Von Susan Bonath
Wie starb Oury Jalloh? Vier internationale Gutachter aus Großbritannien und Kanada halten es für wahrscheinlich, dass dritte am 7. Januar 2005 das tödliche Feuer in einer Dessauer Polizeizelle gelegt hatten. Im Auftrag der Initiative »In Gedenken an Oury Jalloh« haben sie seinen Tod untersucht und ihre Ergebnisse am Dienstag vorgestellt. Ihr Fazit: Das erhebliche Ausmaß des Feuers bei geringer Brandlast, bestehend nur aus Matratze und bekleidetem Körper, spreche für den Einsatz von Brandbeschleunigern. Wahrscheinlich sei auch eine Zufuhr von Sauerstoff durch die geöffnete Zellentür.
Alle Experten klagten zunächst über die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau. Die mit den Ermittlungen betraute Behörde habe sie nur unzureichend mit angeforderten Asservaten beliefert. Außerdem sei offenbar vieles gar nicht untersucht worden, was bei einem möglichen Kapitalverbrechen zwingend gewesen wäre. Die in Guinea lebende Familie des Toten ließ unterdessen ausrichten, sie werde Strafanzeige gegen die Staatsanwaltschaft stellen. Diese habe zwar ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Sie halte aber Informationen gegenüber ihren Anwälten zurück und führe die Öffentlichkeit permanent in die Irre.
Die britischen Brandsachverständigen Iain Peck und Emma Wilson bemängelten eine mangelnde Spurensicherung schon am Tatort. Die Ermittler hätten zwar bekanntgegeben, das vermeintliche Selbstmordfeuerzeug habe unter der Leiche gelegen. Tatsächlich gebe es dafür aber nicht einen Beweis, etwa Foto- oder Filmmaterial. Spuren aus der Zelle fehlten an dem Utensil völlig, so wie auch umgekehrt nichts darauf hinweise, dass ein Feuerzeug auf oder an der Matratze verbrannte. Ferner, so Peck, zeige ein früheres Gutachten, dass sich das Feuer nur mit abgetrennter Matratzenhülle über die gesamte Fläche hätte ausbreiten können. Dass die Ermittler bei einer Untersuchung kurz nach der Tat keinen Brandbeschleuniger fanden, wie sie behaupten, habe die Staatsanwaltschaft nicht mit entsprechenden Laborwerten belegen können. »Es ist auch so, dass diese Mittel bei einem extremen 30minütigen Brand vollständig verbrennen und nicht mehr nachgewiesen werden können«, sagte er.
Auch ein forensischer Toxikologe aus Kanada, Alfredo Walker, und der britische Rechtsmediziner Michael Scott schätzten die Wahrscheinlichkeit als hoch ein, dass eventuelle Brandbeschleuniger verdampften oder beim Löschvorgang mit Wasser weggespült wurden. Außerdem stellte sich heraus, dass sie offenbar von der Staatsanwaltschaft »Beweisfotos« aus der Akte zum Begutachten erhalten hatten, auf denen die Speiseröhre des Opfers abgebildet war. Diese war jedoch als »Luftröhre« ausgewiesen. In letzterer sollen Rußpartikel gefunden worden sein, die davon zeugten, dass das Opfer beim Brandausbruch noch gelebt hatte. Fehlendes Kohlenmonoxid im Blut zeugt jedoch von einem raschen Tod. »Wenn hier von Ruß in der Lunge die Rede ist, das alles irgendwo geschrieben steht, aber nicht belegt ist, wenn dann auch noch die Speiseröhre als Luftröhre deklariert wird, dann kann ich nichts mehr glauben«, sagte der frühere Cheftoxikologe des Züricher Instituts für Rechtsmedizin Peter Iten gegenüber jW. Für ihn weist der Befund auf einen »typischen NO-CO-Brand« hin. »Dieser kommt vor, wenn sich jemand mit Benzin übergießt, das Zeug auch schluckt, sich dann anzündet und sofort an einem Atemstillstand durch extreme Hitze stirbt«, erklärte er.
Staatsanwalt Olaf Braun, der von seinem Kollegen Christian Preissner das Todesermittlungsverfahren kürzlich übernommen hat, äußerte sich nicht zu den Vorwürfen. »Ich bin erst neu mit dem Fall betraut worden«, begründete Braun, der auch bei der Freiwilligen Feuerwehr Dessau-Roßlau aktiv ist. Tatsächlich begleitete der Staatsanwalt schon 2011/2012 einen Gerichtsprozess im Fall Jalloh und war bei der Präsentation eines Brandgutachtens anwesend.