No-Go-Area Kirchenallee
Im Internet kursieren Fotos von einer Festnahme vor dem Hauptbahnhof: Vier Polizisten und ein S-Bahn-Wachmann halten einen Schwarzen am Boden. Alles ganz normal, sagt die Polizei
VON DANIEL WIESE
Lars S. kam zufällig vorbei, als er am Mittwoch vor dem Hauptbahnhof Zeuge einer Verhaftung wurde. Der Verhaftete, ein Schwarzer, sei von zwei Polizeibeamten aufgefordert worden, seine Papiere zu zeigen, berichtet Lars S., habe sich aber geweigert und gerufen: "Ich habe keine Papiere!" Was dann geschah, beschreibt der Zeuge so: "Er ist ein bisschen theatralisch geworden, hat sich auf den Boden geworfen und wiederholt, Allah' gerufen."
Die Polizeibeamten reagierten prompt. Sie riefen Verstärkung herbei und fixierten den Mann, indem sie ihm die Knie in den Nacken drückten und seine Hände überdehnten. "Das waren Szenen, die man sonst nur von Demos kennt", sagt Lars S., der den Vorgang mit seinem Mobiltelefon fotografierte. Die Fotos und seinen Bericht veröffentlichte er auf der Internetplattform indymedia.org, wo der Beitrag eine kontroverse Diskussion auslöste. "Manoman, wie einige Leute hier die Realität wahrnehmen, ist echt grauenhaft! Es wurde etwas beobachtet, was mit Gewalt zu tun hatte. Was war die Vorgeschichte??? Es weiß niemand!", schreibt ein Nutzer der Seite. Ein anderer meint dagegen: "Es geht um die Tatsache, dass diese doofen Bullenschweine sich brutal zu fünft (oder so) auf ihn gestürzt haben und ihn demütigten."
Die Polizei teilt zu dem Vorgang mit, dass Beamte beobachtet hätten, wie der Schwarze sich mit einer Frau gestritten habe. Auf die Aufforderung hin, sich auszuweisen, sei er aggressiv geworden und habe die Beamten geschubst. Darauf hin sei er festgenommen worden. Bei der Überprüfung der Personalien auf der nächsten Polizeiwache habe er sich weiter gewehrt und einen Polizisten am Ellbogen verletzt. Wie sich herausstellte, habe der 21-Jährige als Asylbewerber gegen das Aufenthaltsrecht verstoßen: Er hätte den "kleinen Ort irgendwo in Mecklenburg" nicht verlassen dürfen, in dem er untergebracht war. Nun werde ein Verfahren eingeleitet, unter anderem wegen "Verdachts des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte".
Über die Vorgänge auf dem Polizeirevier kann Augenzeuge Lars S. nichts sagen. Vor dem Hauptbahnhof sei das Verhalten des Afrikaners aber "definitiv nicht als bedrohlich einzustufen" gewesen. Auf jeden Fall habe es keinen Grund für die Beamten gegeben, Verstärkung herbeizurufen.
Unter den uniformierten Kräften, die den Schwarzen am Boden hielten, waren auch Wachleute der Hamburger S-Bahn. Die genießt derzeit keinen sonderlich guten Ruf: Erst in der vergangenen Woche hatte die Mopo unter der Überschrift "Neo-Nazis in Hamburgs S-Bahn-Wache" von einem Wachmann berichtet, der nach Angaben von Kollegen gelegentlich "Affenlaute ausstößt", wenn er einem afrikanischen Fahrgast begegne. Ein Ex-Wachmann wurde mit den Worten zitiert: "Ich habe oft erlebt, dass Menschen mit anderer Hautfarbe als ,Neger', ,Kaffa' oder ,Kanacke' beleidigt wurden." Jüngere Afrikaner seien als Drogendealer abgestempelt und entsprechend behandelt worden.
Im aktuellen Fall ging die Initiative allerdings nicht von der
S-Bahn-Wache aus, sagt die Pressesprecherin der Polizei. Die Wachleute seien lediglich "dazugekommen".
taz Nord Nr. 8191 vom 2.2.2007, Seite 24, 108 TAZ-Bericht DANIEL WIESE,
Artikel nur in taz-Teilauflage