Länderreport 08.08.2008 · 13:07 Uhr
Justitia-Statue: Das Gericht von Dessau-Rosslau soll im Fall Jalloh Recht sprechen. (Bild: AP) Justitia-Statue: Das Gericht von Dessau-Rosslau soll im Fall Jalloh Recht sprechen. (Bild: AP)
Der Prozess
Warum verbrannte Oury Jalloh?
Von Susanne Arlt
Seit einem Jahr - Prozessbeginn war der 27. März 2007 - beschäftigt sich das Landgericht Dessau-Rosslau mit dem qualvollen Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh. Der 21-jährige Mann aus Sierra Leone war am 7. Januar 2005 aus bislang ungeklärten Umständen in einer Polizeizelle verbrannt.
Es zog sich lange hin, bis das Gericht die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft überhaupt zuließ, und es zum Prozess kam. Angesetzt waren nur sechs Prozesstage, doch Zeugen widerriefen ihre Aussagen, widersprachen sich. Dem Richter platzte irgendwann der Kragen. Er sagte öffentlich, er werde den Prozess in Grund und Boden verhandeln.
Notfalls würde er jeden Zeugen zehn Mal vorladen. 49 Prozesstage sind inzwischen avisiert. Die Fronten zwischen Migranten und den Dessauer Behörden sind trotz der intensiven Aufarbeitung des Gerichts verhärtet. Viele Afrikaner in Dessau sprechen jetzt von einem vertuschten Mord.
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Protest gegen Prozess um Tod in Dessauer Polizeizelle
Flüchtlingsinitiative The Voice. Dessau-Roßlau (epd). Über Hundert Menschen haben am 2. August in Dessau (Sachsen-Anhalt) mit einer Demonstration friedlich gegen den bisherigen Prozess zur Klärung des Todes eines Afrikaners in einer Polizeizelle protestiert.
Das Verfahren vor dem Landgericht gegen die beiden Polizisten habe sich „zu einer Farce entwickelt“, die wesentlichen Fragen zur Klärung des Todes von Oury Jalloh würden gerichtlich nicht behandelt, erklärte ein Sprecher der Flüchtlingsinitiative "The Voice". Während die Polizei am 3. August von rund 120 Demonstranten sprach, zählte die "Initiative Oury Jalloh" rund 250 Teilnehmer.
Der Flüchtling war bei einem Brand in einer Haftzelle des Dessauer Polizeireviers am 7. Januar 2005 ums Leben gekommen. Der damalige Dienstgruppenleiter Andreas S. ist wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt. Neben ihm muss sich mit Hans-Ulrich M. ein zweiter Polizeibeamter wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Der Prozess soll nach Angaben des Landgerichts Dessau-Roßlau am 18. August fortgesetzt werden. Bis Mitte Oktober sind elf Verhandlungstermine geplant.
Laut Staatsanwaltschaft wäre eine Rettung des Asylbewerbers möglich gewesen, wenn die Polizisten rechtzeitig und richtig reagiert hätten. Über die Details der Ereignisse vom Januar 2005 und den Fundort eines Feuerzeugs gibt es widersprüchliche Zeugenaussagen. Oury Jalloh war in Polizeigewahrsam gekommen, nachdem er Frauen belästigt und Widerstand gegen Polizisten geleistet haben soll. Wenig später kam er in dem Revier bei einem Feuer ums Leben, das er trotz Fixierung an einer Liege selbst entzündet haben soll. Die Flüchtlingsinitiative hatte sich im Juni wegen „zahlreicher Missstände“ aus dem Prozessgeschehen zurückgezogen. Im einzelnen wirft „The Voice“ den Polizeibeamten im Prozess „nachweisliche Falschaussagen“ und „Klüngelei“ vor. Staatsanwaltschaft und Richter wirft sie "Mutlosigkeit" vor, "Ermittlungen wegen Mordes an Oury einzuleiten“. Mit der Kundgebung sollte die Forderung „nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung“ bekräftigt werden, hieß es weiter.
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