Sozialistische Tageszeitung • Dienstag, 29. April 2008
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28.04.2008
Wände aus Karton
Klagen über Missstände im thüringischen Asylbewerberheim Katzhütte
Von Anke Engelmann
Schimmelbefall, undichte Dächer und Schikanen durch die Heimleitung – die Liste der Beschwerden von Asylbewerbern über das Flüchtlingsheim Katzhütte ist lang. Flüchtlingsinitiativen fordern jetzt die Verantwortlichen für die Missstände zur Verantwortung zu ziehen.
Die Forderungen des Flüchtlingsnetzwerks »The Voice Refugee Forum« aus Jena sind deutlich: Die Initiative fordert die Auflösung aller Heime für Asylbewerber und die Unterbringung von Flüchtlingen in unabhängigen und privaten Wohnungen. Anlass waren die unlängst bekannt gewordenen Zustände im Asylbewerberheim in Katzhütte unweit von Saalfeld. Die Initiative werde dessen Betreiber wegen Körperverletzung verklagen und eine Dienstaufsichtsbeschwerde an das Jugendamt richten, kündigte Thomas Ndindah von »The Voice« Jena an. Auf einer Demonstration Ende letzter Woche in Saalfeld, verliehen die 150 Teilnehmer diesen Forderungen noch einmal Nachdruck.
Im Februar hatten sich 20 der seinerzeit 88 Bewohner an die Öffentlichkeit gewandt und die Zustände in dem Heim angeprangert. Von Schimmelbefall war die Rede, von undichten Dächern, von Schikanen durch die Heimleiterin, von Erkältungskrankheiten, weil der Weg zu Gemeinschaftsküche und den Duschen in dem ehemaligen DDR-Ferienlager etwa 300 Meter betrage – im Freien. Sommers wie Winters lebten die Bewohner in schlecht isolierten Bungalows aus Karton und Faserplatten, die eigentlich nur für die warme Jahreszeit gebaut waren. Die Flüchtlinge beklagten ihre Isolation in dem kleinen Ort, dass sie mit ihren Gutscheinen im örtlichen Supermarkt nicht preisgünstig einkaufen könnten, kaum Bargeld zur Verfügung hätten, um die Kinder in Saalfeld zum Arzt zu bringen und dass immer wieder Warmwasser abgestellt und Kühlschrank und Elektroheizer durch die Heimleiterin konfisziert würden.
Nach einem Ortstermin hatte Landrätin Marion Philipp Abhilfe zumindest der baulichen Mängel zugesagt. Ende April sollten die Schäden beseitigt sein. Inzwischen sei die Außensanierung der Bungalows abgeschlossen, teilte das Landratsamt mit. Die Eigentümerin, die Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen, hatte 3000 Euro für Wärmedämmung und Schimmelbeseitigung bereitgestellt. Für eine fachgerechte Ausführung der Arbeiten schien das Geld allerdings zu knapp: Mit der Schimmelbeseitigung wurde keine Fachfirma beauftragt, sondern die Arbeiten von Mitarbeitern des Landratsamtes durchgeführt, so Amtssprecher Peter Lahann auf Nachfrage. Ndindah fürchtet, dass der Schimmel einfach überpinselt wird. Derzeit würden zudem die Bewohner unter Druck gesetzt, einen Antrag auf Umsetzung zu unterzeichnen – wohl um Unruhestifter zu entfernen. Um Asylbewerber woanders unterzubringen, seien solche Formalitäten nicht nötig, erläutert Ndindah.
Eine Schließung des Heimes stehe nicht zur Debatte, sagte Lahann. Man hofft wohl eher, dass sich das Problem ganz von allein lösen könnte. Im Heim leben jetzt noch 84 Menschen, davon 11 Minderjährige. 70 Prozent von ihnen seien ausreisepflichtig, so das Amt. Auch dem Sprecher der Heimbewohner, dem Palästinenser Mohammed Sbaih, droht die Abschiebung.
Umso wichtiger sind Initiativen wie »The Voice«. Am Wochenende veranstaltete das Netzwerk deshalb in Jena ein Treffen, bei dem Flüchtlinge aus Thüringen, Bayern, Niedersachsen und Sachsen, ihre Anwälte sowie Unterstützer zu Wort kamen.