mehrere Länder, zusammen mit seinen beiden Kindern im Alter von elf und 15 Jahren, Konstanz erreicht. Nun warte er seit neun Monaten auf die Anerkennung als Flüchtling, denn nur dann habe er überhaupt Chancen, die jüngere Tochter und seine Frau nach Deutschland nachzuholen.
Der Konstanzer Flüchtlingsanwalt Rudy Haenel bezeichnete die bürokratischen Hürden bei solchen Nachzugs-Bemühungen als katastrophal hoch. Er berichtete von einer syrischen Großmutter, bei der es auch nach neun Monaten nicht gelungen sei, sie aus einem türkischen Flüchtlingslager zum Rest der Familie nach Deutschland zu holen.
Kundgebung am Freitag
Die Aktionstage Fluchtursachen bekämpfen gehen am Freitag in Überlingen weiter. Vor dem Rüstungsunternehmen Diehl (Alte Nußdorfer Straße 13) ist um 11 Uhr eine Kundgebung. Um 14 Uhr folgt eine Kundgebung an der Schiffsanlegestelle. Der Aktionstag endet im Konstanzer Kulturladen ab 19 Uhr mit einer Solidaritätsparty für Flüchtlinge. Ab 20.30 Uhr spielt der von Flüchtlingen gegründete Roma-Balkan-Express. Letzte Kundgebung ist am Samstag, 22. August, um 14 Uhr auf der Marktstätte in Konstanz.
http://www.suedkurier.de/region/kreis-konstanz/konstanz/Fluchtursachen-…
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Aktion "Fluchtursachen bekämpfen": Protest gegen Waffenfirmen
http://www.suedkurier.de/region/bodenseekreis-oberschwaben/ueberlingen/…
Flüchtlinge kritisieren Rüstungsexporte. Am Samstag, 22. Juli, endet dreitägige Aktion „Fluchtursachen bekämpfen, Waffenexporte stoppen“
Auch der „Tod“ war auf dem Überlinger Landungsplatz dabei.
Auch der „Tod“ war auf dem Überlinger Landungsplatz dabei. Bild: Reiner Jäckle
Waffenschmieden am Bodensee tragen dazu bei, dass in anderen Gegenden der Welt Menschen fliehen müssen. Dies beklagten rund 100 Demonstranten in Konstanz zum Auftakt der dreitägigen Aktion „Fluchtursachen bekämpfen, Waffenexporte stoppen“. Nicht Flüchtlinge sollten durch immer höhere Abwehranlagen um Europa bekämpft werden, sondern die Fluchtursachen, zu denen Waffenexporte und wirtschaftliche Ausbeutung gehörten.
Erste Stationen der Aktionstage waren das Unternehmen ATM Computersysteme in Konstanz und der Kreuzlinger Hersteller von Radpanzern und gepanzerten Spezialfahrzeugen Mowag. Initiiert wurden die Aktionstage von Flüchtlingen selbst. Rex Osa, der vor zehn Jahren aus Nigeria geflohen war, und der Stuttgarter Verein „Flüchtlinge für Flüchtlinge“ riefen zur Demonstration auf. Unterstützt werden sie von regionalen Links-, Friedens- und Dritte-Welt-Gruppen.
Die Demonstration in Konstanz richtete sich gegen die nach Angaben der Aktivisten 34 Betriebe im Bodenseeraum, die in der Rüstung tätig sind. Tanja Kaufmann vom Bündnis für Abschiebestopp in Konstanz bezeichnete die Bundesstraße 31 am nördlichen Ufer des Bodensees als Lebensader des größten Waffennetzwerks in der Bundesrepublik. Zwar liefere Deutschland direkt keine Waffen an Bürgerkriegsländer, doch auf Umwegen gelangten diese eben doch oft in Krisengebiete. „Rüstung tötet“, sagte Lothar Höfler vom Verein „Keine Waffen am Bodensee“. Er sieht jeden Mitarbeiter eines Rüstungskonzerns in der Verantwortung, vom Chef bis zum Gabelstaplerfahrer. Denn deren Wohlstand beruhe auf Gewinnen, die mit dem Geschäft des Todes, der Zerstörung und des Elends gemacht würden. Thomas Ndindah, der aus Jena angereist war, begrüßte zwar humanitäre Hilfen für Flüchtlinge, hielt es aber für sinnvoller, die Fluchtursachen zu bekämpfen.
