Für ein gesichertes und dauerhaftes Aufenthaltsrecht für Herrn Aboubakar
Eisenach: Diabeteskranker Flüchtling soll abgeschoben werden; Pressemitteilung des Flüchtlingsrat Thüringen e.V.
Stellungnahme des KARAWANE-Netzwerks an das Verwaltungsgericht Gera
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Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen
Für ein gesichertes und dauerhaftes Aufenthaltsrecht für Herrn Aboubakar
Die Verhandlung findet am Donnerstag, den 5. März, ab 10.00 Uhr wird vor dem Verwaltungsgericht Gera, Hainstr. 21, 07545 Gera, Sitzungssaal 102, statt.
An: Verwaltungsgericht Gera
Hainstr. 21, 07545 Gera
Az: 4K20057/07Ge u. Az: 4E2417/08Ge9
Hamburg, 27. Februar 2009
Für ein gesichertes und dauerhaftes Aufenthaltsrecht für Herrn Aboubakar
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir sprechen uns in aller Deutlichkeit und Dringlichkeit für ein gesichertes und dauerhaftes Aufenthaltsrecht für Herrn Aboubakar Wan aus - gemäß der Internationalen Flüchtlingskonventionen, des Asylrechts und nach Gebot des universellen Geltungsanspruchs der Menschenrechte und der Unantastbarkeit der menschlichen Würde.
Herr Wan ist Opfer eines grausamen Abschnitts der jüngeren Geschichte, des zehnjährigen Diamantenkriegs in Sierra Leone, der ohne die Geschäftsinteressen der euopäischen und us-amerikanischen Rohstoffhändler, Minengesellschaften, Banker und Broker sowie des militärischen Komplexes nicht stattgefunden hätte.
Die Bestialität des Krieges, der systematische Mißbrauch von Kindern als Soldaten, die Methode der Amputation von Gliedmaßen gelangte durch die Stimmen der Flüchtlinge langsam in die europäische Öffentlichkeit. Der Begriff der „Blut-Diamanten“ wurde zum Synonym der Edelsteine aus der Region in Westafrika. Konsumenten dieses Luxusguts wollten bald lieber Steine, von denen gesagt wird, dass kein Blut an ihnen klebt. Dafür wollte man auch etwas mehr bezahlen. So wurde das lukrative Geschäft durch die Klassifizierung in zwei Sorten, „mit und ohne Blut“, fortgeführt. Als das Chaos, das Ausmaß der Zerstörung, die völlige Unkontrollierbarkeit der Lage und der wachsende Druck in der Öffentlichkeit gegen den Handel mit „Blutdiamanten“ die Geschäftslage und die Gewinnchancen schmälerte, begann über den Einsatz von UN-Truppen und Truppen der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien eine Befriedung der Lage unter der Wahrung der europäischen Geschäftsinteressen. Mit einem Sondertribunal „Sierra Leone“ wurden einige führende regionale Kriegsverbrecher verurteilt. Die Drahtzieher und Profiteure des Diamantenkriegs blieben unangetastet.
Die Gier nach dem glitzernden Stein, der seit der Kolonialzeit Europa die höchsten Gewinne bringt, hat von 1991 bis 2002 50.000 bis 200.000 Menschen in Sierra Leone und Liberia das Leben gekostet. Heute, sechs Jahre später, leidet der größte Teil der Bevölkerung unter den Folgen des Kriegs. Ausländische Konzerne und nationale Zwischenhändler kontrollieren weiterhin die Einnahmen aus den Ressourcen des Landes. Der Wiederaufbau öffentlicher Einrichtungen insbesondere in der Gesundheitsversorgung und der Bildung verläuft schleppend.
Aboubakar Wan ist ein Zeuge, Überlebender und Opfer dieses Kriegs.
