Mamadou Alpha Balde vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen
Am Freitag, den 07.02.2020, wurde der RefugeeBlackBox Community Akivist Mamadou Alpha Balde vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen. Ihm war vorgeworfen worden, eine andere Person durch einen Schlag mit einer Bierflasche gegen den Kopf verletzt zu haben. In Gegendarstellungen wurde der Vorfall grundlegend anders beschrieben, demnach seien der Angeklagte und seine Begleiter von einer Gruppe weißer Menschen übel rassistisch beleidigt worden, eine körperliche Auseinandersetzung habe nicht stattgefunden. Der erste Verhandlungstag
fand bereits am 20.01.2020 im Amtsgericht Stadtroda statt.
Gleich zu Beginn des Prozesses fiel auf, dass die Verständigung zwischen der Dolmetscherin und dem Angeklagten schleppend und nicht fehlerfrei verlief. Das Französisch der Dolmetscherin schien holperig, wodurch sie mehrfach Schwierigkeiten hatte den Angeklagten zu verstehen. Häufiges
Rückfragen von Seiten der Dolmetscherin wirkte sich potenziell negativ auf die eigentlich klare Ausdrucksweise des Angeklagten aus und konnte somit den Eindruck von Unglaubwürdigkeit verschaffen. Vor diesem Hintergund erscheint die vor dem Prozess eingeholte Rückversicherung durch die Dolmetscherin, ob der Angeklagte und weitere Zeugen auch lang genug die Schule besucht hätten und über entsprechende Französischkenntnisse verfügen würden, umso absurder.
Der erste Zeuge war ein Polizist, der angab einen Schlag mit einer Bierflasche beobachtet zu haben. Er beschrieb zwei Gruppen, die vor der Zapata-Bar in Jena aufeinandertrafen als „augenscheinlich Deutsche“ und „Afrikaner“. Ab diesem Zeitpunkt im Verfahren übernahmen die Richterin
und auch der Staatsanwalt diese Bezeichnung zur Unterscheidung der beiden Gruppen. Der Zeuge gab an, dass der Angeklagte und seine Freunde schwer zu unterscheiden gewesen seien, die Richterin bekräftigte dieses Narrativ in ihren Nachfragen mit der Aussage, dass es für „uns“ ja
allgemein sehr schwierig sei, „die zu unterscheiden“. Der Polizist gab allerdings an, den Angeklagten anhand seiner Kleidung identifiziert zu haben und beteuerte auf Nachfrage der Richterin, dass hierbei keine Fehler möglich seien. Zur vorgeworfenen Tat gab der Polizist an, dass er gesehen habe wie die Flasche am Kopf des vermeintlich Geschädigten zerschellt sei, es sei allerdings zu keinerlei Verletzungen gekommen. Im Anschluss an die Auseinandersetzung habe die Polizei die einzelnen Personen befragt, wobei der Angeklagte und seine Freunde nicht befragt wurden, weil Verständigungsprobleme zu erwarten gewesen sein (alle aus der Gruppe, die am Prozess beteiligt waren sprachen gutes Deutsch. Einer von Ihnen machte sogar seine komplette Aussage auf Deutsch).
Keiner der weiteren Zeugen gab an, die angebliche Körperverletzung beobachtet zu haben – obwohl Zeugen beider Gruppen aussagten. Auffällig war auch, dass der vermeintlich Geschädigte zum ersten Prozesstag gar nicht erschien und zum zweiten von der Polizei vorgeführt werden musste.
Er gab sodann an, keinerlei Erinnerung an den Vorfall zu haben, da er alkoholisiert gewesen sei.
Der Angeklagte und seine Begleiter sagten alle aus, dass sie von der Gruppe vor dem Zapata mehrfach rassistisch beleidigt wurden, woraufhin sie sich verbal verteidigt hätten. Ein Zeuge, der als Unbeteiligter zufällig am Zapata vorbeikam, bestätigte die rassistischen Beleidigungen. Darüber hinaus gab er zu bedenken, dass die Polizei erst an den Ort des Geschehens kam, als sich die Lage ohnehin schon beruhigt hatte. In Anbetracht dieser Aussage wirkt die Anschuldigung des Flaschenschlags, den einzig der Polizist beobachtet haben will, umso fragwürdiger. Staatsanwalt, Verteidigung und letztendlich auch die Richterin erklärten, dass die Beweislage unklar sei, weshalb es zu dem Freispruch kam. Bei der Beobachtung des Prozesses fiel uns auf, dass die Akteur*innen aus der Justiz den von mehreren Zeugen bestätigten rassistischen Übergriff weder thematisierten noch juristisch verfolgten oder zumindest empathisch darauf eingingen. Weder die rassistischen Beleidigungen noch eine mögliche Falschaussage des Polizisten werden weitergehend verfolgt, wie auf Nachfrage aus dem Publikum nach Prozessende bestätigt wurde. Hinsichtlich der Beleidigungen verwies der Staatsanwalt darauf, dass diese in einem anderen Verfahren zu bearbeiten wären, von einem solchen habe er keine Kenntnis.
Zu bedenken sei, dass Beleidigungen aber auch nur auf Strafantrag des*der Beleidigten verfolgt werden. Wir waren u.a. schockiert 1.) ob des rassistischen Sprachgebrauchs, durch den die beiden Gruppen im Prozess unterschieden wurden, 2.) von den offensichtlichen Nachteilen, denen der Angeklagte durch die mangelhafte Sprachmittlung im Prozess unterlag, 3.) wie der offensichtlich rassistische Vorfall durch den Gang des Verfahrens und das Verhalten der Justiz-Akteur*innen entpolitisiert wurde, 4.) darüber, wie unkritisch das Gericht mit der Erkenntnis umging, dass der gesamte Prozess nur wegen einer inzwischen widerlegten Aussage eines Polizeibeamten stattfinden musste und ein Unschuldiger so zum potentiell gefährlichen Gewalttäter stilisiert werden konnte.
Trotz einem außer Frage richtigen Freispruch waren wir schockiert mitzuerleben, wie der Raum der Gerichtsverhandlung zu einem strukturell und individuell rassistischen Raum gemacht wurde. Geradezu sinnbildlich dafür steht, dass die Richterin zunächst vergaß, dem Angeschuldigten
sein Recht auf das letzte Wort zu gewähren.
Jena Bericht von Refugee Law Clinic RLC und Abeitskreis kritischer Juristinnen AKJ
Solidarität beim Prozess gegen RBB Aktivist Mamadou Alpha Balde fand am 20.01.2020
https://thevoiceforum.org/node/4713