Gestern demonstrierten die Aktivisten in Überlingen. Am Vormittag fanden sich knapp 100 vor den Toren der Firma Diehl Defence Holding ein. Anschließend marschierten sie mit Polizeieskorte auf den Landungsplatz. Dort verfolgten 130 teils verkleidete Aktivisten die Kundgebung. Einige Passanten hörten den Rednern, die erneut massive Kritik an den Waffenexporten äußerten, zu. Mit dabei waren auch Flüchtlinge, die in Überlingen leben.
Nach der Kundgebung auf dem Landungsplatz machte sich ein Zug von 70 Personen auf und marschierte über die Uferpromenade bis zum Flüchtlingsheim in Goldbach, wo am Abend eine sogenannte „Soliparty für Geflüchtete“ auf dem Programm stand. Die Abschlusskundgebung ist heute um 14 Uhr auf der Marktstätte in Konstanz.
Aus: Ausgabe vom 19.08.2015, Seite 2 / Inland
»Deutschland heizt mit die Konflikte an«
Flüchtlinge protestieren gegen die deutsche Rüstungsindustrie. Ein Gespräch mit Rex Osa
Interview: Gitta Düperthal
https://www.jungewelt.de/2015/08-19/048.php
Rex Osa, 42 Jahre alt, ist 2005 aus Nigeria nach Deutschland geflüchtet und seither in der Flüchtlingsbewegung aktiv, zunächst bei »The Voice« in Jena, dann im Stuttgarter Verein »Flüchtlinge für Flüchtlinge«
Unter dem Slogan »Fluchtursachen bekämpfen, Waffenexporte stoppen« rufen Selbsthilfeorganisationen von Flüchtlingen, deren Unterstützer und Friedensinitiativen von Donnerstag bis Samstag zu Aktionstagen am Bodensee auf – warum ausgerechnet dort?
Der Krieg beginnt am Bodensee. In den idyllischen Städten lautet das Motto, »das Wohl der Allgemeinheit in den Mittelpunkt zu stellen«. Davon kann aber keine Rede sein: Die Bundesstraße 31, welche am Ufer des Bodensees entlangführt, ist Heimat der größten Zusammenballung von Waffenschmieden in Deutschland. Rüstungsprodukte von dort gehen in alle Welt – nicht selten an beide Seiten eines Konfliktes. Zur Spitzengruppe weltweiter Produzenten, insbesondere von Panzern, Kriegsschiffen, U-Booten und anderem schweren Kriegsgerät, gehören Rheinmetall in Stockach, Diehl in Überlingen, Airbus in Immenstaad, Krauss-Maffei-Wegmann mit seiner Tochterfirma ATM in Konstanz sowie Mowag in Kreuzlingen. Am Donnerstag und Freitag werden wir vor Rüstungsfirmen und ihren Zulieferbetrieben in Konstanz, Kreuzlingen und Überlingen protestieren. Ausgangspunkt wird das Camp auf dem Konstanzer Chérisy-Areal sein, wo Workshops und Vorträge stattfinden.
Weshalb engagieren sich neuerlich Flüchtlinge in dieser Sache?
Deutschland heizt mit Waffenlieferungen und Kampfeinsätzen innerhalb des NATO-Bündnisses die Konflikte an; geht aber zugleich offensiv gegen die selbst mit ausgelösten Fluchtbewegungen vor. Die tatsächliche Ausfuhr deutscher Kriegswaffen verdoppelte sich 2014 im Vergleich zum Jahr davor auf 1,823 Milliarden Euro. Die Bundesregierung genehmigte etwa im Sommer 2011 den Verkauf von 200 »Leopard 2«-Kampfpanzern der Firma Krauss-Maffei-Wegmann an das die Menschenrechte verletzende Regime in Saudi-Arabien. Dies ist nur ein Beispiel, wie deutsche Waffen in Krisenregionen gelangen und gewaltsame Konflikte befeuern.
Flüchtlingsorganisationen haben sich in der Vergangenheit für einen Abschiebestopp eingesetzt, für die Schließung von Lagern, gegen Sondergesetze für Flüchtlinge und den Rassismus der Behörden. Wieso ändern Sie jetzt die Stoßrichtung, um gegen die Fluchtursachen vorzugehen?