Er floh vor dem Krieg. Seine Eltern waren ermordet, seine Schwester ist verschollen. In seiner Kindheit begann der Krieg, als Jugendlicher landete er schwer traumatisiert in Deutschland. Statt der schnellen Erteilung eines sichern Aufenthalts, einer psychologischen Betreuung zur Verarbeitung der Kriegserlebnisse und des Beginns einer Ausbildung, begann sein neues Leben in Deutschland mit der Ablehnung seines Rechts auf Schutz, ein Leben unter den Sanktionen der behördlichen Regelungen. Ohne Familie, ohne staatliche Unterstützung und ohne professionelle therapeutische Hilfe mußte er seine junge Persönlichkeit entwickeln – an Orten, die für Isolation und Depression stehen, wie die versteckt im Wald liegende ehemalige NVA-Kaserne in Freienbessingen. In den ersten 5 Jahren durchlief der traumatisierte Kriegsflüchtling Asyllager in Weimar, Freienbessingen, Luisenthal/Ohrdruf, Meiningen und Zella-Mehlis. 2005 erkrankte Herr Wan an Diabetes. Seitdem muß er viermal täglich Insulin spritzen. Der junge Mann musste nicht nur mit dem Verlust der Familie, der Kriegstraumatisierung, den extrem schweren Lebensbedingungen als „Geduldeter“ Flüchtling in Deutschland leben, sondern auch mit der permanenten Drohung der Abschiebung nach Sierra Leone – dem Land in dem er seine Familie und seine Zukunft verlor.
Trotz der unsäglich schweren Bedingungen hat Herr Wan in Deutschland begonnen, sich zu entwickeln und seine Zukunft zu bauen. Er hat mit den Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen, the VOICE Forum und der Karawane, Verbindung gesucht. Dort hat er einen Raum gefunden, wo menschliche Werte, Solidarität und Respekt keine leeren Worte sind, sondern als Grundlage für eine zivilisierte, soziale Gemeinschaft. Auf der lokalen Ebene ist er aktiv im thüringischen Flüchtlingszusammenschluss und der regionalen Struktur von The VOICE Forum.
Herr Aboubakar Wan hat sich bei unseren gemeinsamen Versammlungen, Treffen und Konferenzen besonders um die Betreuung und die Unterhaltung der Kinder gekümmert. Aufgrund seiner eigenen Erfahrung, der geraubten Kindheit und der gestohlenen Jugend, ist ihm der Schutz und das Wohlergehen der Kinder ein besonders Anliegen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
zu der Zeit als Herr Wan seinen Asylantrag stellte, protestierten in Hamburg Flüchtlinge aus Sierra Leone, darunter viele Jugendliche - manche, die als Kindersoldaten missbraucht worden waren - gegen die von der Hamburger Ausländerbehörde geplanten Sammelabschiebungen in die Kriegsregion. Während die Behördenleiter und eine gekaufte Botschaftsdelegation behaupteten Sierra Leone und dort mindestens die Hauptstadt Freetown seien sicher, lieferten sich britische Spezialeinheiten in der Hauptstadt schwere Kämpfe mit Rebellengruppen. Die Wut der Flüchtlinge über das Spiel mit ihrem Leben schlug nach drei Tagen Dauerprotest die Botschaftsdelegation in die Flucht. Die Pläne der Sammelabschiebung der Ausländerbehörde waren damals vorerst gescheitert. Später begannen die Ausländerbehörden erneut mit Einzelabschiebungen.
Wir führen dies hier aus, um sichtbar zu machen, dass von Beginn an den Menschen der Schutz verweigert wurde und dass man dazu auch keine Lügen gescheut hat.
Herr Wan stellte im Jahr 2000 seinen Asylantrag, dieser wurde im Mai 2001 abgelehnt. Nach seiner schweren Diabetes Erkrankung stellte Herr Wan 2006 nach § 60 Abs. 2-7 einen Antrag auf Abschiebeverbot aus humanitären Gründen. Dieser wurde 2007 abgelehnt.
