Asylum Airlines
Abschiebung als Geschäftsidee
VON MATTHIAS THIEME
Heinz Berger hat viel darüber nachgedacht, wie man abgelehnteAsylbewerber in großen Gruppen aus Europa heraus bringen kann. Derösterreichische Manager hat eine Lösung gefunden und zusammen mit demösterreichischen Rechtsanwalt Hermann Heller und dem"Luftfahrtexperten" Carl Julius Wagner ein Geschäftsmodell darausgemacht: eine Fluggesellschaft nur für Abschiebungen. "Asylum Airlines".
"DiesesUnternehmen wird mit eigenen Flugzeugen diese Dienstleistungdurchführen und Schüblinge in das entsprechende Ziellandtransportieren", sagt Berger der FR. Mit speziell ausgestattetenFlugzeugen, in denen möglichst viele Flüchtlinge von möglichst wenigenBeamten kontrolliert werden können. "Man kann die Leute nicht in Käfigestecken, verkleben oder fesseln", meint Berger. Bei Asylum Airlineswerde es zivilisiert zugehen. Denkbar seien Polsterungen und "Bügel wievon Sesselliften", die die Flüchtlinge im Sitz fixieren. "Das hemmtnicht die Bewegungsfreiheit, aber das Randalieren stellt man ab."
Derzeitermittelt Berger die potenziellen "Stückzahlen", wie er sagt. DieFluggesellschaft sei "in Gründung". Bei Regierungsbehördenverschiedener europäischer Länder versucht er Angaben über die Zahl derAbschiebefälle zu bekommen und bietet seine Airline als Problemlösungan. "Damit könnten die Regierungen sehr viel Geld sparen", sagt Berger.Derzeit müssten immer zwei Bewacher mit einem "Schübling" mitfliegen."Dieses Verhältnis können wir umdrehen." An seiner Idee gebe es "hohesInteresse aus dem gesamten EU-Raum", so Berger.
Tatsächlichmühen sich die europäischen Länder derzeit aus Kostengründen,grenzübergreifende Sammelabschiebungen zu organisieren. "Deutschlandbeteiligt sich regelmäßig - je nach Bedarf - an Flügen anderereuropäischer Staaten und hat in der Vergangenheit auch schon Flügeselbst organisiert", teilt das Bundesinnenministerium auf FR-Anfragemit. Die Flüge würden nach dem "leading country"- Prinzip organisiert:Das Land, das den Flug initiiere, übernehme sowohl die inländischePlanung als auch die Koordination der ausländischen Partner.
ImFlugzeug bewachen Polizisten der europäischen Länder jeweils dieFlüchtlinge ihres Landes. Da für jeden Flüchtling zwei Beamtemitreisen,sind nach FR-Informationen bei manchen Flügen an die 100Beamte dabei. Auch Ärzte und Einsatzleiter fliegen mit.
DasVerfahren werfe grundlegende Fragen auf, kritisiert Pro Asyl. So seivöllig ungeklärt, auf welcher Rechtsgrundlage die Beamten im Flugzeugihren Dienst versähen. Auch wie viel Gewalt angewendet werden dürfe,sei in den europäischen Ländern unterschiedlich geregelt. "Das Schlimmeist, dass diese Flüge in aller Heimlichkeit und mit großer Brutalitätstattfinden", sagt Conni Gunzer vom Hamburger Flüchtlingsrat. "Um dieFlugzeuge vollzukriegen, werden die Menschen willkürlichzusammengekarrt."
Noch gibt es keine rein auf Abschiebungspezialisierte Fluglinie. "In Deutschland wird ein Makler damitbeauftragt, das günstigste Fluggerät zu ermitteln", so dasInnenministerium. Die Abschiebung werde "vom Initiator vorfinanziert",der die Kosten dann umlege. Auch in Zukunft seien solche Flüge geplant."Seitens der europäischen Partner kommen mehrmals pro Jahr Angebote zurTeilnahme an Flügen, die auch durch die europäische GrenzschutzagenturFrontex den Mitgliedstaaten bekannt gegeben werden."
Ein zuumständliches Verfahren, meint Berger. Seine Asylum Airlines werdeAbzuschiebende "am einen Tag nach Nigeria, am anderen Tag nachPakistan" bringen. Man werde Flugzeuge mit großer Reichweite kaufen, umdie Zahl der Zwischenlandungen gering zu halten. Wie viele Flugzeuge,"hängt von der Stückzahl ab". Der "Stückzahl" der Menschen.
BeiAsylum Airlines geht es sogar "mit Catering" zurück. Ein Essen mitMesser und Gabel kann er den "Schüblingen" aus Sicherheitsgründen abernicht anbieten. "Dann gibt es halt irgendwelche Brote", meint Berger."In sechs Stunden verhungert ja niemand."
Frankfurter Rundschau, 22.03.2008
URL: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1307371