Wir haben lange für diese Ziele gekämpft, damit Geflüchtete würdig aufgenommen werden. Nun gibt es in Deutschland eine antirassistische Bewegung; Ehrenamtliche bringen Kleidung, Nahrungsmittel, setzen sich für humanitäre Bedingungen ein. Sie tun sich aber noch schwer damit, wenn wir die Proteste auf die politische Ebene heben und gegen die deutsche Regierung und die hiesige Rüstungsindustrie wenden; sie sehen Probleme oft nur in den Herkunftsländern. Pro Asyl will sich beispielsweise nicht gegen die Fluchtursachen wehren, weil nicht in ihrer Satzung steht, dass sie gegen die Rüstungsindustrie sind. Das hilft uns aber nicht. Insofern wäre es gut, wenn Menschen, die keine Zeit haben, jetzt an Protesten teilzunehmen, unsere Debatte jeweils bei sich am Ort aufnehmen. Spenden für Flüchtlinge helfen, damit sie anreisen können. So können sie Organisationen wie »The Voice Refugee Forum«, »The Caravan«, »Flüchtlinge für Flüchtlinge«, »Aktionsbündnis Abschiebestopp Konstanz« unterstützen. Mit dabei sind unter anderem Organisationen wie: »Keine Waffen vom Bodensee«, Friedensinitiative Konstanz, Die Linke Konstanz, Rote Hilfe Konstanz, Die Falken Konstanz, »Europäisches BürgerInnen Forum«, Grüne Hochschulgruppe Konstanz, Asta Uni Konstanz, ATTAC Bodensee.
Wieso führen jetzt die Flüchtlinge die Debatte, gegen Fluchtursachen anzugehen, obwohl doch die Bedingungen ihrer Unterbringung hierzulande immer schlechter werden?
In der Tat, immer mehr Menschen fürchten, in Deutschland in Containern und Zelten dahinvegetieren zu müssen. Der Hass nimmt zu, Brände werden in Flüchtlingsunterkünften gelegt. Ich selber bin jetzt zehn Jahre hier, werde aber nicht akzeptiert. Wir würden gern in unsere Herkunftsländer zurück, aber es geht nicht: In einigen Ländern herrscht Krieg, in anderen Terror; in meiner Heimat Nigeria bekämpfen islamistische Extremisten wie »Boko Haram« die Zivilbevölkerung – mit Waffen, vielfach aus Deutschland geliefert. Die CDU-SPD-Bundesregierung muss Verantwortung übernehmen, deutschen Konzernen mit ihrer Profitgier Einhalt gebieten; auch mit veränderter Klimapolitik. Die jetzige stellt ebenfalls für viele Menschen ein Fluchtgrund dar. Wir müssen jetzt die Stoßrichtung ändern.
https://refugees4refugees.wordpress.com/
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Flüchtling über deutsche Waffenindustrie - „Ihre Fabriken verursachen Flucht“ (Taz press)
Rex Osa floh aus Nigeria. Am Bodensee demonstriert er gegen die hiesige Rüstungsindustrie. Deren Waffen unterstützten das Regime.
Bei einem Waffenhersteller. Ein Mann setzt eine Pistole zusammen.
Mehrere Kundgebungen geplant: vor den Waffenfabriken von Diehl in Überlingen, Movag in Kreuzlingen und ATM in Konstanz. Foto: imago/Christian Thiel
taz: Herr Osa, Sie sind Flüchtling aus Nigeria. Am Wochenende organisieren Sie Aktionstage gegen die deutsche Waffenindustrie. Was hat die mit Ihrer Flucht zu tun?
Rex Osa: Gäbe es in meinem Land keine Waffen, könnte ich die Politik als Oppositioneller herausfordern. So kann ich das nicht. Die Waffenproduzenten stützen korrupte Regime und damit Ausbeutung und Ausplünderung, das hat in Nigeria eine lange Geschichte. Aktuelle droht Krieg mit Boko Haram. Woher stammen all die Waffen, die die Dschihadisten haben? Nigeria produziert keine. Unsere Botschaft ist: Wer Instrumente der Gewalt produziert oder die Wirtschaft eines Landes ausbeutet, erntet Flüchtlinge. Das werden wir auf unser Front-Transparent schreiben.
Was planen Sie während dieser Aktionstage?
Wir werden vor den Waffenfabriken von Diehl in Überlingen, Movag in Kreuzlingen und ATM in Konstanz Kundgebungen machen. Und dann werden wir in die Städte gehen und auch den Leuten dort sagen, dass ihre Fabriken Flucht verursachen. Uns geht es dabei vor allem um die Bigotterie der sogenannten Flüchtlingshelfer.