Eine medizinische Versorgung mit Insulin könne für zwei Jahre über die deutsche Botschaft gesichert werden. Jeder weiß, dass Zuckerkranke von Insulin ein Leben lang abhängig sind, deshalb möchten wird dieses Argument nicht weiter kommentieren. Wir meinen, Deutschland sollte aufhören, seine Botschaften als Apotheken oder Arztpraxen zu präsentieren, um sich der Verantwortung und der Verpflichtung der Aufnahme von Flüchtlingen zu entziehen. Es ist lächerlich aber auch zutiefst inhuman. Selbst innerhalb der europäischen Gremien wird Deutschland scharf für seine ständig sinkenden Zahlen bei der Aufnahme von Flüchtlinge kritisiert.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie haben immer noch die Macht koloniales Recht zu sprechen, aber Sie müssen auch wissen, dass diese gewalttätige Macht keine Akzeptanz in den Gesellschaften der Welt erfährt.
Herr Aboubakar Wan hat Anspruch auf den Schutz und die Unversehrtheit seiner Person.
Seit Langem hat sein neues Leben in Deutschland begonnen, seit Langem wird es ihm amtlich verweigert.
Wir sprechen uns in aller Deutlichkeit und Dringlichkeit für ein gesichertes und dauerhaftes Aufenthaltsrecht für Herrn Aboubakar Wan aus.
Mit freundlichen Grüßen
i. A. Ralf Santana Lourenco
Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen
Sektion Nord / Koordinationskreis Hamburg
Tel: 0049-(0)40-43 18 90 37 * Fax: 0049-(0)40-43 18 90 38
C/o Brigittenstraße 5, 20359 Hamburg
mail: free2move{ät}nadir.org / www.thecaravan.org
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des Thüringer Flüchtlingsrates e.V.
Eisenach: Diabeteskranker Flüchtling soll abgeschoben werden Grenzen des rechtlich Zulässigem erneut überschritten?
Als völlig unverständlich und inakzeptabel bezeichnete Steffen Dittes für den Flüchtlingsrat Thüringen e.V. die Abschiebeandrohung der Ausländerbehörde Eisenach gegenüber Aboubacar Wan aus Sierra Leone.
"Die Ausländerbehörde Eisenach versucht hier wiedereinmal eine Abschiebung durchzusetzen, obwohl die Rechtssprechung in der Bundesrepublik eine solche im vorliegenden Fall ganz offensichtlich verbietet."
Aboubacar Wan leidet an Diabetes und muss viermal am Tag Insulin spritzen. Die Behörde in Eisenach rechtfertigt die Abschiebung damit, dass sie nach einer Abschiebung nach Sierra Leone zwei Jahre lang die Insulinversorgung sicherstellen würde.
"Eine solche befristete und auch vage Zusage zur Rechtfertigung einer zwangsweisen Abschiebung macht erneut deutlich, dass für die Behörde die Abschiebung wichtiger ist als die Gesundheit von Flüchtlingen.
Keinesfalls kann für Sierra Leone angenommen werden, dass Aboubacar Wan nach diesem Zeitraum die medizinische Behandlung und Medikamentation erfährt, die zum Schutz seiner Gesundheit aber notwendig ist. In gleichgelagerten Fällen haben Gerichte in der Bundesrepublik den Abschiebebegehren von Behörden bislang immer klar einen Riegel
vorgeschoben."
Die Ausländerbehörde Eisenach hat diese Rechtssprechung ignoriert und somit findet am 5. März 2009 vor dem Verwaltungsgericht Gera eine Verhandlung statt.
"Ich bin optimistisch, dass wieder einmal ein Gericht eine geplante Abschiebung der Ausländerbehörde Eisenach stoppt. Dann stellt sich aber langsam die Frage, an welchen Rechtsgrundsätzen die Behörde in Eisenach ihr Verwaltungshandeln eigentlich orientiert, wenn ihr innerhalb kurzer Zeit wieder einmal ein Gericht attestiert, die Grenzen des rechtlich
zulässigen überschritten zu haben.", so Steffen Dittes.
Die Verhandlung findet am Donnerstag, den 5. März, ab 10.00 Uhr wird vor dem Verwaltungsgericht Gera, Hainstr. 21, 07545 Gera, Sitzungssaal 102, statt.
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Flüchtlingsrat Thüringen e.V.
Warsbergstr. 1
99092 Erfurt
Tel. 0361 2172720
Fax. 0361 2172727
www.fluechtlingsrat-thr.de