Wissen Sie, wohin die Waffen dieser Unternehmen exportiert werden?
Panzerfahrzeuge von Mowag gehen etwa an Saudi-Arabien, dessen Soldaten daraus auf die Demonstranten in Bahrain geschossen haben. Außerdem werden sie weltweit von den USA und von der Bundeswehr in Afghanistan eingesetzt. ATM stellt Computer und Software für die KMW-Panzer wie den Leopard 2 her. Die wurden etwa an Katar und die Türkei geliefert. Diehl ist an Bau und Vermarktung der Predator-Drohne beteiligt, mit der die USA unter anderem in Afghanistan, Pakistan, Irak, Libyen und Jemen hunderte Menschen getötet haben. Seine Lenkflugkörper und Munition gehen unter anderem nach Saudi Arabien, Ägypten und die Türkei. Doch das ist nur ein Thema. Uns geht es insbesondere auch um die Bigotterie der so genannten Flüchtlingshelfer.
Inwiefern?
Uns passt die Richtung der Hilfe nicht, die immer mehr in Mode kommt. Die Fluchtursachen werden nicht thematisiert. Die Leute leisten humanitäre Hilfe, oft ohne darüber nachzudenken, dass sie auch Ursache des Problems sind.
im Interview:
Rex Osa Foto: imago/Christian Ditsch
42, stammt aus Nigeria und floh 2005 nach Deutschland. Er lebt in Schwäbisch Gmünd und ist aktiv beim bundesweiten The Voice Refugee Forum. Außerdem ist er Bewegungsarbeiter der Verdener Bewegungsstiftung.
Nicht jeder, der ehrenamtlich im Flüchtlingsheim hilft, arbeitet beim Panzerbauer.
Das ist nicht der Punkt. 80 Prozent der Steuereinnahmen der Stadt Überlingen stammen von Diehl. Gleichzeitig gibt es dort 200 ehrenamtliche HelferInnen. Die wollen wir mit den Rüstungsexportstrukturen konfrontieren. Die meisten kennen das Problem ja durchaus, aber statt etwas dagegen zu tun, wollen sie lieber ein bisschen Flüchtlingen helfen. Sie wollen ausdrücklich unpolitisch sein. Das geht dann so weit, dass ein Mensch von der Caritas Sätze sagt wie: „Unsere Flüchtlinge brauchen ihre Ruhe.“ Nein, brauchen wir nicht. Die Leute sollen lieber dafür sorgen, dass aus ihren Städten nicht so viele Waffen exportiert werden. Wir wollen durch unsere Aktion mit vielen ehrenamtlichen Helfern darüber ins Gespräch kommen.
Die Lage in vielen Flüchtlingsheimen ist desolat. Wollen Sie ernsthaft, dass dort nicht mehr geholfen wird?
Wir wollen, dass die Leute mit uns sprechen und uns bestimmen lassen, was Hilfe für uns bedeutet. Die Friedensbewegung hat eine Kampagne, sie heißt „Der Krieg beginnt am Bodensee“, wegen der extrem hohen Dichte an Rüstungsfirmen dort. Wir finden, dass das ein zutreffender Satz ist und wir erwarten, dass Leute, die Flüchtlingen helfen wollen, sich das klarmachen. Wenn sie das nicht tun, handeln sie paternalistisch. Sie halten uns in der Rolle der Opfer. Wir sitzen im Heim und müssen ihre Hilfe annehmen. Das wollen wir nicht. Wir wollen die Strukturen bekämpfen, wegen derer wir fliehen mussten. Alles andere ist keine Lösung.
Ein Großteil der Flüchtlinge flieht aktuell vor Konflikten, in denen deutsche Waffen wohl keine besondere Rolle spielen, etwa Syrien oder Eritrea.
Deutschland ist unser Referenzpunkt, denn wir sind hier. Und deswegen skandalisieren wir die Dinge hier. Wir wissen, warum wir fliehen mussten, und wir sehen, wie wir behandelt werden. Es geht hier nicht direkt um Syrien, aber sehr wohl stellvertretend um die Gesamtheit der Flüchtlinge.
Haben Sie die Kundgebungen angemeldet?
Ja.
Gab es Schwierigkeiten?
Nein. Die Behörden waren bislang kooperativ.
http://www.taz.de/!5222868/